Kapitel 16

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Fabio. Der Fremde hieß Fabio und war der Arzt der Familie.

Er schien, denke ich schon zu wissen, was ich hatte. Ich verspürte ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend, ich hatte Angst, fiel mir kurze Zeit später auf.

Er ging mit mir in einen anderen Raum. Zu dritt liefen wir den Gang entlang und schwiegen. Ich hing meinen Gedanken nach und wusste nicht, was gleich passieren würde.

Ich sammelte mich nach und nach und das Schwindelgefühl nahm ab. Mein Kopf dröhnte und ich konnte keinen richtigen Gedanken fassen. Man sah es mir nicht an, das hatte ich geübt.

Schmerz sah man mit nicht immer an, bei vielen tat man das nicht. Wie eine Art Schutzmechanismus, um nicht als schwach angesehen zu werden.

Schmerz hatte doch jeder. Nur anhand dessen bemerkte man doch, dass man noch lebte.

Es gibt zwar verschiedene Arten zu sterben und dennoch denke ich, dass die schlimmste Art der innere Tod war. Wie viele Menschen nahmen sich das Leben, weil sie im Inneren schon längst tot waren und es niemand bemerkt hat.

Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen, doch da denke ich mir woher man wissen konnte, wie viel ein einzelner Mensch vertragen konnte.

Was war, wenn eben jenes Päckchen zu schwer war, wessen Schuld war es. Woher sollte man wissen, dass es aushaltbar war und dass man schwere Zeiten überwinden wird.

Wir leben in ständiger Ungewissheit und eine Zahl zu messen, wie weit der Schmerz gehen konnte, konnte man nicht.
Jeder hat andere Empfindungen und fühlte anders. Man dachte und spürte anders.

Letztendlich sollte man es selber wissen, aber man wollte es nicht so weit kommen lassen. Also blieben unwissende und musste aushalten.

"Welche Tabletten brauchen Sie, Ms. Harrison?"

Schweigend blickte ich den Arzt vor mir an. Nervös spielte ich mit dem Ring, der nun an meinem Finger war.

Fabio blickte zur Tür, ich tat es ihm nach und blickte zur Tür. Arme überkreuzt, stand er da und schaute sich stumm das Geschehen an. Unsere Blicke kreuzten sich, streng und undurchschaubar.

"Du kommst hier nicht eher raus, bis du ihm erzählt hast, was das eben war, Darling."

Ich nickte, ich verstand und doch brachte ich keine Silbe über den Mund. Der Arzt seufzte, während ich grübelnd den Kopf senkte und über meine nächsten Worte nachdachte.

Konnte ich lügen? War es schlau zu lügen oder sollte ich die Wahrheit sagen?

"Ich hatte eine Panikattacke", flüsterte ich fast, allerdings war es so leise im Raum, dass er verstehen konnte.

"Was war der Auslöser?"

Ich hob meinen Kopf und schaute ihn an. Sein Blick war auf ein Notizbuch gerichtet, fleißig schrieb er darauf.

Mein Kopf neigte sich zur Seite, lesen konnte ich von meiner Position aus nicht, doch diese Situation erinnerte mich nach einer meiner Therapiestunden.

"Alles."

Jetzt hob er sein Kopf und sah in meine müden Augen.

"Wie meinen Sie das, Olivia?"

"So wie ich das sage", wich ich aus

Erneut seufzte er. Wie konnte er denken, dass ich einem von ihnen vertrauen könnte.

"Seit wann haben Sie Panikattacken?"

Er war keineswegs ungeduldig oder ließ sich aus der Ruhe bringen, es ist, als wäre er die Ruhe selbst und als würde Stunden warten können, bis ich ihm antworten würde.

Mittlerweile war mir doch bewusst geworden, dass ich nicht ausweichen konnte, ich würde nicht eher gehen, bis er all seine Fragen beantwortet hatte.
Stumm stoße ich die angestaute Luft aus und setzte zu einer Antwort an.

"Schon länger, vielleicht 1 Jahr."

"Waren Sie schon in Behandlung?"

"Ja, seit einigen Wochen nicht mehr."

Wieder stille. Dieses Mal war sie mir recht, sie gab mir halt und die nötige Zeit mich zu beruhigen.

"Ich bin da, um ihnen zu helfen, Olivia und die nächsten Fragen werden nicht angenehm werden", stumm beobachtete er meine Reaktion.

Klar, er war da um mir zu helfen, womit? Hier rausholen würde er mich nicht.
Ich verkniff mir einen Kommentar und bereite mich schon seelisch darauf vor, auf seine Fragen eingehen zu müssen.

Erneut schwenkte mein Kopf zum namenlosen Anzugträger an der Tür.
Immer noch stand er da und beobachtete uns.

Konnte er nicht gehen? Ich will das alles nicht. Ich will weg von hier.
Beunruhigt schaute ich zum Arzt zurück und nickte.

"Was für Fragen?"

"Ich möchte den Grund für deine Panikattacken wissen", informiert er mich immer noch ruhig.

"Hab ich doch schon gesagt."

"Nicht von dieser hier allgemein. Also erzählen sie mir von ihrem Leben vor dem hier."

Ich schüttelte den Kopf. Das konnte er vergessen, er konnte doch nicht von mir verlangen, über meine Vergangenheit zu reden. Was war er mein Psychologe?

"Ich brauche einfach diese Tabletten und sie kommen nicht mehr vor."

So einfach war es, er soll mit dieser schwachsinnigen Fragerei aufhören.

"Nur die Tabletten allein reichen nicht, ich denke, auf ihnen lastet ein zu hoher Druck und über den müssen sie reden. Er staut sich auf und irgendwann ist es zu viel und sie erleiden diese Attacken."

"Ich... mit geht es gut, hören Sie. Sie haben recht, es war zu viel, das hier ist mir zu viel und das sollten Sie wissen", vergriff ich mich leicht im Ton.

Und doch noch immer ist der Mann mir gegenüber die Ruhe selbst. Wie schaffte er das?

Ich wollte aufstehen und dieser Situation entfliehen.

"Ich glaube, es reicht für heute", stand Fabio auf und verließ den Raum.

Auch ich stand auf und bewegte mich Richtung Tür.

"Ich bringe dich hoch auf unser Zimmer und morgen redest du weiter mit ihm, hast du verstanden Tesoro."

Stumm nickte ich und machte mich schon fast automatisch kleiner, als er seinen Arm über meine Schulter legte und mit mir zum Zimmer lief, in dem ich schlief.

The new beginning/ You Belong To MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt