Kapitel 24- talk to me

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Ist es Freitagmorgen in der Schule, als ich einen der Jungs "Schwuchtel.", rufen höre. Es passt alles zusammen, Mum wusste es, Ellie wusste es und anscheinend auch der Rest meiner Umgebung und heute ist das erste Mal, dass ich hinhöre, als sie diese Beleidigung benutzen.

Es ist keines Falls das erste Mal, aber jetzt treffen mich diese Worte mit einer Wucht. Einfach, weil es wahr ist. Früher haben mich diese Worte nicht interessiert, sie waren ja nur irgendwelche Wörter, die so sehr die Wahrheit verfehlen, dass sie mich nicht beleidigen konnten. Und jetzt sind sie die Wahrheit und waren es schon immer, nur wusste ich das nicht.

Ein Stich durchfährt meine Brust und ich weiß nicht, wie ich mit dem gesagten Umgehen soll. Es ist das erste Mal, dass ich angefeindet werde. Bei Harry hatte ich nie das Gefühl mich komisch fühlen zu müssen, nie einen Grund über meine Taten nachzudenken, weil sie sich nicht richtiger hätten anfühlen können.

Mein Mund bleibt geschlossen und meine Bewegungen erstarrt. Nicht wie sonst schüttele ich einfach mit dem Kopf und gehe weiter, stattdessen dreht sich mein Magen um. Was ist wenn all das falsch ist? Es fühlt sich nicht so an, aber meine Gefühle und Gedanken überschlagen sich. Jeder ist mir bis jetzt offen begegnet. Warum interessiert mich dann die Meinung eines Jungen, dessen Stimme mir nicht mal bekannt vorkommt?

Die verwirrten Gefühle sammeln sich zu Wut. Diese verfliegt auch nicht, als ich zwei Stunden später auf meinem Bett liege. Ich denke an all das, was ich mit Harry getan habe und auf einmal wird mir schlecht. Nein, ich selbst finde es nicht eklig, aber alle meine Gedanken sagen mir, dass ist das ist.

Ich gehe so schnell es geht zum Badezimmer und übergebe mich. "Es ist alles gut. Du hast nichts falsch gemacht.", murmele ich mir immer wieder zu, aber es ist als würde mich eine außenstehende Person immer wieder dazu zwingen meinen Magen zu entleeren.

Du musst mit Harry reden. Ich rappele mich auf und betätige die Spülung. Mein Rachen fühlt sich ekelhaft an und mein gesamter Körper schwitzt.

"Harry? Wir müssen reden.", meine ich also einige Minuten später am Telefon. Mit Zähneputzen schaffe ich das ekelhafte Gefühl in meinem Rachen zu beseitigen, aber das flaue Gefühl in meinem Magen bleibt, bis Harry eine halbe Stunde später bei mir klingelt.

Das Gefühl weicht sofort Schmetterlingen, als Harry mich fest an sich drückt, aber das macht die Sache nur noch schlimmer für mich. Ungewollt schluchze ich in seinen Armen auf. Liam kommt sofort aus der Richtung des Wohnzimmers. "Was ist los?" Harry zuckt mit den Schultern, das spüre ich. "Egal. Äh... können wir bitte hochgehen.", wende ich mich wieder an Harry. "Natürlich.", meint er leise. "Reden wir später?", fragt Liam bevor wir verschwinden. Ich nicke schnell.

"He. Was ist los?", fragt Harry mich sofort, als wir meine Zimmertür schließen. "Weiß ich doch auch nicht.", murmele ich. Die Situation ist mir peinlich. Ich kann noch nicht mal mein Problem erklären und bestelle trotzdem Harry her.

Seine starken Arme legen sich um mich, während seine Körperwärme mich warm umhüllt. "Ist etwas vorgefallen?", stellt Harry die richtige Frage. So schaffe ich es mit dem Erzählen anzufangen. "Es hat mich heute jemand Schwuchtel genannt... Und ich weiß nicht.", ich schniefe,"Es war nicht das erste Mal, aber es hat mich auf einmal so getroffen." Harry hört mir zu ohne mich zu unterbrechen. "Und es hat sich halt nie falsch angefühlt. Nie habe ich nur einen Gedanken daran verschwendet, weil es sich so gut angefühlt hat. Immer.", gebe ich ehrlich zu.

"Und dann haben mich diese Worte so getroffen. Ich kann nicht mal erklären wieso. Ich kannte die Person nicht mal." Ich mache einige Sekunden Pause, nicht wissend, ob Harry die nächsten Worte wirklich hören möchte. "Ich hab mich so ekelig gefühlt, obwohl ich nichts bereue, was wir getan haben. Ich hab mich so oft übergeben. Ich weiß nicht, was ich denken soll." Ich hatte keine Ahnung, wie sehr ich Harry mit meinen Worten verunsicherte, bis er anfängt zu sprechen: "Wenn du nicht weißt, was du denken sollst, dann hör auf deine Gefühle. Erzähl sie mir."- "Ich weiß nicht. Verunsichert? Angst?" Harry hält kurz inne. "Wovor hast du Angst?"

Blind// Larry //GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt