Kapitel 17- intimacy

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"Harry, tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe.", sage ich, denn es war unberechtigt, zumindest in diesem Ausmaß. "Und mir tut es leid, dass ich dir nichts erzählt habe. Ich wollte nur nicht Dinge, die nicht kompliziert sind, kompliziert machen. Außerdem läuft doch was mit Ava."- "Was? Das hat er mir garnicht erzählt!", beschwere ich mich leicht lachend. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange, während wir immer noch unsere Arme umeinander geschlungen haben.

Mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse ich wieder das Zimmer und mache mich auf dem Weg zum Saal.

Nachdem wir immer wieder gegen die Gruppenleiter gewonnen und auch mal verloren haben und mit dem Abendbrotessen fertig sind, sitzen wir wiedermal auf Stühlen im Saal. Seit dem ich aber Harrys Zimmer verlassen habe, ist das Lächeln in meinem Gesicht nicht mehr wegzubekommen. Verdammt! Er liebt mich!

Vier Gruppenleiter, darunter Rick, Maya, Niall und Harry, so erzählt es Ava mir, sitzen vorne an einem langen Tisch. Miriam stellt die erste Aufgabe: "Werden die Gruppenleiter ein rohes Ei trinken?" Es wird mit einer Abstimmung vom Publikum entschieden, ob der Gruppenleiter es machen wird oder nicht. Wenn wir richtig lagen bekommen wir dafür Punkte.

Rick tut es, Harry auch. Den küsse ich heute nicht mehr!, dachte ich zumindest. Maya und Niall verweigern. So geht es weiter mit mit Nutella die Zähne putzen, Senf eine Minute lang unter die Augen schmieren, Nasenhaare und Haare von Campmitgliedern abschneiden lassen, ein mit ekelhaften Sachen belegtes Brot essen und zuletzt in den nahegelegenen Tümpel springen.

Wir schätzen immer relativ gut. Und der Abend ist einfach nur extrem lustig. Ich wäre fast erstickt, als ein kleines Mädchen Harry die Nasenhaare geschnitten hat. Merle neben mir, hat es sehr detailliert erzählt. Aber seine Locken wollte Harry nicht hergeben.

Nachdem ich die Nacht nach dem Spiel bei mir im Zimmer geschlafen habe und der neunte Tag des Camps auch schon fast vorbei ist, schleiche ich mich nachts in Harrys Zimmer. Zumindest hatte ich das vor.

"Oh! Was machst du denn hier?", ich erschrecke mich total, als ich die bestimmt nicht mal zwei Meter von mir entfernte Stimme von- zum Glück- Niall höre. Wäre ich nicht so in Gedanken gewesen, hätte ich bestimmt mitbekommen, dass ich nicht alleine auf dem Fluren bin.

Kann ich ihn die Wahrheit sagen oder schickt er mich dann wieder in mein Bett?, frage ich mich als erstes, während ich noch vor mir rumstammele. Ich entscheide mich dafür es ihm zu sagen, da mir keine Ausrede einfällt. "Ich wollte bei Harry übernachten.", flüstere ich leise, aus Angst, dass doch noch irgendwer uns hören könnte. "Du weißt, dass das nicht erlaubt ist.", probiert er streng zu sagen, aber da Niall schon eher ein Freund, statt mein Betreuer für mich ist, bringt es eher weniger. "Und du weißt, dass Harry mein Freund ist.", probiere ich ihn zu überzeugen.

"Mhhm na Gut... aber treibt's nicht zu laut.", und da war wieder seine autoritäre Maske gefallen. "Niall!", beschwere ich mich lachend. "Komm hau schon ab, bevor dich sonst noch einer bemerkt.", meint er dann. "Danke, Niall." So wie Harry es mir erzählt hat, hat Niall uns nochmal versichert dicht zu halten.

"Hey Engel.", meine ich leise, als ich die Zimmertür öffne. Ich hatte mich nicht angekündigt und spüre den Schatten auf meiner Haut. Das Licht ist also schon aus, aber schlafen tut er anscheinend nicht, denn kurz darauf höre ich ein gemurmeltes "Louis?", aus der Richtung seines Bettes auf welches ich zugehe und meinen Blindenstock gefaltet daneben lege. "Hey.", wiederhole ich mich, als eine freie Stelle auf dem Bett ertaste und mich darauf setzte.

