31• verrückte Liebe

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Am Abend lege ich mich völlig erschöpft in mein viel zu bequemes Bett und begutachte meine heutigen Errungenschaften. Es war wirklich sehr schön, mit Mom zusammen shoppen zu gehen. Vor allem weil sie, ich zitiere; meinen neuen Stil liebt.
Vor zwei Jahren sahen meine Interessen auch deutlich bemitleidenswerter aus.

Es war ein wundervoller Tag, mit einem nicht allzu schönen Start. Dennoch fliegen meine Gedanken regelmäßig zu Sander, ich frage mich, was er gerade wohl tut. Wahrscheinlich weitermachen.
Er wollte sich doch nochmal melden.

Erwartungsvoll fällt mein Blick ständig auf mein Handy, dass ruhig auf meinem Nachtisch liegt. Nur der Akku leuchtet ab und zu auf. Doch ich bin viel zu müde, um es an das Ladekabel zu schließen.
Daher beschließe ich, den Tag hinter mir zu lassen um etwas Schlaf zu finden.

Doch Fakt ist:
In Sanders Armen habe ich so viel besser schlafen können.

•••
Seit dem Vorfall zwischen Sander und mir sind nun drei Tage vergangen, indem sich keiner so richtig getraut hat den anderen anzurufen. Ich habe mich inzwischen mit dieser Stille abgefunden, sodass meine volle Aufmerksamkeit wieder bei Kolja und Clara,-die mittlerweile wieder abgereist ist liegt.
Denn auch Kolja wirkt bedrückter als sonst, seine humorvolle Art schwankt regelmäßig zu sarkastische Antworten über und ich verstehe nicht genau wieso das so ist. Die Vermutung, es könnte etwas mit Kai zu tun haben, stellt sich als nicht unbegründet heraus.

Gedankenverloren sitzt der Braunhaarige am Tisch und rührt in seinem Tee herum.
„Kolja,", ich gehe auf ihn zu und mustere in skeptisch. „Du weißt, dass du über alles mit mir reden kannst, oder?"
Er lächelt ein müdes Lächeln und sieht dann wieder in seine Tasse.
Es ist der Moment in dem mir klar wird, dass es so nicht weiter gehen kann. Jetzt ist Klartext angesagt.

„Es geht um Kai.", stelle ich fest und suche seinen Blick. Ich formuliere das bewusst nicht als Frage, weil es schon lange keine mehr ist.
„Er verhält sich genauso merkwürdig wie du. Und wenn ich ihn anspreche, kommt nichts dabei raus. Wieso hast du mir nie etwas davon erzählt?"
„Er ist dein Bruder.", gesteht er schließlich und schiebt die Tasse zur Seite.
„Ja und? Wenn es meine Schwester wäre, dann wäre es mir auch egal. Es ist eure Sache, Kolja. Ich möchte mich da auch nicht einmischen. Aber das kannst du mir doch erzählen.", verständnisvoll greife ich nach seiner Hand.

„Kai wollte es nicht. Er hat schließlich nichts für mich übrig."
Nachdenklich lege ich den Kopf zur Seite.
„Kai war immer der stärkere Bruder. Der, der nichts so schnell an sich ran lässt und der sich und seine Umwelt im Griff hat. Emotional hat er sich so von uns abgegrenzt, dass wir dachte etwas stimmt nicht mit ihm. Aber die Wahrheit ist; Kai ist nicht gefühlskalt. Er lernt. Ich weiß nicht, was genau das zwischen euch beiden ist, ob es Freundschaft plus, eine Affaire oder Liebe ist aber ich gehe davon aus, dass es noch eine Weile dauert, bis er sich das selbst eingestehen kann."
Leicht überrascht runzelt er die Stirn.
Fast schon ungläubig legt er den Kopf zur Seite. Ich kopiere seine Haltung und lächle leicht.

„Du bist nicht wütend? Oder überrascht? Wie kannst du mir so offene Ratschläge geben?"
Nun bin ich diejenige, die ihn überrascht ansieht.
„Wieso sollte ich das sein? Ganz im Gegenteil, ich würde mich sogar wahnsinnig darüber freuen."
„Ich dachte...", er schürzt die Lippen, „du würdest es komisch finden."
Kopfschüttelnd lehne ich mich leicht nach hinten.
„So ein Quatsch. Daran ist nichts komisch. Also, wie ist der aktuelle Stand zwischen euch beiden?"

„Kritisch. Er will nicht.", gibt er enttäuscht zu.
„Und wenn ich mal mit ihm rede?"
„Nein!", sagt Kolja schnell und stießt dabei beinahe seine Tasse um, die er zum Glück weggestellt hatte. „Das würde es schlimmer machen. Er will ja gar nicht, dass es jemand anderes weiß."
„Dann sollte er dich aber nicht so ansehen."
Ich zucke wissend mit den Schultern.

