Und mein Kissen steht ihm. Klingt das nicht merkwürdig? Selbst in meinem Bett liegend sieht er enorm attraktiv aus.
Oder gerade deswegen?Ich mache es ihm nach, doch nur vorsichtig und zurückhaltend. Nun starren wir beide, erneut schlaflos, an die Decke.
Wie kindisch.Dennoch wage ich es nach einer Weile, ihn anzusehen. Sein helles Haar liegt durcheinander auf seiner Stirn und die Dunkelheit schmeichelt seinem Gesicht. Nicht falsch verstehen, es ist nicht weil es dunkel ist, sondern weil das bisschen Laternenlicht, das durch mein Fenster strahlt, sich in seinem Gesicht spiegelt. Er hat die Augen geschlossen, sein Atem ist entspannt und ruhig. Trotz seiner Körperhaltung bin ich mir nicht sicher, ob er wirklich eingeschlafen ist.
Denn seine Finger streichen vorsichtig und unbedacht über das Bettlaken. Eine Angewohnheit, die er wohl nie los wird, denke ich.„Wolltest du nicht schlafen?", erklingt seine Stimme und schallt leise von den Wänden ab. Ups.
„Tue ich.", antworte ich rasch und könnte mich schließlich Ohrfeigen, weil ich mich dadurch ungeniert verraten hatte.Sander lächelt leicht und öffnet die Augen.
Wieder treffen sich unsere Blicke und er dreht sich vorsichtig auf meine Seite.
Seine Hände stützen seinen Kopf.
„Was hast du in diesen zwei Jahren gemacht?", fragt er schließlich ohne seinen Blick abzuwenden.Überrascht drehe auch ich mich in seine Richtung und kopiere seine Haltung. Warum kommt diese Frage jetzt?
„Ich bin rum gefahren, habe Kolja und Clara kennengelernt. Sie haben mir ein paar Orte gezeigt, die man sonst nur in Büchern und Instagram-Storys sieht.", gestehe ich leicht schmunzelnd.
Sander nickt. „Und was hast du wirklich gemacht?"Seufzend senke ich meinen Blick.
Natürlich kann ich ihm nichts vormachen. Klar weiß er, dass da etwas nicht stimmen kann.
Und so wie er mich gerade ansieht, ist es doch auch irgendwie okay.Seit wann muss ich etwas vor Sander verschweigen?
Nur weil es unangenehm ist?„Ich... ich war eine Zeitlang in der Schweiz. Lange Zeit in Zürich, die andere Zeit in Genf. Nebenher konnte ich mir ein bisschen Geld dazuverdienen, um mir eine kleine Einzimmerwohnung leisten zu können."
Gespannt hebt er die Augenbrauen. Er ist süß, wenn er das macht.
„Die Wahrheit ist, ich habe mir Hilfe gesucht. Ich war in psychologischer Behandlung, um meine Gedanken und mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das ging so die ersten paar Monate. Ich konnte in den Tag rein leben. Hatte bis auf die Minijobs keine Pflichten. Es war meine Entscheidung, wann ich esse, wie ich mich kleide und was ich sage. In dieser Einrichtung, wie ich es genannt habe, habe ich schließlich Clara kennengelernt."
„Klingt schön.", gibt Sander zu und lächelt leicht. Ich glaube ihm.
„Nach einer Weile war es das nicht mehr.", gestehe ich und stütze meinen Kopf auf meiner Hand ab. Somit kann ich ihn noch besser ansehen.„Warum?", fragt der Blonde müde.
„Du warst nicht da."„Aber ich war immer hier. Warum hast du nicht mal angerufen?"
Ja, warum eigentlich nicht?, frage ich mich selbst und denke über meine Antwort nach.
Ich könnte so viel sagen, aber nichts rechtfertig das, was ich getan habe.„Ich habe mich selbst verloren. Und in dieser Zeit habe ich es geschafft Bruchstücke wieder zu finden. Ich musste allein sein, um zu begreifen, wen ich brauche. Mir war klar, ich kann erst anderen helfen und an ihrer Seite kämpfen, wenn meine gebrochenen Teile wieder verheilt sind. Und ich glaube der Unfall...", ich schlucke schwer.
„hat mir den Rest gegeben. Ich weiß, wie schwer du es hattest. Aber ich hatte so eine Angst, dich zu verlieren."
Die letzten Worte verzeihe ich mir nicht. Denn es waren nicht nur diese Sätze, die meinen Körper verließen, sondern auch Tränen, die meine Schwäche zeigen. Durch den Alkohol, die Müdigkeit und die letzten beiden schlaflose Nächte, bin ich sensibler für so eine Art Gespräche.„Ellie.", murmelt er leise und richtet sich nun auch etwas mehr auf. „Wie konntest du sowas denken?"
Ich zucke mit den Schultern.
„Ich hätte das doch verstanden. Ich wäre da mit dir gemeinsam durchgegangen. Ohne zu zögern. Ohne Kompromiss. Weißt du das nicht?"
Schnell schüttle ich den Kopf und kann mir ein Schluchzen nicht unterdrücken.
„Doch. Doch ich weiß es. Ich wusste es immer. Aber was ist mit dir? Wie hätte ich sowas von dir verlangen können?"Sander atmet tief ein und beugt sich schließlich zu mir vor. Er schlingt seine Arme fest um meinen Körper und stützt sein Kinn auf meinem Kopf ab.
Diese Wärme die er ausstrahlt und an mich weiter gibt, droht mich vor Gefühlen zu zerreißen.
Ich lasse meine Stirn ungeniert auf seiner Brust ruhen und gebe den Tränen die Kraft einfach zu laufen. Denn wenn ich versuche sie zurückzuhalten, kann ich für nichts garantieren.
Das gerade fühlt sich an wie ein Herzinfarkt.„Wie könnte mir etwas oder jemand wichtiger sein, als du?", murmelt er so leise, dass selbst ich es nur schwer verstehe. „Versprich mir, dass du das nächste Mal redest. Versprich mir, dass du zu mir kommst. Ellie, versprich mir, dass du bleibst."
Ich nicke müde.
„Ich verspreche es."
Er drückt mir einen schwachen Kuss auf den Kopf und es fühlt sich an, als wäre es das, was ich die ganze Zeit gesucht habe.Ich habe es gesucht, obwohl es bei mir war.
Obwohl ich es hatte.
Sander war hier. Die ganze Zeit.
Und er ist gerade in dem Moment hier.Ich höre ihn atmen, fühle seine Arme, die fest um mich liegen und seine Hände, die behutsam in meinen Haaren ruhen.
Mit ihm ist jeder Ort ein Zuhause.
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Hoped you'd stay
Roman pour Adolescents„Alles was ich wollte war, dass du bleibst. Ellie, ich habe gehofft, du würdest bleiben." Ellie hat etwas getan, was viele nicht nachvollziehen können. Sie ist gegangen, als alle anderen sie gebraucht haben. Doch ihre Rückkehr verläuft anders als e...