"Ich dachte ich komme zu dir. Ich hoffe, dass ist okay." Ich höre Harrys Umrücken. "Natürlich! Komm her.", höre ich seine müde Stimme und das Klopfen auf die Matratze. Ich lege mich hin, mit Blick zu ihm und sofort spüre ich seinen Arm um meine Taille. "Hab ich dich geweckt?", frage ich. "Nein. Alles Gut, aber lass uns schlafen." Ich nicke und drücke ich ihm noch einen Kuss auf die Lippen. Ich bin viel zu süchtig. "Ich liebe dich.", flüstert er in die Dunkelheit. "Ich liebe dich auch, Engel.", gebe ich mit einem Lächeln von mir und kurz darauf schlafe ich ein.

Celabrate good times come on!
Celabrate good times come on!
Let's celabrate!

Aus dem Radio dröhnend.

Schreie...Von Freunden...Von Papa...Von mir. Scheinwerfer. Diese, die mir vieles genommen haben.

Ein Krach. Mein schneller Atem. Meine Schreie nach Papa. Keine Antwort.

Verschwomme Sicht. Sirenen und immer deckender Schwärze.

"Lou!", höre ich weit entfernt. "Lou!...Louis!", ich schnappe nach Luft und richte mich auf. Mein Atem ist unkontrolliert und schnell.

Ich spüre Hände auf meinem Rücken. "Louis, es ist alles gut.", spricht jemand auf mich ein. Es ist Harry, realisiere ich langsam. "Harry?", gebe ich mit brüchiger Stimme von mir. "Ja, Louis. Ich bin hier. Ich hole dir ein Wasser. Warte eine Sekunde." Erst da merke ich, wie trocken meine Lippen sind.

Kaum eine halbe Minute später, wie ich die Zeit eingeschätzt hätte, wäre ich nicht in diesem Zustand, spüre ich einen Flaschenhals an meinen Lippen. Die Flasche halte ich jedoch nicht.

Ich trinke ein paar Schlucke. "Kannst du aufstehen?", fragt er besorgt. "Du bist klitschnass. Ich helfe dir beim Umziehen." Bedröppelt nicke ich. Harry hilft mir auf die Beine. Ich habe geträumt. Fällt mir ein als ich stehe.

Harry zieht mir mein Shirt vom Kopf, während mein Puls wieder etwas runterfährt. Es war nur ein Traum! "Willst du duschen gehen?", fragt Harry mich. Ich nicke. So ekelhaft durchgeschwitzt möchte ich mich nicht zu Harry legen. "Wie viel Uhr ist es denn?"-"Halb sechs. Gar nicht so früh. Komm mit.", meint Harry und nimmt meine Hand. Kurz darauf spüre ich weichen Stoff um mich. Ein Bademantel. Harry lotst mich in die GL-Dusche.

Ich lasse den Bademantel von meinen Schultern fallen und ziehe meine Boxershorts aus, während wir uns gegenseitig immer wieder anstoßen, da die Duschkabine so eng ist. Harry hat sich anscheinend ebenfalls entkleidet. Was mich schon wieder unglaublich nervös macht.

Als das Wasser warm auf meine Haut prasselt, höre ich das Klicken der Duschgel-Flasche. Vorsichtig dreht Harry mich um und beginnt mich einzuseifen. Sofort entspanne ich mich unter seinen sanften Berührungen. "Erzählst du mir wovon du geträumt hast?", fragt Harry, "Du musst nicht.", fügt er noch hinzu. "Ich hab von meinem sechsten Geburtstag geträumt. Du weißt schon...", erzähle ich. "Ich hab ewig nicht mehr davon geträumt.", gebe ich zu. "Tut mir leid.", meint Harry. "Es geht. Alles in Ordnung. Ich weiß, dass es vorbei ist.", beruhige ich ihn, während er sanft meine Schultern massiert. "Nur wenn ich träume, realisiere ich es erst spät.", füge ich leise hinzu. Ich seufze auf. Halb, wegen meiner Erkenntnis und halb, wegen Harrys sanften Fingern an meinem unteren Rücken.

Er umarmt mich von hinten und genau das ist es, was ich jetzt gebraucht habe. Ich spüre die unglaublich große Intimität an dieser Umarmung. Unsere Nacktheit ist dabei Nebensächlich. Es ist vielmehr mein Vertrauen zu Harry und seine stille Bestätigung dieses nicht zu brechen. "Ich liebe dich.", spreche ich wieder die Wörter aus, die gut, aber fast nicht genug gut sagen können, wie ich für Harry fühle. Ein Kuss auf meinen Nacken ist seine stille Antwort. Ich liebe dich auch.

[1219 Wörter, 9. Jan.2021]

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J

Blind// Larry //GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt