# 19

2.6K 178 29
                                    

- Mona -

Mit einem tiefen Seufzer und vor der Brust verschränkten Armen schaue ich aus dem Doppelfenster meines Büros und lasse meinen Blick über das Schulgelände schweifen.
Heute ist es soweit.
Das Gespräch mit Romy und Jonathan.
Ich hole tief Luft und drehe mich zu der tickenden Uhr um, die über meiner Bürotür hängt und 14:58 Uhr anzeigt.
Noch zwei Minuten.
Oh Mann…
Die ohnehin schon presslufthammerartigen Schläge meines Herzens verdoppeln nochmal ihr Engagement und damit ihre Geschwindigkeit, mit der sie gegen meinen Brustkorb trommeln, als würden sie versuchen, ein höchst komplexes Drum-Solo nachzuspielen.
Vielleicht hätte ich Ellies Angebot von heute Morgen doch annehmen und mit ihr etwas Yoga machen sollen…oder ich hätte zumindest eine Tasse ihres Entspannungstees nach ihrer
eigenen Kräutermischung trinken können…
Wow…dass ich sogar darüber nachdenke, auf Ellies spirituellen Kram zu Beruhigungszwecken zurückzugreifen, zeigt wirklich, wie nervös und unruhig ich bin…
Ein trockenes Lachen entfährt mir und ich schüttle über mich selbst den Kopf, zucke jedoch zusammen, als ein kurzes prägnantes Klopfen ertönt.
Das bedeutet wohl, dass es los geht…na super…
Mit einem Räuspern straffe ich meine Schultern und gehe zurück zu meinem Schreibtisch, wenn auch mehr schlecht als recht auf meinen leicht zitternden Beinen.
Verdammt, Mona!
Das hier ist nur eine Besprechung!
Eine Besprechung, wie du sie schon mit einigen deiner Schülerinnen und Schüler und deren Eltern geführt hast!
Also reiß dich jetzt verdammt nochmal zusammen!
Ich schlucke kurz und atme nochmal tief mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf durch, bevor ich wieder aufschaue und meine ruhige und professionelle Direktorinnenmiene aufsetze.
„Herein“, sage ich mit überraschend fester Stimme und mein Herz macht einen kleinen Sprung, als sich meine Bürotür öffnet und Tina im Raum erscheint.
„Jonathan Faber und seine Mutter wären jetzt zu der vereinbarten Besprechung da, Direktorin Berger.“
„Sicher“, sage ich und nicke kurz, „ich lasse bitten, Tina.“
Parallel umfasse ich die Kante meines Schreibtischs, hinter dem ich stehe, fast schon krampfhaft mit meinen Fingern und warte ungeduldig, dass die beiden angekündigten Personen mein Büro betreten.
Als erstes schiebt sich Jonathan an Tina vorbei und betritt den Raum, wie immer mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen und einem fast schon desinteressierten Ausdruck auf dem Gesicht, bevor er mir kurz zur Begrüßung zunickt, so als würden wir uns schon jahrelang kennen.
Charmant…
Doch bevor ich über Jonathans Geste den Kopf schütteln oder auch nur die Stirn runzeln kann, erscheint Romy neben Tina im Türrahmen und tritt anschließend in mein Büro.
Mein Herzschlag, der bis vor wenigen Sekunden noch auf Hochtouren vor sich hingehämmert hat, kommt mit einem Mal zum Stillstand.
Stattdessen spüre ich, wie sich diese verlangende Hitze langsam in meinem Körper ausbreitet und mir das Atmen etwas schwerer fällt, erst recht, wenn ich mich daran erinnere, wie Romy am Freitag nur mit ihrem Handtuch bekleidet ausgesehen hat.
Der Schauer, der meinen Körper durchzuckt, lässt mich scharf einatmen und ich reiße meinen
Blick von Romy wieder los, um Tina dankend zuzunicken, die daraufhin ebenfalls nickt und die Tür wieder hinter sich zuzieht.
„So“, sage ich und muss mich wegen meiner ungewöhnlichen rauen und kratzigen Stimme etwas räuspern, während ich mit einer Hand auf die beiden Stühle vor meinem Schreibtisch deute, „dann nehmen Sie beide doch bitte Platz, damit wir mit der Besprechung beginnen können.“
Ohne auch nur Romy oder Jonathan anzusehen, nehme ich auf meinem Schreibtischstuhl Platz und schlage meine Beine übereinander.
Trotzdem bemerke ich aus den Augenwinkeln, wie Romy auf dem Stuhl schräg gegenüber von mir Platz nimmt und mich aus ihren blauen Augen mustert, bevor sie sich leicht und scheinbar vollkommen in Gedanken auf ihre Unterlippe beißt, wodurch mein Unterleid sich
heftig zusammenzieht.
Verdammt!
Fokus, Mona! Fokus!
Lass dich doch nicht so sehr von Romy aus dem Konzept bringen!
Versuch dich abzulenken!
Konzentrier dich auf irgendetwas anderes!
Aber wie soll das bitte gehen, wenn ich mit ihr und Jonathan ein Gespräch führen soll?!
Ich kann sie doch nicht einfach ignorieren...
Aber wenn ich es nicht tue, werde ich dem Gespräch mit Sicherheit nicht folgen, geschweige denn es leiten können...
Verdammt, was mache ich denn jetzt nur?
Mit einem schweren Schlucken lasse ich meinen Blick noch weiter sinken und schaue dadurch auf Jonathans Aufsatz, der direkt vor mir auf der Oberfläche meines Schreibtisches
liegt.
Da ich mich gestern schon am frühen Nachmittag in den Feierabend verabschiedet habe, hat Tina mir den Aufsatz erst heute Morgen gegeben und mir gesagt, dass Jonathan ihr den
Aufsatz gegen 16:00 Uhr vorbeigebracht hat, also etwa eine Stunde vor dem regulären Ende des Nachsitzens.
Dementsprechend habe ich auch mit einer eher nachlässigen Qualität des Aufsatzes gerechnet und war deshalb umso überraschter, als ich mir den Aufsatz bei meinem morgendlichen
Kaffee durchgelesen habe und feststellen musste, dass Jonathan sich trotz seiner Abneigung bezüglich der von mir gestellten Strafarbeit doch Mühe gegeben und einen sogar recht gut geschriebenen und stringent aufgebauten Aufsatz abgeliefert hat.
Der Aufsatz…natürlich, das ist es!
„Gut“, sage ich und schaue mit einem selbstbewussten Lächeln wieder auf, während ich innerlich mehr als dankbar bin, dass meine Stimme wieder ihren festen und professionellen Klang angenommen hat. „Da ich Jonathan gestern Nachmittag im Zuge des Nachsitzen gebeten habe, einen Aufsatz bezüglich des erforderlichen Respekts gegenüber Autoritätspersonen zu verfassen und dieses Thema hervorragend zu der Problematik unserer heutigen Besprechung passt, würde ich gerne mit einigen Querverweisen auf deine beiden Auseinandersetzungen mit Herrn Lüdenscheid über deinen Aufsatz sprechen, Jonathan. Wäre das für dich in Ordnung?“
„Ähm“, Jonathan runzelt die Stirn, während er kurz einen leicht verwirrten Blick mit seiner Mutter austauscht und dann wieder zu mir sieht, „okay, wenn Sie das unbedingt wollen, Direktorin Berger.“
„Sehr schön“, sage ich und nicke zufrieden, während ich es immer noch vermeide Romy anzusehen.„Also, dann wollen wir mal…“

Liebe Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 1) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt