Kapitel 6

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Die Flure des Palastes lagen ruhig und dunkel vor uns. Das meiste Personal war bereits zu Bett gegangen, aber es war auch ziemlich spät, als wir von der Gala zurückkamen.

„Ich schwöre, wenn ich diesen arroganten Schnösel noch einmal sehen muss, garantiere ich für nichts." Schnaubend stützte ich mich an dem breiten Treppengeländer ab, um mir meine Schuhe von den Füßen zu streifen. Nach einem langen Abend auf diesen mörderischen Absätzen, taten mir die Füße ganz schön weh. „Ein angenehmer Zeitgenosse ist er nicht gerade", stimmte mir Emmett zu.

Wir gingen nebeneinander entlang, während der Teppichboden unsere Schritte verschluckte. Einzig allein unsere Stimmen waren in dem großen Gebäude noch zu hören.
„Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Hast du bemerkt wie er mich die ganze Zeit von den Veteranen wegzerren wollte? Da rühmt er sich mit dem was er alles für sie tut, ekelt sich aber vor diesen Menschen. Das ist widerlich."

Ich hatte Kopfschmerzen und konnte es kaum erwarten endlich in mein gemütliches Bett zu fallen. Morgen würde ich mir einen freien Tag gönnen und mich entspannen, das hatte ich mir nach dieser furchtbaren Gala verdient. Meine Kopfschmerzen kamen aber nicht nur von meiner anstrengenden Begleitung, oder dem zu hohen Champagnerkonsum. Nein, auch das was Grace mir erzählt hat, offen und schonungslos, geisterte in meinem Kopf herum und ich hatte das Bedürfnis etwas dagegen zu unternehmen. Nur war es für wirtschaftliche und politische Gedanken definitiv zu spät.

„Also dann." Wir waren an meiner Zimmertür angekommen und ich drehte mich zu Emmett um. „Du hast deinen Job heute gut gemacht."
„Danke." Mein Lob freute ihn offensichtlich und ich lächelte leicht.
„Gute Nacht Emmett. Du kannst jetzt Feierabend machen."
„Gute Nacht Willow."

Ich hatte mich schon zur Tür gedreht, doch bei seinen Worten wirbelte ich erschrocken herum. Es gab nur eine Person die mich jemals Willow genannt hatte und das war meine Mutter. Den Spitznamen hatte ich immer gemocht, doch seit sie tot war, gab es niemanden mehr der ihn benutze. Und ich hatte ihn wie einen kleinen Schatz gehütet, der nur für Personen bestimmt war, die für mich eine wichtige Bedeutung hatten. Gleichzeitig brachte es aber auch schmerzhafte Erinnerungen in mir hoch.

Als Emmett mein entsetzten Gesichtsausdruck sah, wich er erschrocken zurück. „Entschuldigung, das ist mit so raus gerutscht. Ich wollte dir nicht zu nahe treten."
„Nein, schon gut", sagte ich lahm. „Es ist nur... Meine Mum war die Einzige, die mich Willow genannt hat. Und seit sie tot ist habe ich den Namen nicht mehr gehört." Ich lächelte traurig.
„Es tut mir leid, wirklich. Das wird nicht noch einmal passieren", entschuldigte sich mein Bodyguard erneut.

In meinem Kopf hörte ich Emmett immer und immer wieder meinen Spitznamen sagen und irgendwie klang Willow aus seinem Mund... schön.
Ich konnte nicht für immer alle Dinge meiden, die mich an meine Mum erinnerten. Und der Gedanke daran, dass Emmett mich so nannte war plötzlich gar nicht mehr so abwegig. Es war sinnlos zu leugnen, dass Emmett mir nicht besonders sympathisch wäre. Als mein Bodyguard verbrachten wir gezwungenermaßen viel Zeit miteinander. Und wenn ich so darüber nachdachte, gab es nicht viele Personen in diesem riesigen Palast die mir wirklich wichtig waren. Emmett zählte mittlerweile dazu.

„Wenn du willst kannst du mich Willow nennen. Natürlich nur, wenn wir unter uns sind und es das Protokoll erlaubt." Den letzten Satz schob ich eilig hinterher, bevor es zu Missverständnissen kam. „Ich glaube ich fände es schade, wenn der Spitzname verloren geht."
Emmetts Lächeln, war das Schönste was ich an diesem Tag sah. „Dann Gute Nacht, Willow."

Und während ich mich umzog und mein Gesicht von dem aufwendigen Make-Up befreite, verfolgte mich das angenehme Gefühl, dass Willow eine kleine Perle war, die nun nur für Emmett bestimmt war.

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