27• unangenehme Stille

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Am nächsten Tag öffne ich nur langsam die Augen. Wage erinnere ich mich an die letzte Nacht und hoffe inständig, dass ich nicht nur geträumt habe.
Doch dies ist nicht der Fall.

Sander liegt dicht neben mir, sein linker Arm um meine Hüfte gelegt. Ich erinnere mich nicht, dass es jemals so schön war aufzuwachen.

Ich beschließe ihn noch eine Weile schlafen zu lassen und richte mich vorsichtig auf, damit ich ihn nicht wecke. Seinen Arm lege ich behutsam auf meine leere Seite.
Natürlich wünsche ich, ich könnte ihn noch länger ansehen, aber was würde uns das bringen? Vielleicht braucht auch er seine Zeit, um das gestrige zu verdauen.

Insgeheim hoffe ich, dass es nicht nur der Alkohol war, der aus uns gesprochen hat.

Dafür hat es sich zu echt angefühlt.

Also beschließe ich, mir meine gemütlichste Hose und das dazugehörige Oberteil über zu werfen. Der Blick in den Spiegel verrät mir, dass die Nacht mehr als anstrengend war. Mein Make-up verschmiert, die Augen noch leicht geschwollen und meine hellen Haare in alle Richtungen abstehend.
Müde wasche ich mir die Reste aus meinem Gesicht, putze meine Zähne und lasse es hiermit. Genug Routine für einen ersten Januar.

Das Haus wirkt still und leer. Ich frage mich, ob heute Nacht überhaupt jemand hier geblieben ist und wo sich der Rest aufhält. Annie und Mom sind zu einer Freundin gefahren und haben dort vermutlich übernachtet. Für heute war es definitiv die richtige Entscheidung.
Espen's Jacke hängt auch nicht mehr am Haken, was mir verrät, dass auch er ausgeflogen ist.
Und Kai? Keine Spur von meinem älteren Bruder.

Stattdessen finde ich Kolja's Jeansjacke, die unordentlich auf unserer Couch liegt. Als wäre sie lieblos und unachtsam hingeworfen worden.
Oder ist es doch Sanders?

Die Küche ist sauber und ordentlich hinterlassen worden. Auch hier täuschen mich meine Erinnerungen, weil ich mir fast sicher bin, dass ich sie gestern Abend nicht so hinterlassen habe.
Ich lehne mich am Küchentresen an und nippe an einer Wasserflasche. Es fühlt sich so unendlich gut an, wie die kalte Flüssigkeit meinen Rachen entlang läuft und meinen Magen füllt. Meinen leeren Magen.

Gerade als ich mir ein kleines Frühstück zubereiten will, erkenne ich eine dunkle Gestalt, die schnell an mir vorbei in richtig Tür flitzt. Erschrocken fahre ich hoch und lasse dabei beinahe die Schüssel fallen.
Als ich mich umdrehe und schließlich erkenne um wen es sich handelt, falle ich beinahe aus allen Wolken.

„Kolja?"
„Nein.", murmelt mein Freund ohne sich umzudrehen. Stocksteif steht er da und muckst sich kein Stück.
„Was machst du denn hier? Ich dachte du wärst gestern noch bei Claire im Club gewesen. Und du wolltest offensichtlich nicht zu mir.", kritisch mustere ich den Jungen, der immer noch die selbe Kleidung trägt wie am Vortag.
Zurückhaltend dreht er sich um und sieht mich nach Worten ringend an.
„Ich...", stottert er nervös.
„Du...?", gebe ich zurück.
„Ich wollte nur sehen, ob du gut angekommen bist. Kurz nachdem du weg bist, ist Sanders merkwürdige Freundin ausgerastet und hat voll den Aufstand gemacht. Ich wollte sicher sein, dass sie dir nicht an den Kragen will.", stolz erläutert er mir seine Geschichte und scheint sie selbst fast zu glauben.

„Warst du nicht zuhause?"
Just in dem Moment kommt Kai die Treppe runter stolziert und sieht fragend zwischen Kolja und mir hin und her. Hilfesuchende Blicke werden ausgetauscht.
Und ich frage mich, was das soll.
„Kolja. Ich habe doch gesagt Ellie geht es gut.", erklärt Kai und wendet sich mir zu.
„Ich habe ihn heute morgen rein gelassen, weil er nach dir sehen wollte."

Streng kreuze ich meine Arme ineinander.
„Hast du irgendwas auffälliges gefunden? Etwas ungewöhnliches? Zum Beispiel in meinem Zimmer?"
Kolja scheint zu überlegen.
„Nope, alles beim Alten."

Hoped you'd stayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt