Kapitel 6

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Kapitel 6


Manus Sicht:

„Autsch…“
Stöhnend schaffte ich es endlich meinen Oberkörper von dem klebrigen Pflasterstein aufzusetzen. Bin ich hier eingeschlafen? Schon wieder stöhnend vor Schmerz rieb ich mir meinen Hinterkopf, strich dabei über eine dicke Beule, an welcher schon getrocknetes Blut hing. Was ist passiert?

Nach einer Weile habe ich auch die Kraft dazu gefunden ganz aufzustehen. Es war ein Fehler, denn ich schwankte stark, hielt mich dann einige Minuten an einer Steinmauer fest, sah nur schwarz und konnte erst spät wieder normal stehen. Total hilflos irrte ich durch die Gassen. Ich sah aus wie ein Obdachloser der sich jeden Tag von Alkohol ernährte.
Nach Hoffnung suchend schaute ich hoch in den Himmel. Es war schon sehr hell und ich schätzte die Uhrzeit auf 8 bis 10 Uhr. Außerdem schlenderten auch schon einige Menschen über die Marktstraßen und die Läden öffneten gerade alle, was meine Vermutung bestätigte.
Einige Fragen blieben jedoch offen: 
Was soll ich tun? 
Wo bin ich? 
Und, verdammt nochmal, was ist passiert?

Plötzlich hörte ich etwas. Es war ein schrilles, nervendes Geräusch, was meine Kopfschmerzen nur verstärkte. „Verdammt, was…“, ich griff in meine Hosentasche, als ich merkte das dieser Ton anscheinend von mir aus ertönte. Heraus zog ich ein Handy. Lange starrte ich es einfach nur an. Sollte ich rangehen? Nach kurzer Zeit hörte es auch schon auf zu klingeln, doch einige Sekunden Stille später ertönte wieder dieser Ton. Genervt ging ich schließlich doch ran und berührte mit meinem Finger den grünen Hörer.
„Hallo?“, krächzte ich heiser.
„Herrgott! Manuel, endlich gehst du ran. Wo zum Teufel steckst du?“
Wo ich stecke? Das weiß ich doch selbst nicht! Etwas überfordert und genervt von den Schmerzen und der stressenden Frau am Hörer antwortete ich unüberlegt gereizt: „Weiß ich doch nicht! Und wer sind Sie?!“
Upps. Ich bin wohl ein wenig lauter geworden als ich es vorhatte.
Zuerst hörte ich nichts, denn es herrschte überraschende Stille am anderen Hörer. Dann hörte ich schnelles Atmen und eine panische Antwort wurde mir entgegengerufen: „Wie? Was meinst du damit? Manuel, spiel keine Spielchen mit mir! Ich habe mir doch Sorgen gemacht, mein Sohn…“
Sohn… Verdammt, ich habe meine Mutter angeschrien.
„E-es tut mir leid…“, murmelte ich, wobei ich mir nicht sicher war ob sie es gehört hat.
Etwas lauter setzte ich dann fort: „Kannst du mir vielleicht helfen…?“
Ein überraschendes ausatmen war zu hören und darauf eine enthusiastische Antwort, welche mir sagen sollte, dass sie für ihren Sohn doch alles tun würde. Darauf fragte sie nur noch, ob ich ihr meinen Standpunkt mit meinem GPS fähigen Handy schicken kann und legte auf.

Mit einem Seufzer ließ ich mich auch schon, total überfordert, auf die nächstbeste Bank fallen. Das war alles ein wenig zu viel für mich. Langsam suchte ich auf meinem Handy herum, bis ich alles gefunden hatte und meiner Mutter schließlich meinen Standort schicken konnte. Keine Minute später erhielt ich auch schon eine Nachricht:
  >> Bleib da! Ich hole dich gleich ab.<<  

Ich hatte ja auch eigentlich keine andere Wahl. So blieb ich also auf besagter Bank sitzen und starrte vor mich hin. Schön war dieser Ort nicht gerade. Nur vereinzelt standen Bäume auf dem asphaltierten Boden und ein paar Tauben tummelten sich auf den Bürgersteigen vor den Läden.
Im Großen und Ganzen sah dies alles einfach aus wie ein kleines Kaff. Ein Kaff mit vielen dreckigen Ecklädchen und Gässchen, in welcher nachts wahrscheinlich Menschen verschwanden. Ach, und einige mittelständig aussehende Menschen gingen hier auch mit ihren Kindern bummeln.

Es dauerte nicht lange, ich schätze auf maximal 10 Minuten, bis ein Auto auf einer Bushaltestelle in meiner Nähe zum Stehen kam und eine kleine Frau mit langen Haaren heraustrat. Mit sorgenvollem Gesicht kam sie auf mich zugelaufen, wobei ihre Augen erst Erleichterung und danach Panik ausstrahlten.
„Oh Gott, was ist passiert?“, rief sie und schlang ihre Arme um mich, drückte dabei auch meinen Kopf ein wenig zu sich herunter, um mir diesen zu küssen. Dann drückte sich mich an den Schultern von sich weg und schaute mir in die Augen, richtete meine Haare und küsste mich wieder.
Ein verlegenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, weshalb ich mich ein wenig wegdrehte.
Als ich mich wieder zu ihr drehte, hatte sie ihre Augenbrauen erwartend gehoben, so als würde sie auf etwas warten. Ach ja… sie hatte mich ja gefragt was passiert ist.
Ich öffnete gerade meinen Mund, da packte sie mich am Arm und zog mich sanft zu dem PKW, öffnete mir die Tür zum Beifahrersitz und strich mir nochmals durch die Haare, als ich mich auf diesen setzte. „Wir sind gleich zu Hause…“, murmelte sie gedankenverloren und schloss die Tür.
Was ich die ganze Zeit nicht bemerkte war die Person, welche sich genau hinter mir auf der Rückbank befand.

Nachdem meine Mutter auch ins Auto gestiegen ist, fuhren wir langsam los und schwiegen uns die ersten 5 Minuten an. Schließlich brach der junge Mann auf dem Rücksitz die Stille mit der Frage: „Manu, wo bist du gestern noch gewesen?“
Ich zuckte zusammen, als ich die tiefe Stimme vernahm, da ich sie erst Niemandem zuordnen konnte, bis ich mich ein wenig drehte und ihn sah. Zurückhaltend krümelte er sich dort in den Sitz und schaute bedrückt, als ich mich zu ihm umdrehte.
„Ich…weiß nicht…“, nuschelte ich abgelenkt und verwirrt. Mein Kopf tat immer noch höllisch weh!


--


Sanft spürte ich eine Hand auf meiner Stirn. Darauf hörte ich dumpfe Stimmen, jedoch verstand ich nicht ein Wort. Es hörte sich an als würde ich mir meine Ohren fest zuhalten und dann noch versuchen etwas zu verstehen. Langsam aber sicher öffnete ich meine Augen. Sofort strahlte mir grelles Licht entgegen und ich kniff sie kurz wieder zu, um sie darauf wieder leicht zu öffnen.
Wo war ich?

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