Ich wache auf.
Ich höre panische Menschen schreien und sehe, wie einige Passagiere ihre Schwimmweste unter ihrem Sitz hervorkramen. Eine Sirene macht den Lärm nur noch schlimmer. Das Flugzeug ruckelt. Ich sehe in die ängstlichen Gesichter von Kindern, die sich ihres Schicksals noch nicht bewusst sind.
Ich greife unter meinen Sitz und streife mir die Weste über. Das kann das einzig Richtige sein.
Stumm bereite ich mich auf den Aufprall vor, der sicher nicht lange auf sich warten lassen wird. Abschnallen würde nichts bringen, der Gang zwischen den Sitzen ist brechend voll von einer kreischenden hysterischen Masse, die verzweifelt einen Ausweg aus dieser brenzligen Situation sucht.Ich schreie nicht. Was mich aber besonders überrascht ist, dass ich keine Angst habe. Ich bin von einer tiefen Ruhe ergriffen, als wisse mein Körper irgendwie, dass mir Panik in diesem Moment herzlich wenig bringt.
Ich schreie nicht. Ich sehe mein bisheriges Leben vor meinem inneren Auge Revue passieren.
Ich sehe meine Mutter sterben, ich sehe den rosa Hund. Ich sehe meine Freunde, meine Feinde und die, die ich nicht so ganz einordnen kann.
Ich sehe meinen Bruder.
Ich sehe mein altes Ich."Mama! Micky ist so gemein! Schau, er blockiert MEINEN Platz! Dabei sitze ich doch immer am Fenster!"
"Mama, Ava darf immer alles! Wieso darf ich nicht mal am Fenster sitzen? Das ist doch nicht Fair!"Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und denke nach.
Die letzten Sekunden meines Lebens möchte ich nicht weinend vor Angst und hysterisch wie eine Henne, der man ihr letztes Ei stielt verbringen.
Ich denke an Micky. Meinen Bruder. Meinen unglaublich netten, lieben und witzigen Bruder. Ja, er war etwas nah am Wasser gebaut und emotional, aber ich liebte ihn trotzdem.
Wie wird er wohl reagieren, wenn er von meinem Tod erfährt? Wird er -RUMMSSS
Wasser.
Überall Wasser. Ich bekomme keine Luft. Die Schwimmweste versucht mich hinauf zu ziehen. Ich komme nicht los. Ich bin gefesselt. Der Sitz!
Der Gurt! Ich taste meine Hüfte entlang und fummle am Verschluss herum, bis ich ihn schließlich öffne.
Ein unbeschreiblicher Druck liegt auf meiner Lunge. Ich spüre, wie ich schon schwächer werde.
Ich schaffe es nicht. Die Weste lässt mich langsam nach oben, hinauf zur Wasseroberfläche schweben.
Ich kann nichts mehr tun. Krampfhaft versuche ich, den drang nach Luft zu schnappen zu unterdrücken, denn ich weiß, es wäre mein Ende. Wenn ich erstmal Wasser in meiner Lunge hätte, würde ich komplett versagen.
Da, meine Fingerspitzen stoßen hinaus, hinaus an die Luft. Ich nehme alle Kraft, die ich noch aufbieten kann zusammen und schaffe es mit einem mehr oder weniger kräftigem Schwimmzug hinaus aus dem Nass. Ich schnappe nach Luft, fülle meine Lungen mit Sauerstoff.
Nun höre ich Schreie. Ich hole erneut tief Luft. Sollen sie doch schreien. Ich bin in Sicherheit. Ich öffne meine Augen und befreie sie vom Dreck. Ich sehe mich um.
Plötzlich wird ein junges Mädchen, etwa in meinem Alter in die Tiefe gezogen. Ich höre ihren panischen Aufschrei und sehe nur noch Blut.
Ich schrecke zusammen. Ein Baumstamm fällt in mein Blickfeld.
Nein, nein nein! Weg hier! Schnell weg hier!
Ich strample auf das Ufer zu, weg von dem verräterischen Baumstamm, dem Krokodil.
Ich weiß, auf langen Strecken bin ich langsamer, doch ich kann es schaffen. Es ist nicht mehr weit. Nur noch ein paar Meter. Meine Füße berühren glitschigen Boden und ich rutsche fast aus.
Plötzlich schießt ein heftige Schmerz durch mein Bein. Ich wurde erwischt. Ich versuche mich panisch loszureißen und das Ufer zu erreichen.
Tatsachlich kriege ich mein verletztes Bein los. Erschöpft erreiche ich das Ufer.
Ich schleppe mich weg von dem gefährlichen Gewässer, in dem die Krokodile in diesem Moment einen wunderbaren Festschmaus erleben. Die Schreie der Menschen sind immer noch zu hören.
Bitte beendet ihr Leben schnell, flehe ich stumm.Als ich versuche mich aufzurichten, schießt ein Schmerz durch mein linkes Bein und ich sinke wieder auf den Boden zurück. Blut.
Dunkles Blut sickert aus meiner Wunde wie Wasser aus einer Dusche. Benommen versuche ich zwischen all dem Blut etwas auszumachen. Mein Kopf sackt auf meine Knie. Ich kann meine Augen nicht länger offen halten. Ich spüre die lockende Linderung, die mir die Ohnmacht verspricht.
Der Schmerz wird verschwinden, sagt sie. Du wirst schlafen, du wirst dich sicher fühlen.
Noch immer versuche ich gegen die Müdigkeit anzukämpfen, doch wirklich gut gelingt es mir nicht.
Ich werde hinein gezogen, in die Finsternis. In die Dunkelheit.
In die Gefühlslosigkeit.
Sooooo, zweites Kapitel kommt schon dezent früh, aber ich konnte es einfach nicht abwarten! Das nächste Kapitel kommt dann auch wirklich erst nächste Woche raus. Noch einen schönen Abend euch allen! (Wohl eher euch Wenigen xd. Das erste Kapitel hat erst 11 Reads und die meisten davon kommen von mir, da ich es schon in Vorschau korrekturgelesen habe)
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The new Lioness
AventureAva Green landet bei einem Flugzeugabsturz mitten in der Wildnis Afrikas. Schwer verletzt wird sie vom Löwen-Stamm, eine Gruppe aus einheimischen Afrikanern gefunden und gesund gepflegt. Sie wird quasi ein Mitglied des Stammes. Doch nicht jeder ist...