Kapitel 9

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Kapitel 9

Taddls Sicht:

Als ich aufwachte streckte ich mich erst ausgiebig und gähnte genüsslich. Dabei streckte ich, sowohl Beine als auch Arme, von mir und nahm die ganze Matratze mit meiner Größe ein. Jedoch lag ich nicht, wie ich dachte, auf einer Matratze, sondern auf einem Bett. Auf Manuels Bett. Ruckartig stand ich auf und schaute mich ein wenig verwirrt um.
„Habe ich bei ihm geschlafen?“, gab ich irritiert von mir. Sofort fiel mir alles wieder ein. Ich habe mich ja zu ihm gelegt, da wir beide nicht schlafen konnten! Natürlich auf sein Angebot…
Darauf überkam mich auch ein bedrückendes Gefühl. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist definitiv negativ.
Müde beschloss ich nach meinem Kumpel (Ja… ein Kumpel) zu suchen und hörte schon das Plätschern des Wassers. Er war also duschen.
Lustlos ließ ich mich also wieder in die weichen Decken fallen und zeichnete Kreise in das Laken. So merkte ich gar nicht, wie ein gewisser Braunschopf ins Zimmer kam. Belustigt wurde ich also beobachtet. Schließlich kicherte er ein wenig, worauf ich zusammenzuckte und den Kopf in seine Richtung hob. Sein Schmunzeln verriet mir, dass ich wohl wirklich gestört ausgesehen haben muss, als ich gebannt auf  meine Finger starrte, während sie … zeichneten. Ja, jetzt klingt es echt verrückt und so konnte ich mir ein Kichern auch nicht mehr verkneifen.
„Aber sonst geht es dir gut?“, fragte mich der Ältere grinsend.
„Ach, lass mich! Ich bin müde.“
Immer noch amüsiert drehte er sich zu seinem Kleiderschrank und ließ sein Handtuch, welches er sich um die Hüften gelegt hatte, fallen.
„Alter!“, kam es überrascht von mir, als ich errötete und mein Gesicht in einem Kissen vergrub.
„Oh, entschuldige…“, entgegnete er ruhig, schon fast desinteressiert.
Hat er denn kein Schamgefühl? Wahrscheinlich nicht.
„Du kannst wieder gucken. Keine Angst vor meiner gruseligen Nacktheit!“, man hörte das Grinsen in seiner Stimme.
Langsam schaute ich wieder auf und tatsächlich: er hatte ein Boxershorts angezogen und war auch schon dabei sich eine Jeans überzuziehen. Erleichtert atmete ich aus.
Aus eigener Dummheit sprach ich dann meine Gedanken laut aus: „Erst will er mir sein Gesicht Jahre lang nicht zeigen und dann entblößt er sich schon am dritten Tage vor mir…“
Manuel runzelte die Stirn und kam mit halboffener Hose ans Bett, auf welchem ich, wieder mein Gesicht in die Kissen drückend, liege, heran. Ich lag nun da, in einer Schockstarre, da mir klar wurde, dass ich es gerade laut ausgesprochen habe. Auf einmal spüre ich, wie eine Hand sanft meine Schulter und anschließend meine Haare berührt. Dann wuschelt er sie durch und beginnt zu sprechen: „Du wolltest es doch auch. Gib es zu!“
„Jaja!“, wieder konnte ich vor Erleichterung ausatmen. In letzter Zeit hatte ich viel Angst ihn mit einem blöden Satz meinerseits zu beleidigen und ihn zu verlieren. Jedoch nahm er alles mit Humor. Er war so locker wie er es immer war. Er war einfach der Manu, den ich kennengelernt habe. Der Manu, mit dem ich Stunden über Stunden geskypet und gezockt habe. Der Manu, in welchem ich mich… verliebt habe. Aber ich darf ihm das nicht sagen. Niemals! Ich will ihn auf keinen Fall als Freund verlieren. Diesen Fehler mache ich nicht noch ein weiteres Mal!
Träge drehte ich meinen Körper auf den Rücken und der Anblick war… echt… überraschend?
Über mich gebeugt saß ein total süß dreinschauender Manu, der mich mit einem Lächeln fixierte. Sein Oberkörper war nach wie vor entblößt und ich konnte die Rippen, welche sich an seiner blassen Haut abzeichneten zählen. Er schaute mich eine Weile an, bevor er doch ein wenig rot wurde und zur Seite schaute. Er lag so nah bei mir, dass ich die Gänsehaut, welche sich nun auf seiner Haut bildete, genau erkennen konnte. Vorsichtig berührte ich seinen Arm mit meinen Fingerspitzen, bevor ich meine ganze Hand darum schloss. Manuel zuckte beinahe unmerklich zusammen. Sein Körper war so heiß wie Feuer, warum hatte er also eine Gänsehaut? Ich konnte es mir einfach nicht erklären.
„Du fährst heute weg, nicht wahr?“, er drehte nun sein Gesicht wieder zu mir. Ein deprimierter Ausdruck war darin zu sehen, was mich teilweise glücklich machte, die Situation jedoch nicht verbesserte.
„Ja.“, antwortete ich knapp.
„Wann?“
„Nachmittags denke ich.“
Er schaute wieder etwas fröhlicher: „Es ist noch früh. Lass uns heute noch einen schönen Tag gemeinsam verbringen“.
„Auf jeden Fall!“, ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen und ich konnte nicht anders. Ich musste diesen wunderbaren Jungen einfach in meine Arme schließen. Und so tat ich es auch.
Überraschenderweise erwiderte er sofort die Umarmung und drückte mich unglaublich fest an sich. So viel Kraft könnte man ihm kaum zumuten. Wieder verharrten wir länger in dieser Stellung, doch ich genoss diesen wahrscheinlich letzten, wunderschönen Moment mit meinem… einem Freund. Einem guten Freund von mir.


Wir saßen zusammen mit Manus Mutter an dem großen Esstisch. Zum Frühstuck gab es Spiegeleier mit Bacon. Was für ein Zufall! 
„Sicher, dass wir nicht doch lieber mal in ein Krankenhaus fahren, um zu schauen, ob auch wirklich alles okay ist?“, fragte die besorgte Frau ihren Sohn. Doch dieser blieb stur und verneinte deutlich. Er wolle nicht von einem Arzt untersucht werden, der ihm etwas sagt was er schon weiß, sagte er dann und aß ruhig sein Ei weiter. (Haha, sie hat Ei gesagt… Achtung! Der kommt unterirdisch.)
Nach dem Frühstück machten wir uns auch schon an die Planung unseres Vormittages.
Kino – zu früh.
Theater – Ja klar….gaaaaanz bestimmt.
Museum oder sonst was Bildendes – Wir wollen uns amüsieren und nicht bilden.
Spontan bei einem Spaziergang entscheiden? – That’s what he said!

So schlenderten wir also wieder durch die Straßen von Essen. Es ist nicht wirklich leer, aber auf keinen Fall mit Köln zu vergleichen! Außerdem sehen die Personen auf den Straßen alle irgendwie suspekt aus. Auf der anderen Straßenseite findet man einen kleinen Buchladen. Die Verkäuferin ist dunkelhäutig und sieht sehr sympathisch aus, doch so viel kann ich nicht erblicken, denn wir sind schon weitergegangen. Nun sieht man ein kleines Wohnhaus, zumindest sieht es so aus, jedoch befindet sich neben der Eingangstür ein bronzenes Schild, auf welchem irgendein Name mit einem Doktortitel steht. Außerdem kann man noch darüber groß erkennen, dass es eine Zahnheilpraxis ist.
Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mich jemand am Ellbogen packt.
„Tuddl, lass uns doch in ein Café setzen. Dort kannst du alles weiter beobachten und wir können etwas Warmes trinken“, schlug der Brünette vor und darauf befanden wir uns auch schon in dem kleinen Café.
Es war ziemlich eng darin, aber ziemlich gemütlich. Leise Musik erreichte meine Ohren und der Duft von Backwaren drang in meine Nase. Ein Café ist das wohl Gemütlichste was es auf der Welt gibt. Natürlich nach der eigenen Wohnung und einem schönen Hotelzimmer!
Manuel führte mich an einen Tisch für Zwei in einer gemütlichen Ecke und wir setzten uns auf die rot gepolsterten Sessel.
Mein Gegenüber seufzte, als er sich setzte und betrachtete mit entspanntem Blick den Raum. Es dauert auch nicht lange bis sich eine junge Frau im Alter von ca. 23 zu uns bewegte, um unsere Bestellung auf zu nehmen.
„Einen Cappuccino mit Sahne, bitte!“, sprach Manu auch sofort.
Ich hatte mir noch gar nichts überlegt. Also dachte ich auch nicht lange darüber nach und sagte schnell, dass ich dasselbe nehmen würde.
Höflich nickte die Kellnerin und verschwand auch schon hinter der Theke.
Dann waren wir also allein und schwiegen uns an, bis unsere Bestellung zum Tisch gebracht wurde.
„Danke.“
Wieder nickte die Frau, bevor sie mit dem Geld, welches Manu ihr zuvor gab, verschwand.
„Warum hast du für mich bezahlt?“, fragte ich irritiert und zog dabei wie immer meine Augenbrauen zusammen.
„Ich bin der Gastgeber.“, antwortete er stumpf. Dann nahm er einen großen Schluck von seinem Cappuccino und ich tat es ihm gleich.
Es ist angenehm auch mal zu entspannen. Einfach mal nur der leisen Musik und den Gesprächen der Fremden lauschen, während man genüsslich etwas Warmes trinkt. Manuel schien es genauso zu ergehen, denn er sagte nichts und schaute sich immer noch entspannt um.

Nachdem wir noch ein wenig in dem kleinen Café entspannten, sind wir doch irgendwann aufgestanden, um weiter zu spazieren. Es war wahrscheinlich schon fast 12 Uhr und ich hatte kaum noch Zeit. Langsam aber sicher kamen wir aus den dicht begangenen Straßen heraus und betraten eine grüne, naturvolle Gegend. Seicht konnte ich mich an diesen Ort erinnern, wollte mir doch nicht in den Kopf kommen, woher ich ihn kannte.
So gingen wir weiter an dem Wasser entlang. Sahen Enten, Kinder, Hunde, Blumen. All den kitschigen Mist, den man in den Parks von diesen scheiß Liebesfilmen auch immer sieht. Oder auch nicht. Ich schaue mir sowas halt nicht an.
Der Moment an dem mir dann doch ein Licht aufging musste ja kommen. Natürlich kam er zu spät, war ja klar. Ich wusste jetzt, woher ich diesen Ort kenne. Ob Manu auch noch wusste, was hier geschehen ist?

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