Heute würde es soweit sein.
Vielleicht bekomme ich heute ein für alle Mal die Gelegenheit, mit Sander über das Geschehene zu reden, ihn aufzuklären und das wichtigste, um Verzeihung zu bitten.Den ganzen Tag denke ich an den bevorstehenden Abend und schaffe es nicht eine Minute mich auf den Grinch zu konzentrieren. Meine Gedanken sind bei Sander.
Denn er wird bestimmt nicht da sein, wahrscheinlich möchte er Weihnachten mit seiner Freundin und nicht mit uns verbringen.
Schon nervös wegen heute Abend?
-KoljaIch sehe auf mein Display und lächle beruhigt, als ich seine Nachricht lese. Kolja hat heute Nacht im Hotel übernachtet, aber ich werde versuchen Mom zu überreden, dass er vielleicht hier bleiben darf. Sie war wie bereits vermutet nicht begeistert, dass der Junge wieder da war. Sie wollte es zwar nicht aussprechen, aber ihr Blick hat Bände gesprochen. Aber wenigstens für ein paar Tage.
Die Chancen stehen schlecht.Bin immer noch am überlegen, ob ich nicht lieber mit dir feiern gehe.
-EllieDas wäre der perfekte Ausgleich. Einfach mein altes Leben hinter mir lassen und mein neues Ich, mit neuen Freunden und neuer Lebenseinstellung genießen. Aber ich kann mir nicht helfen. Denn alles was ich möchte ist, dass Sander daran teilnimmt. Er würde sich gut mit Kolja und Clara verstehen, davon bin ich überzeugt.
Und Riaan bestimmt auch. Wenn ich genauer darüber nachdenke, wäre sie sogar sein Typ.Du wirst mir mein Weihnachten nicht versauen! Ich möchte gute Nachrichten hören!
-Kolja•••
Die Stunden vergehen quälend langsam und als es schließlich soweit ist und ich in meinem Glitzertop und der schwarzen Hose vor meinem Spiegel stehe, wünschte ich, der Abend wäre einfach vorbei. Ich bin schlecht darin andere mit meinen Fehlern zu konfrontieren, vor allem wenn diese es nicht wollen.
Wie kann ich mir überhaupt sicher sein, dass er kommt? Vielleicht verschwende ich nur meine Zeit.Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf und beginne damit, meine Haare leicht zu wellen. Zugegeben ich möchte heute Abend wirklich hübsch aussehen.
Hauptsächlich weil ich mich mal wieder hübsch fühlen möchte. Und eine bessere Gelegenheit wird es so schnell nicht geben.Nach einer Zeit betrachte ich mein dunkles, mittlerweile gewelltes Haar und beginne mit einem dezenten Make-up. Erst als ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, beende ich meine Prozedur und mache mich auf in Richtung Wohnzimmer.
Ich sehe mich um und erst als ich mir sicher bin das keiner da ist, stolziere ich zur der Couch um mich wenige Minuten auszuruhen, ehe meine schlimmsten Stunden beginnen.
Doch damit wird wohl nichts, weil Kai sich unerwartet breit gemacht hat.
Wie ein Häufchen Elend hängt er im Sofa und starrt in die Luft.„Von was träumst du?", frage ich und nehme neben ihm Platz.
„Freust du dich auf heute Abend?"
„Warum?"
„Weil du sonst nicht so gut aussiehst."
Ich haue ihm gegen die Schulter und er grinst verlegen. „Normalerweise ist Espen für diese Witze zuständig.", stelle ich fest und lege mein Bein über Seins.„Ist alles okay bei dir?", frage ich in der Hoffnung, diesmal eine Antwort zu bekommen.
„Keine Ahnung."
„Was meinst du damit?"
„Keine Ahnung."
Vorwurfsvoll lege in den Kopf zur Seite. Er spielt mit mir. Aber das tut er nur, wenn ihn etwas bedrückt.
„Ist es die Arbeit?", er nickt.
„Erzähl schon. Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen."Seine blonden Haare sind verwuschelt, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen und seine Haut wirkt fahler als sonst. Vielleicht bekommt er eine Erkältung.
„Ich habe mir immer genau ein Bild davon gemacht, wie meine Zukunft einmal aussehen wird. Ich wusste, ich würde einen guten Job kriegen indem ich viel Geld verdiene, damit ich später mal meine Frau und Kinder versorgen kann. Ich wollte einen Hund und ein Hamster. Eine eigene Wohnung mit einem wundervollen Ausblick. Aber es ist alles anders. Nichts ist so, wie ich es mir vorgestellt habe."
„Weil das so nicht funktioniert. Du kannst das Leben nicht planen. Manchmal habe ich dieses dumme Gefühl, dass es uns plant." Ich sehe an die Decke. Kai macht mir das nach.„Ich wusste aber nicht, dass es so schrecklich sein würde."
Wer hätte das schon gedacht.
Kein kleines Kind auf dieser Welt wird mit dem Gedanken groß, dass das Leben später mal blöd sein wird.
Ich antworte ihm nicht, sondern genieße die kurze Zeit mit meinem großen Bruder und warte darauf, dass er noch etwas hinzufügen würde.Doch es kommt nichts mehr. Er ist still und starrt regungslos weiter an die Decke. Heute wirkt er nachdenklicher als sonst. Nein, als jemals.
Ich erinnere mich nicht, ihn so schon mal gesehen zu haben. Und wenn ich ihn mir ansehen, dann mache ich mir Sorgen. Ich befürchte, er könnte meinen Fehler nachahmen.„Ich denke wir brauchen mal wieder etwas schönes in unserem Leben. Etwas, dass uns einen Sinn gibt- oder es uns zumindest denken lässt. Wir müssen ein bisschen Glück fühlen, ein bisschen Ich-will-noch-nicht-schlafen. Ein bisschen Ich-freue-mich-auf-morgen. Wann hast du dich das letzte Mal auf Morgen gefreut, Kai?", ernst versuche ich seinen Blick einzufangen, doch er sieht regungslos an die Decke.
„Das ist schon eine Weile her. Was ist das Leben schon ohne Freude?"
„Falsch gelebt.", erwidere ich und starre zu Boden. Weil ja, es steht nirgendwo geschrieben, dass das Leben schlecht und ohne Freude ist. Manchmal ist es unsere eigene Entscheidung, diese Gefühle zuzulassen.
Und manchmal ist genau das, das Schwerste auf der Welt.„Kai? Versprich mir bitte, dass du nicht den gleichen Fehler machst wie ich."
Er sieht mich an, so kalt und emotionslos, dass es mir einen Schauer über den Rücken fährt.
„Was habe ich zu verlieren?"In dem Moment, -noch bevor ich etwas erwidern kann, stürmt Espen mit Annie an der Hand ins Wohnzimmer.
„Kann es los gehen? Wir müssen Platz für den Weihnachtsmann machen!", sagt er und zwinkert uns begeistert zu.
Mom hat beschlossen, die Bescherung für Annie trotzdem zuhause zu machen, weil der Weihnachtsmann nur unsere Adresse hat. Und damit er ungestört kommen kann, müssen wir natürlich das Haus verlassen.Ich richte mich auf und strecke Kai die Hand entgegen. Er nimmt diese lächelnd an und ich ziehe ihn nach oben. Irgendwie muss man die Jungs ja motivieren.
Auch wenn ich mir vor Angst in die Hosen mache.
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Hoped you'd stay
Teen Fiction„Alles was ich wollte war, dass du bleibst. Ellie, ich habe gehofft, du würdest bleiben." Ellie hat etwas getan, was viele nicht nachvollziehen können. Sie ist gegangen, als alle anderen sie gebraucht haben. Doch ihre Rückkehr verläuft anders als e...