Kolja räuspert sich. „Wie dem auch sei. Ich bekomme das schon hin. Was ist mit Sander?"
Sogar seinen Namen bereitet mir eine großflächige Gänsehaut.

„Er hat sich noch nicht gemeldet, antwortet nicht auf meine Anrufe. Egal was es ist oder war, er muss sich Gedanken darum machen wie es jetzt weiter gehen soll.", gestehe ich traurig und seufze kaum hörbar.
„Er soll endlich seinen Mann stehen. Aber was ist mit dir? Hast du dir Gedanken gemacht?"
Nachdenklich reibe ich meine Schläfe.
„Ich will ihn. Mit allem drum und dran."
„Wow, das war eine klar formulierte Antwort.", bemerkt Kolja und trinkt sein Tee zuende.

„Es ist was ich empfinde."
„Und wenn er das nicht will?"
Seine Worte tuen weh. Nein, es ist untertrieben. Sie schmerzen höllisch. Weil ich nicht weiß, was dann ist. Weil ich nicht weiß, wie ich ohne ihn leben kann.
Weil ich mir ein Leben ohne Sander, nicht vorstellen kann. Mit ihm würde ich mein Zuhause verlieren.
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals bewusst runter und schaffe es, meine Stimme zu kontrollieren.
„Dann werden wir sehen wie es weiter geht."

„Die Liebe ist verrückt.", bemerkt der Braunhaarige und sieht mir in die Augen. Allein das schafft es, mich innerlich zu beruhigen.
„Sie lässt uns fliegen, bis es sich wie Fallen anfühlt."
Ich nicke verständnisvoll und richte mich auf. Es ist an der Zeit sich etwas aufzurappeln.
Kolja kopiert meine Bewegungen und stellt die leere Tasse in die Spüle.

„Ich denke, ich werde mal zurück ins Hotel gehen. Es gibt noch ein paar Sachen zusammenzupacken."
O Nein. „Du gehst?"
Schuldbewusst holt er tief Luft.
„Die Pflichten rufen. Du weißt ja, wie das ist."
„Wann denn?"
Traurig gehe ich auf ihn zu.

„Morgen Abend."
Schon?, denke ich und sehe zu Boden. Warum kann er nicht einfach hier wohnen?
„Aber ich komme ja wieder. Wir telefonieren und du hältst mich auf dem Laufenden. Klingt das nach einem Deal?"
Einverstanden bin ich nicht, aber ein Nein würde nichts bringen. Also nicke ich träge und schließe ihn in eine innige Umarmung. Nur so.
Ohne Grund. Vielleicht um Danke zu sagen. Vielleicht weil es der frühzeitige Abschied ist. Oder vielleicht auch einfach, weil es nicht immer Gründe geben muss.

„Und Kai?"
Ich bemerke, wie sein Atem kurz stockt.
„Regel ich schon.", sagt er kurz und drückt mich leicht von ihm weg um mir in die Augen zu sehen.
„Sander wäre dumm, wenn er es nicht wollen würde.", gesteht er und streicht mir vorsichtig eine Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich lächle verlegen. „Sander ist nicht dumm."

„Ich weiß."
Dann geht er einige Schritte rückwärts und schnappt sich seinen Rucksack. „Ich melde mich bei dir. Und wir sehen uns auch nochmal.", zwinkernd zieht er sich seine Jacke über und öffnet blindlings die Haustür.
Ich beobachte sein Tun und halte inne, als er erschrocken stehen bleibt und in Richtung Ausfahrt sieht. Überrascht wendet er sich an mich und grinst verlegen. Mit dem Kopf nickt er in die besagte Richtung. „Ich denke, da will jemand reden."
Unsicher gehe ich auf ihn zu und schaue an ihm vorbei.

Mir droht das Herz stehen zu bleiben, als ich Sander sehe, der ebenfalls unsicher zu uns rüber sieht und gelassen an seinem Auto lehnt.
Kolja scheint es zu merken und verschwindet, ohne noch etwas zu sagen. Ich bleibe an Ort und Stelle stehen und mustere Sander akribisch.

Mit sich selbst ringend kommt er einige Schritt auf mich zu.
„Hey.", murmelt er leise. Beinahe so, dass ich es kaum verstehe.
„Hey.", gebe ich ungeniert zurück und warte auf Worte, die ihn erklären könnten.

„Wir müssen reden.", stellt Sander fest und sieht mir gefasst in die Augen.
„Ja, müssen wir."

Hoped you'd stayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt