Kapitel 17

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„Und hier haben wir eine moderne Interpretation des Expressionismus."

Theodore führte mich vor ein Gemälde, das in dunklen Tönen gehalten war und zwei Personen auf einer Wiese zeigte. Er hatte seine Galerie extra für einen Tag geschlossen, damit er mich in Ruheherumführen konnte und mein Besuch kein Sicherheitsrisiko darstellte.

„Seinen Ursprung hat der Expressionismus im frühen 20. Jahrhundert. Typisch für diese Stilrichtung ist die nicht wirklichkeitsgetreue Wiedergabe von Formen und Eindrücken. Wie du sehen kannst, sind die Personen und auch die Natur nicht wahrheitsgetreu gezeichnet. Auffällig ist auch, dass die Farben oft nicht gemischt wurden. Die großen blauen Pferde von Franz Marc gehört zu meinen expressionistischen Lieblingswerken. Das sagt dir bestimmt auch etwas."

Nein es sagte mir absolut gar nichts. Ich war gewillt gewesen mich auf einen Kunstnachmittag einzulassen, aber ich hatte ziemlich schnell festgestellt, dass ich mich einfach nicht dafür interessierte.

Theodore's Galerie war an sich wirklich schön und ich fand es bemerkenswert, dass er die Hälfte seiner Einnahmen an gemeinnützige Stiftungen spendete. Doch es war unglaublich ermüdend, mir bei jedem einzelnen Bild einen Vortrag über Stil, Epoche und Künstler anhören zu müssen, auch wenn Theodore in dieser Rolle aufging. Ich hingegen verstand nur Bahnhof.

Vom Expressionismus ging der ungewollte Crash-Kurs weiter zum Impressionismus, Realismus, Surrealismus und abstrakter Kunst. Mir rauchte der Kopf. Wenn ich wenigstens die Gemälde für schön empfinden würde, wäre die ganze Sache nicht so schlimm. Aber die Kombination von trockener Theorie und fragwürdigen Kunstwerken, schürten in mir das Verlangen mich aus dem nächsten Fenster zustürzen. Wenigstens konnte ich mit den Begriffen Van Gogh und Picasso etwas anfangen, daher fühlte ich mich nicht maximal ungebildet.

„Zum Schluss zeige ich dir noch mein absolutes Lieblingsgemälde."
Innerlich atmete ich auf. Es bedeutete, dass diese Tortur bald vorbei sein würde.

„Es soll das Herz meiner Ausstellung darstellen. Seelenbild von Jesse Svensson, ein aufsteigender holländischer Künstler. Ich habe ein kleines Vermögen dafür hingeblättert."

Wir blieben vor einer großen Leinwand stehen, die über und über mit bunten Farbklecksen gefüllt war. Theodore entwich ein wohliges Seufzen. „Ist es nicht einfach der Wahnsinn? Sieh dir diese präzise Pinselführung an! Svensson versteht es seine Gefühle so echt und ungefiltert auf die Leinwand zu bringen. Man kann die Zerrissenheit seiner Seele bis ins kleinste Detail nachempfinden."

Kritisch legte ich den Kopf schief und blinzelte mehrmals. „Das sieht aus, als wäre der Farbkasten eines Kindes ausgelaufen."

Im Hintergrund hörte ich wie Emmett sich das Lachen verkniff und ich musste mir selbst auf die Lippe beißen um nicht los zu prusten.

Empört schnappte meine Begleitung nach Luft. „Wie kannst du das nur sagen! Sieh dir doch nur diese verschiedenen Farben an. Sie alle stehen für seine Emotionen. Und mit der unkontrollierten Pinselführung drückt er die Schmerzen aus, die ihn schon sein ganzes Leben plagen. Hin und her gerissen zwischen Vernunft und Gefühl."

Alles was ich sah, war bunte Farbe auf einer Leinwand. Wie jemand bei dessen Betrachtung so berührt werden konnte wie Theodore, war mir ein Rätsel. Dennoch lenkte ich schließlich ein.

„Jetzt wo du es sagst, sehe ich es auch." Das war glatt gelogen, aber ich wollte auch nicht unhöflich sein. Nur weil Kunst mich nicht begeisterte, musste das nicht auch für ihn gelten.
Theodore lächelte breit. „Er ist einfach fantastisch."

Ich erwiderte sein Lächeln und nickte. Gott, wenn ich noch einen Satz über Epochen und Ausdrücke hören würde, würde ich mich augenblicklich auf diesen Parkettboden übergeben.
Zu meinem Glück waren wir nach den Farbklecksen mit der Führung fertig.

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