FÜNF

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Unter der Woche arbeitete er von morgens bis ganz spät abends, wobei ich nie genau wusste, ob die Länge seiner Abwesenheit tatsächlich etwas mit seinem Beruf zu tun hatte. In manchen Fällen wusste ich wohl doch nicht gut genug Bescheid.

Nach dem gestrigen Abendessen fühlte ich mich ganz anders, als sonst. Durch meinen Körper raste ein seltsames Gefühl. Am Morgen konnte ich ihm nicht einmal begegnen, da er das Haus verlassen hatte, bevor die Sonne aufgegangen war.

Im Atelier huschte mein Blick öfter zur Kommode und immerzu sah ich das Bild vor meinem geistigen Auge. Ich hasste es. Den Tag verbrachte ich krampfhaft damit neue Motive in mein Skizzenbuch zu zeichnen und für einen Moment fragte ich mich, weshalb er sich nie für meine Passion interessierte.

Warum konnte er mir nicht einmal nur vorspielen, dass er wissen wollte, wie ich mein Geld verdiente? Wäre ich sie, würde er mir wahrscheinlich sogar tagtäglich dabei zusehen, wie ich zeichne.

Das Abendessen aß ich alleine und auch als ich auf der Couch las, nachdem ich mit Cecilé telefoniert hatte, wusste ich, dass er das Haus nicht betreten würde. Hellwach lag ich im Bett und dachte über ihn nach. Das tat ich mittlerweile öfter, als früher und das beängstigte mich.

Er dachte nämlich keine einzelne Sekunde über die Frau nach, die zu Hause auf ihn wartete.

Ich hörte lange nach Mitternacht die Eingangstür ins Schloss fallen und mit einem Mal zwang mich ein innerer Wille zum Aufstehen. Ich redete mir ein Durst zu haben, weshalb ich wenige Minuten später in der Küche stand, als er sich gerade ein Glas aus dem Schrank holte.

"Hast du Schlafprobleme?"

Drei Worte und eine eindeutige Nachricht. Ihn störte meine Präsenz. Nicht, dass das etwas Neues war. Mir ging es nie anders. Aber es gab Ausnahmen und in letzter Zeit kamen diese vermehrt vor.

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein, nur Durst"

Nickend sah er mir dabei zu, wie ich ebenfalls den Schrank öffnete. Ich musste mich darauf konzentrieren meine Hände still zu halten, denn ansonsten hätten sie gezittert. Das gefiel mir überhaupt nicht.

Ich zwang mich dazu ein Frauenparfüm zu riechen, doch es fiel mir schwer dabei Erfolg zu haben.

"Wie war die Arbeit?"

Es war erniedrigend.

Ich wollte nie die Ehefrau sein, die ihren Mann die ganzen Tag nicht sah, am Ende etwas kochte und ihn dann fragte, wie sein Tag war. Ich hatte ursprünglich ganz andere Pläne. Ein bessere Zukunft, eine die mich glücklich stmmte.

Er sah mich an.

Das tat er selten und ich wünschte mir, dass es auch so bleibt, denn seine Augen sind die, die sein Gegenüber verunsichern und gleichzeitig nervös machen. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Nacken.

"Wie immer"

Natürlich. Und das, was er tat, nachdem er den Oberarztkittel ablegte, war auch wie immer.

"Hast du heute gezeichnet?"

Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus. Ich starrte ihn an, als sich meine Lippen teilten. Interesse.

SO WAR ERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt