Kapitel 10- tractor

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Da die Pause nicht mehr so lang ist, machen wie uns auf den Rückweg.

Harry hat wieder seine Finger mit meinen verschränkt und wieder einmal fühle ich mich unglaublich wohl.

"Louis... warte mal kurz.", meint Harry. Ich merke, dass er sich vor mich stellt. "Also...oh Gott bitte lass es nicht zu früh sein.", höre ich ihn murmeln und ich glaube es war nicht für meine Ohren bestimmt. Ich höre ihn einmal tief durchatmen. "Könntest du dir vorstellen es mit uns zu probieren?", sagt er extrem schnell, aber ich verstehe ihn trotzdem. Mein Herz setzt einen Schlag aus und schlägt dreimal so schnell weiter. Ich glaube so schnell hat es noch nie in meinem Leben geschlagen. Ein riesiges Lächeln breitet sich auf meinen Gesicht aus, egal wie sehr ich es unterdrücken möchte. Es geht nicht. Und egal, ob es zu früh ist, es interessiert mich in diesem Moment nicht.

Ich muss nichtmal nachdenken, mein Herz hat mir die Antwort gerade mehr als deutlich gegeben. Ich nicke mit dem breitesten Lächeln auf dem Gesicht. "Wirklich?", haucht er und ich höre heraus, dass er gerührt ist und sein Lächeln gerade meinem gleicht. "Ja.", meine ich, wieder nickend.

Ich springe ihm um den Hals. Es geht nicht anders. Etwas überrumpelt taumelt er ein paar Schritte zurück, hält mich dann aber an meinem Po fest. Dann lacht er. Ich liebe es. Ich lege meine Hand an seinen Hals und streiche mit meinem Daumen über seine Wange. Der Wind weht durch meine Haare und langsam nähere ich meine Lippen seinen, um ihn nicht aus Versehen zu verletzen. Dann drücke ich sie auf seine. Der Kuss ist anders als die anderen. Ich stecke alle Gefühle, die ich für ihn habe hinein; halte nichts mehr zurück. Er erwidert mit genauso vielen Emotionen, wie ich. Es vergeht Zeit bis wir uns mit einem Lächeln voneinander lösen.

Dann geht er auf einmal los. Ich quietsche auf, aber er lacht nur wieder. "Du musst mich nicht tragen!", lache ich. "Mache ich gerne.", meint er. "Außerdem kann ich dann deinen Po anfassen.", raunt er. Für diesen Satz bekommt er einen Klaps auf den Rücken. "Ey!", beschwere ich mich. "Was? Für sowas hast du doch trainiert, oder nicht?", meint er, aber ich höre heraus, dass er es nicht 100 prozentig ernst meint. "Schon klar.", ist die einzige Antwort, die mir darauf einfällt.

Als er mich noch ein paar weitere Minuten getragen hat, setzt er mich aber doch ab. Als wir den Strand hinter uns lassen, gibt er mir meinen Stock wieder.

"Wir dürfen uns nicht so im Camp zeigen. Solange ich noch Betreuer und du Campmitglied bist sind Wir verboten." Ich nicke. Das war mir bewusst. Ich hoffe nur, dass man uns nicht erwischt, denn der meiste Ärger wird vermutlich an Harry hängen bleiben.

Ob ich ihm von Lukas erzählen soll? Dass er meinte, zwischen uns läuft was. Nein. Ich will nicht direkt den Teufel an die Wand malen. Außerdem muss Lukas ja nicht erfahren, dass wirklich etwas zwischen uns läuft. Ich ihn meinen Freund nennen darf. Oh Gott!

Harry lässt irgendwann meine Hand los. Das Camp ist wahrscheinlich in Sichtweite.
Küss mich noch einmal. Bitte., denke ich. Wer weiß schon, wann wir das heute nochmal können. Harry hat meinen Gedankengang wahrscheinlich verfolgt, denn er nimmt wieder meine Hand und zieht mich sanft mit ihm mit. Ich rieche das Moos und spüre die Rinde der Bäume, die wahrscheinlich hier massenweise am Wegrand stehen in meinem Rücken. Dann erfüllt er mir meinen Wunsch. Auf eine mehr als wunderschöne Weise.

Ich gehe zum Camp vor, solange bleibt er noch hinter den Bäumen stehen. Im Speisesaal angekommen setze ich mich neben Merle auf meinem Stammplatz. Dort bereiten wir uns alle kleine Lunchpakete vor, da wir erst gegen 22:00 Uhr zurückkommen werden.

Ein paar Minuten später machen wir uns in unseren Gruppen auf den Weg zum Strand. Merle sagt mir, dass dort ein großer Trecker mit zwei langen Anhängern steht. Auf diesen können wir uns setzen und dann durch die Gitterstäbe am Rand unsere Füße raushängen lassen. Als ich dies tue, spüre ich eine Präsenz neben mir. Die, die immer sobald ich sie spüre meine Schmetterlinge tanzen lässt. "Hey Haz."-"Hey Lou." Wie viel passiert ist seit wir das erste Mal diese Spitznamen verwendet haben...

Der Trecker fährt mit einem Ruck los und ab dann spüre ich den Wind, der meine Haare verwuschelt, das Salz in meinen Atemwegen und die Abendsonne auf meiner Haut.

"Vor uns sind weiten von Dünen. Auf ihnen wehen die Gräser und oben am Himmel fliegen ein paar Möwen. Circa zwanzig Meter von uns entfernt stehen rot-weiß gestreifte Strandkörbe. Vielleicht kannst du dir so die Landschaft vorstellen.", flüstert Harry mir ins Ohr. Ich nicke lächelnd. Als ich ganz klein war und noch sehen konnte waren wir einmal am Meer gewesen. In jedem Laden gab es Postkarten mit einer Landschaft, wie Harry sie mir beschreiben hat darauf und jetzt ist sie wirklich genauso wieder vor mir, wie sie es damals war. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich dieses Bild nicht nochmal zusehen bekommen werde. Wie auch? Aber jetzt ist es so und ich sitze hier mit der freundlichsten, zuvorkommendsten und liebenswürdigsten Person, die ich je kennenlernen durfte. Und es könnte nicht schöner sein.

Ich lege meine Hand neben mich in der Hoffnung, dass Harry seine auch neben sich gelegt hat und dass hat er. Kurz darauf verhakt Haz unsere kleinen Finger miteinander, da alles andere leider zu auffällig wäre. Trotzdem kann ich mein Lächeln nicht zurück halten.

Ganz am Anfang, so hat es mir Harry erzählt, sind wir an den Steinen vorbeigefahren. Danach sind wir bestimmt noch eine Stunde unterwegs, bis wir aussteigen.  Zayn geht neben mir die Düne hoch, auf der ein kleiner Leuchtturm stehen soll. Dieser ist blau-weiß, wie Zayn mir erzählt und höchstens 12 Meter hoch.

Wegen einer kleinen Feedbackrunde sollen wir uns in einem Kreis zusammenfinden. Ich merke aber an dem Gemurmel um mich herum, dass niemand wirklich Lust darauf hat. Aber gut, ich kann verstehen, dass Miriam gerne Feedback hätte, also gebe ich ihr dieses: "Ich finde es bis jetzt richtig gut hier. Auch wenn ich mal bei einem Spiel nicht mitmachen konnte, gab es super Alternativen und außerdem hab ich echt nette Leute gefunden, die mich immer wieder abholen, indem sie mir erzählen, was gerade passiert. Das ist es ja, glaube ich, worum es geht...", lasse ich meinen Satz in der Luft stehen.

Nachdem noch ein paar weitere ihr Feedback losgeworden sind, geht es die Düne wieder herab. Zayn hilft mir dabei ein bisschen, aber es ist anders als mit Harry. Weil du ja auch nicht Hals über Kopf in Zayn verliebt bist! Ich erschrecke mich etwas vor mir selbst. Bin ich in Harry verliebt? Mein Unterbewusstsein sagt ja, mein Körper auch und mein Herz sowieso, aber in meinem Kopf ist es noch nicht ganz angekommen. Ich hab einfach noch nicht darüber nachgedacht... Aber muss ich das überhaupt?

"Louis? Louis!", höre ich Zayn und spüre eine Hand vor meinem Gesicht rumfuchteln. Der Typ weiß schon, dass ich blind bin, oder? "Ja. Signal kommt an.", ziehe ich das ja extra in die Länge. "Gut. Leitungen wieder frei, was?", lacht er und ich werde doch etwas rot. "Wir sind da.", informiert er mich, "Und ich wollte fragen, ob wir nebeneinander sitzen können." Ich bejahe und Zayn hilft mir etwas wieder auf den Anhänger zukommen.

Etwas erleichtert stelle ich fest, dass Harry sich doch noch auf meine andere Seite gesetzt hat, als wir kurz darauf losfahren. "Hi Zee, Hi Louis." Ok, warum gibt er Zayn einen Spitznamen und mir nicht? "Woher kennt ihr euch?", frage ich nach. "Wir sind doch beide schon öfters mitgefahren.", meint Zayn. "Wir waren mal Zimmergenossen.", fügt Harry noch hinzu. "Echt? Cool.", meine ich ehrlich, da ich jetzt weiß wieso Zayn den Spitznamen hat.

Dieses Mal blicken wir in Richtung Meer , was ich unschwer daran erkennen kann, dass der Wind dieses Mal aus der anderen Richtung durch mein Haar weht. "Oh Gott! Wir sind gerade über ne' Qualle gefahren!", lacht Zayn. "Was?", frage ich entsetzt. "Ist bestimmt nicht die erste. So viele wie hier liegen!", meint Harry nur angeekelt. Ich, und ich schätze die anderen auch, müssen schmunzeln.

Die Fahrt geht weiter und unsere Gespräche enthalten nicht mehr als komplett Scheiß. Und auch die Sache mit den Spitznamen ist wieder vergessen.

[1407 Wörter, 24.12.2020]

Louis ist also verliebt...

Was haltet ihr von der Sache mit den Spitznamen?

J

Blind// Larry //GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt