# 22

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- Mona -

Mit einem leisen Stöhnen lehne ich mich in meinem Bürostuhl zurück und massiere mit einer Hand meinen steifen Nacken.
Schon seit heute Mittag beschäftige ich mich mit diesen dämlichen Fördergeld-Anträgen zur Finanzierung der Sanierung der Schülerwaschräume und bin jetzt, knapp zwei Stunden später, immer noch nicht wirklich weitergekommen.
Aber ich bin ja auch selber Schuld.
Wenn ich diesen unnötig komplizierten Papierkram heute Vormittag zusammen mit Tina erledigt hätte, würde ich jetzt nicht hier an ihrem freien Nachmittag alleine am Schreibtisch sitzen und vor mich hin verzweifeln.
Oh Mann…
Kopfschüttelnd nehme ich meine Hand von meinem Nacken und lasse stattdessen meine Schultern ein wenig kreisen, was mich jedoch das Gesicht verziehen lässt.
Verdammt, seit wann bin ich eigentlich so verspannt?
Hoffentlich ist das bis Freitag weg, denn ich habe wirklich keine Lust die Position des sterbenden Schwans  beim Yoga einzunehmen.
Wer weiß, vielleicht kommt das sogar von dieser freitäglichen Folterstunde, auch wenn Ellie ja bei ihren Räucherstäbchen schwört, dass diese spirituellen Gymnastikübungen das
Gegenteil bewirken sollen.
Kein Wunder, dass sie nach der Stunde direkt bei dieser Larissa nachgefragt hat, ob wir fortan jeden Freitag vorbeikommen könnten…und wie sie sich gefreut hat, als Larissa meinte, dass das gar kein Problem sei…ich wusste gar nicht, dass mein Cousinchen eine derart sadistische Ader mir gegenüber hat…
„Direktorin Berger?“
Die überraschende Nennung meines Namens lässt mich aufsehen und meine Augenbrauen heben sich, als ich Jonathan im Türrahmen meiner geöffneten Bürotür stehen sehe.
Mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen und dem Rucksack über einer Schulter schaut Jonathan mich mit einem schiefen Grinsen an und hebt eine Augenbraue.
„Sollte das ein kurzes Aufwärmprogramm für ein feierabendliches Workout werden?“, fragt er und mustert mich belustigt, woraufhin ich ihm einen spöttischen Blick zuwerfe.
„Und sollte das gerade dein kläglicher Versuch eines amüsanten Kommentars sein?“
„Gut möglich“, erwidert Jonathan und lacht kurz auf, bevor er seine Hände aus den Hosentaschen zieht und sie stattdessen beschwichtigend hebt, „okay, was halten Sie von Waffenstillstand?“
„Einverstanden.“ Ich spüre, wie sich meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln heben und schlage die Beine übereinander. „Was kann ich für dich tun, Jonathan? Hast du etwa wieder Probleme mit Herrn Lüdenscheid?“
„Nein, eher im Gegenteil. Heute Morgen habe ich mich wie vereinbart bei ihm entschuldigt und er sich auch bei mir…auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass wir beide diese Entschuldigung nicht ganz so ernst gemeint haben.“
„Das glaube ich dir sogar. Trotzdem wäre ich dir sehr verbunden, wenn du in Zukunft versuchen würdest, Auseinandersetzungen mit Herrn Lüdenscheid aus dem Weg zu gehen und ihr beide so respektvoll wie möglich miteinander umgehen würdet.“
Jonathan betrachtet mich für einen Moment, bevor er tief Luft holt und langsam nickt.
„Okay…wenn Sie darauf bestehen, werde ich versuchen, mich etwas gegenüber Herrn Lüdenscheid zurückzuhalten.“
„Gut. Danke, Jonathan“, sage ich und richte mich etwas in meinem Stuhl auf, „bist du nur gekommen, um mir davon zu erzählen?“
„Nein, eigentlich nicht“, sagt Jonathan und schiebt seine Hände zurück in seine Hosentaschen, „ich wollte Sie nur fragen, was ich beachten muss, wenn ich beim schulinternen Vorspielen für die Qualifizierung zur Teilnahme am Wettbewerb der Musikakademie mitmachen möchte?“
Was?
Ich spüre, wie sich erst Verwirrung und anschließend Überraschung auf meinem Gesicht abzeichnet, während Jonathan mich mit einem derartig selbstzufriedenen Grinsen ansieht,
dass ich am liebsten die Augen verdrehen würde.
Stattdessen räuspere ich mich und ersetze die überraschten Züge durch meinen professionellen Direktorinnen-Gesichtsausdruck.
„Dann nehme ich an, dass deine Mutter doch damit einverstanden ist, dass du doch am Wettbewerb teilnehmen darfst, sofern du nach dem Vorspielen dafür ausgewählt wirst?“, frage ich und bemühe mich um einen möglichst neutralen Tonfall.
„Ganz genau“, Jojos Grinsen wird noch ein bisschen breiter, „und ich denke, dass ich das Ihnen zu verdanken habe, Direktorin Berger.“
„Mir?“ Ich runzle kaum merklich die Stirn, während mein Herz wie wild gegen meinen Brustkorb hämmert. „Darf ich fragen, wie du darauf kommst?“
„Na ja, ich habe gestern Abend nochmal mit meiner Mutter über den Wettbewerb gesprochen. Dabei hat sie mir von ihren negativen Erfahrungen mit der Musikakademie erzählt…und auch von Ihnen.“
„V-Von…von mir?“, stammle ich und spüre, wie ein kalter Schauer meinen Körper durchzuckt.
Romy hat ihm doch nicht etwa von uns erzählt, oder?!
Ich meine…ach, so ein Unsinn, Mona!
Welche normale Mutter erzählt denn schon bitte ihrem Sohn von ihren früheren Liebesgeschichten?!
„Sie müssen mich gar nicht so ertappt anschauen, Direktorin Berger“, holt Jonathan mich aus meinen Gedanken zurück, während sich auf seinen Lippen ein stummes Lachen abzeichnet, „ich habe meiner Mutter schon gesagt, dass ich bereits bei dem Begrüßungsgespräch den Eindruck hatte, dass Sie und meine Mutter sich kennen…was Sie mir im Übrigen auch ruhig hätten sagen können.“
„Nun, ähm…“, ich räuspere mich und senke meinen Blick.
Nur die Ruhe bewahren, Mona!
Lass dir nichts anmerken…
„Ich…ich nehme an, dass es nicht besonders professionell wirkt, wenn die Schuldirektorin mit der Mutter eines Schülers bekannt ist. Schließlich hätte man mir, insbesondere in Bezug
auf deine Auseinandersetzungen mit Herrn Lüdenscheid, vorwerfen können, dass ich für dich Partei ergriffen hätte.“
Gut gerettet, Mona…sehr gut gemacht.
Zufrieden mit dem Versuch dieser, in meinen Augen, doch recht plausiblen Erklärung richte ich meinen Blick wieder auf Jonathan, der gelassen mit den Schultern zuckt.
„Okay, das macht schon Sinn. Na ja, jedenfalls müssen Sie meiner Mutter während des Vier-Augen-Gesprächs irgendetwas gesagt haben, was sie beeinflusst hat, denn nachdem meine Mutter mir erzählt hat, dass sie Sie noch aus Unitagen kennt, ist sie erst ganz ruhig geworden und hat mir dann anschließend ihre Zustimmung für eine eventuelle Teilnahme am
Wettbewerb gegeben, nachdem sie mich zuvor gefragt hat, ob ich daran teilnehmen wollen würde, wenn es möglich wäre.“
„Verstehe“, sage ich langsam und nicke leicht.
Dann hat Romy sich also doch meine Worte zu Herzen genommen…wow…das hätte ich nach dem Ende unseres gestrigen Gesprächs wirklich nicht gedacht…
„Na ja, und deswegen wollte ich mich zum einen bei Ihnen bedanken und zum anderen wissen, welche genauen Bedingungen es für das schulinterne Vorspielen gibt.“
„Ach so…ähm…ja“, murmle ich, immer noch halb in Gedanken, und versuche mich krampfhaft auf Jonathans aufmerksamen Blick zu konzentrieren. „Wir…ähm…wir wollen das Vorspielen so einfach wie möglich halten, schließlich sollte der Fokus aller Beteiligten auf dem Wettbewerb liegen. Deshalb habe ich mich zusammen mit den Musiklehrern darauf geeinigt, dass jeder der potentiellen Wettbewerbskandidaten ein klassisches Stück seiner Wahl spielt, da sich die Akademie mit Sicherheit darauf beim Wettbewerb konzentrieren wird. Ach, und vielleicht noch das Wichtigste zum Schluss…das schulinterne Vorspielen findet nächsten Montag um 15 Uhr in der Schulaula statt. Meinst du, dass du es bis dahin noch schaffst, ein passendes Stück einzuüben?“
„Ja, ich denke schon“, sagt Jonathan und nickt langsam, wobei sich seine Stirn jedoch leicht kräuselt.
Komisch…
„Bist du dir sicher?“, hake ich nach, ernte allerdings nur ein weiteres Nicken von ihm.
„Ja, ja…das passt schon. Ich beherrsche ja ein paar Stücke und müsste eines davon wahrscheinlich nur nochmal auffrischen…aber um ehrlich zu sein, mache ich mir über etwas ganz anderes Gedanken.“
„Und um was, wenn ich fragen darf?“
„Na ja…ähm…also…“ Etwas unbeholfen schaut Jonathan zu Boden und tritt dabei von einem Fuß auf den anderen. „Ich…ich habe keine Geige…also…also kann ich eigentlich auch gar nicht vorspielen…“
„Oh, wirklich?“ Verwundert hebe ich die Augenbrauen. „Aber wie hast du denn dann Geige spielen gelernt, wenn du gar keine Geige hast?“
„Ich…also…meine Mutter kann ja auch Geige spielen, wie Sie ja wahrscheinlich auch noch von früher wissen, und ich habe das Spielen auf ihrer Geige gelernt.“
„Ah…verstehe.“ Ein Lächeln zeichnet sich auf meinen Lippen ab, als ich mich an Romys wunderschöne alte  Geige erinnere. „Aber dann kannst du dir doch bestimmt die Geige fürs Vorspielen ausleihen, oder?“
Doch anstatt eines von mir angenommenen zustimmenden Nickens seitens Jonathan, scheint dieser nicht allzu sehr von meiner Idee angetan zu sein, denn er weicht meinem Blick immer noch aus und kaut nun stattdessen auf seiner Unterlippe.
„Ich…das…nein, das geht nicht…“
„Bist du dir sicher?“, frage ich und runzle etwas verwirrt die Stirn. „Willst du sie nicht wenigstens fragen, ob du ihre Geige…“
„Nein“, erwidert Jonathan in einem überraschend ernsten Tonfall und schaut wieder zu mir, „es geht einfach nicht. Meine Mutter kann mir die Geige nicht leihen.“
„Und warum nicht?“
„Weil sie es nicht kann“, entgegnet Jonathan knapp und ich sehe, wie seine Augen immer schmaler werden, „muss ich Ihnen auch erst darüber einen Aufsatz schreiben oder glauben Sie mir auch so?“
„Es gibt keinen Grund derart gereizt zu sein, Jonathan“, ich werfe Romys Sohn einen strengen Blick zu und stehe langsam von meinem Bürostuhl auf, bevor ich tief Luft hole und mich dadurch wieder etwas beruhige. „Und abgesehen davon denke ich, dass ich auch die Lösung für dein Geigenproblem habe.“
„Ehrlich?“ Der vorhin noch leicht verärgerte Gesichtsausdruck von Jonathan wandelt sich innerhalb von Sekunden in ein überraschtes Staunen. „Und welche Lösung soll das sein?“

Liebe Auf Abwegen (Mona & Romy - Band 1) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt