Kapitel 9- olympics

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"Heute ist die Olympiade. Ihr werdet gleich in zweier Pärchen eingeteilt. Der Älteste spielt mit dem Jüngsten und so weiter damit die Teams gerecht sind. Es gibt nur zwei Ausnahmen, aber diese sind leider notwendig damit es gerecht bleibt. Um 14 Uhr gibt es einmal eine Pause fürs Mittagessen. Wenn die Olympiade um 15:30 Uhr vorbei ist habt ihr bis 17 Uhr freie Zeit. Nach einem verfrühten Abendessen findet dann heute Abend die große Treckerfahrt am Strand statt."

"Vergesst nicht der Gewinner darf am letzten Abend als erstes einen Preis aussuchen!", wird noch erzählt.

Die Teams werden eingeteilt und ich merke, dass ich die Ausnahme bin. Mal wieder! Ich mache mit Harry, da er mein persönlicher Betreuer ist. Thomas, Maik, Jette, Nina und Luca sind normal eingeteilt worden. Wie ich mit der Zeit erfahren habe, leiden sie alle am Down-Syndrom. Weil es dann so viele Paare gibt, ist es wahrscheinlich nicht so schlimm. Amelia ist taub und da Lina die einzige ist, die Gebärdensprache kann, dolmetscht sie immer alles für sie. Deshalb war es wahrscheinlich notwendig, dass sie mit ihr macht.

"Alles gut?", frag mich Harry. Er ist anscheinend gerade zu mir gekommen. "Ja alles in Ordnung.", sage ich vielleicht etwas zu schnell. "Louis?", fragt er besorgt. "Ich will nicht immer die Ausnahme sein.", gebe ich kleinlaut zu. "Aber wir machen doch zusammen?", probiert Harry etwas zögerlich etwas Gutes an der Sache zu finden. "Ich weiß und das freut mich auch, aber trotzdem."-"Wir als Team können vielleicht besser zusammenarbeiten als du und eine 14 Jährige.", meint Harry und ja, es stimmt. Ich will auch keinen anderen Partner als Harry. Deshalb nicke ich leicht lächelnd und erhebe mich dann.

Er zieht mich auf die Wiese und nimmt dabei meine Hand. Dass das eigentlich nicht notwendig ist, sage ich nicht. Stattdessen genieße ich das wiederaufkommende Prickeln in meiner Hand. "Wollen wir zuerst zu James?", fragt er und ich bejahe.

Bei der Station muss einer von uns das Spiel mit der Flasche und dem Stift spielen. Das überlasse ich natürlich Harry. Er hat den Stift innerhalb von drei Sekunden versenkt. Wir sind damit in Führung.

"Da haben die Kniebeugen wohl geholfen.", scherze ich. Er macht ein gespielt arrogantes Geräusch und lacht danach.

Wir gehen weiter zu Ricks Station. Es gibt zwei große Eimer voll mit Wasser. Von dem Wasser dort müssen wir so viel wie möglich transportieren und dann innerhalb einer Minute den Messbecher hinter uns soweit wie möglich auffüllen.

Harry sagt mir ich soll meinen kompletten Kopf reintuen, Wasser in den Mund nehmen und meine Haare auswringen.

Auf Knien setzen Harry und ich uns jeweils zwischen Eimer und Messbecher. Dann geht es los. Ich umgreife immer den Messbecher und den Eimer, so klappt es einigermaßen zu treffen. Als die Minute vorbei ist hat Harry mit seinen langen Haaren über 400 ml transportiert. Ich fast 300. Er gibt mir ein High Five. Ich war doch garnicht so schlecht.

Wir gehen weiter zu Niall Station Huckepacklauf auf Zeit. Ich stelle mich, nachdem ich meinen Stock Niall in die Hand gedrückt habe, hinter Harry und springe auf sein Kommando ab. Er hält meine Oberschenkel und springt noch ein bisschen damit ich in Position bin. "Bereit?", fragt er mich. "Immer.", antworte ich knapp. Dann höre ich Nialls Trillerpfeife. Harry rennt los erst Slalom, dann gerade Strecke und wieder zurück. Heilige ist er schnell. Ich klammere mich an ihm fest.

Ich höre wieder Nialls Trillerpfeife. "26,89 Sekunden!", ruft er uns zu. Unter mir spüre ich Harrys schnelle Atmung. "Geht's?", frage ich vorsichtshalber. "Alles gut. Du bist echt leicht, weißt du das?"- "Und du echt schnell!", gebe ich zurück.

Langsam lässt er mich runter. Niall gibt mir den Blindenstock wieder und wir gehen zu Maya. Kartenküssen. Ach. Du. Heilige. Scheiße. "Ihr habt eine Minute. Die Karte darf wieder aufgehoben werden." Ich sauge die Karte an und lege meine Hände in Harrys Nacken, damit ich weiß wo er ist. Dann geht es los er kommt nah und saugt die Karte an. Dann wieder ich. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Dann fällt die Karte runter. Unsere Lippen streifen kurz. Schnell bückt sich Harry und dann machen wir weiter. Am Ende haben wir neun Hin und Hers.

Dann werden wir schon durch ein Megaphon zum Mittagessen gerufen. Es gibt Pfannkuchen.

Kurz darauf befinden wir uns wieder auf der Wiese.

Bei Lina spielt Harry für uns Ladder Toss. Er muss an eine Leiter eine Schnur an der an jeder Seite ein Ball ist werfen. Er triff jedes Mal. Was kann er eigentlich nicht?

Dann gehen wir zu den Geschwistern. Erst zu Eric, dann zu Lili. Bei ihm müssen wir Wasser exen. Wir brauchen keine fünf Sekunden, aber danach habe ich einen Hustenanfall. Harry haut mir leicht auf den Rücken. Es geht wieder. Bei Lili müssen wir einen Ballon zwischen uns platzieren und dann damit laufen ohne das er runterfällt. Wenn doch gilt die Runde als ungültig und wir müssen nochmal anfangen.

Harry und ich platzieren den Ball auf unseren Bäuchen, wobei er bei mir ziemlich weit oben liegt. Er schlingt seine Arme um meinen Oberkörper und ich halte mich an seinen Oberarmen fest. Harry führt mich sicher, aber relativ schnell durch den Parkur. Wir haben alle Spiele erledigt, weshalb wir schon reingehen können.

Wir hatten echt viel Spaß die letzen Stunden und ich hatte ein wenig das Gefühl die Spiele sind zum Verkuppeln da. Jedenfalls hat das von meiner Seite aus gewirkt. Und anscheinend auch von Harrys, denn als ich mit auf sein Zimmer gehe küss er mich. Jedoch nicht ohne vorher wieder zu fragen, ob das okay sei. Der Kuss ist nicht ganz so schüchtern wie gestern, aber nicht verlangend oder ähnliches. Er ist nicht schnell, aber auch nicht ruhig. Er ist perfekt.

Harry streicht über meine Lippen und ich öffne meinen Mund. Unsere Zungen tanzen zusammen bis wir den Kuss langsam ausklingen lassen. "Würdest du mit mir ausgehen?", fragt Harry mich. "Gerne. Das wär toll.", freue ich mich.
"Können wir direkt los? Du brauchst nichts.", meint Harry. "Gar nichts? Auch kein Portmonee?", hake ich nach. "Auch kein Portmonee.", versichert er mir.

Wir gehen also los. Immer wieder streifen sich unsere Hände und nachdem wir einige hundert Meter vom Lager entfernt sind, nimmt er sie. Glücklich lächele ich. Harry erzählt mir, dass er als Gruppenleiter einfach so gehen darf, wenn nichts ansteht und er Niall mit der Ausrede, dass ich nur Harry und nicht ihn gefunden habe, geschrieben hat, dass ich in der Stadt bin. Wir sind jedoch in die andere Richtung, also Richtung Strand gelaufen.

Auf dem Weg erzählen wir uns gegenseitig von unseren Familien und Freunden. Er erzählt mir außerdem, dass er oft ins Fitnessstudio geht. Heiß! Wo kam das jetzt auf einmal her? Ok ich weiß genau wo das her kam... es ist nunmal die Wahrheit. Ich habe keine wirklichen Hobbies. Nur Lesen und Musik hören, aber sagen nicht genau das die Leute, die keine Hobbies haben?

Wir kommen tatsächlich am Strand an. "Ich will dir was zeigen. Aber dafür müssen wir etwas laufen. Ist das okay?"-"Natürlich.", meine ich sofort, ziehe aber noch meine Schuhe aus.

Wir laufen direkt am Wasser. Meinen Stock hat Harry sicherheitshalber in seinen Rucksack gepackt. Er hält mich an der Hand und pass genau auf, dass ich in keine Qualle trete.

Wir reden über verschiedene Sachen. Vor allem aber über das Camp. Zehn Minuten später kommen wir an. Harry führt mich in etwas. Ich spüre eine Gänsehaut auf meiner Haut. Die Sonne ist weg. Außerdem reicht es extrem Stark nach Salz. "Sind wir in einer Höhle?", frage ich. "Ja, das hier war mal ein großer Fels. Jetzt liegen hier bestimmt 7 Meter hoch abgeschliffene Steine. Hier ist nur eine kleine Lücke. Vielleicht zwei Meter hoch und eineinhalb Meter breit.", erzählt er mir. "Ich hab sie in meinem ersten Jahr hier entdeckt."

"Cool.", staune ich und gehe dann auf Harry zu, der bis gerade noch neben mir stand. "Danke, dass du mich hierher gebracht hast.", flüstere ich und lächele leicht.

"Gerne", erwidert er. Dann ist es still. Ich spüre seinen Blick auf mir und alles was ich will ist, seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich habe wieder dieses abgöttisch schöne Bild von Harry in meinem Kopf. Denke an dieses sympathische Lachen, seinen liebenswerten Charakter und wie er ohne zu zögern mit mir schwimmen gegangen ist. Jede Verantwortung dafür aufgenommen hat und sich auch jetzt immer um mein Wohlbefinden bemüht. Und dies kommt auf sobald ich seine Präsenz spüre oder nur an ihn denke. Ich bin ihm verfallen.

"Küss mich.", bitte ich ihn und keine Sekunde später finden sich seine Lippen auf meinen.

[1438 Wörter, 21.Dez.2020]

J

Blind// Larry //GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt