SO WAR ER

NEUN

"Was ist los?"

Ich kräuselte die Stirn.

"Du standest vor meiner Tür. Ich sollte dich fragen, was du hier zu Suchen hast"

Seine Lider zitterten, während die Pupillen größer wirkten und mein Gesicht zaghaft abwanderten.

"Ich dachte, ich hätte was gehört" 

Er log. Das tat er nie. 

"Und was?" 

Die Frage hatte er nicht erwartet. Das sah ich ihm an.

"Ein Poltern oder sowas in der Art"

Wir atmeten beide schwer. Die Tür hatte ich aus einem ganz bestimmten Grund geöffnet. Es war der verbotene Wunsch ihn zu sehen. Der Wunsch war noch nie so drängend, dass ich absichtlich mitten in der Nacht aus meinem Bett stieg.

"Du musst dich wohl verhört haben" 

Er nickte.

"Wahrscheinlich"

Das ganze Haus schien still zu Stehen. Als ob es auf den nächsten Moment wartete.

Unsere Augen waren miteinander verwurzelt. Innig. Dennoch auf eine unsichtbare Art gezwungen. Ein Gefühl der Seltenheit und dennoch taucht es öfter auf, als vor den letzten Wochen.

"Dann gehe ich mal wieder", sprach er rau.

Nun war ich die Jenige, die nickte.

"Schlaf gut", antwortete ich.

Und kurz bevor er ging, tat ich es.

Ich wusste nicht wieso, wieso genau jetzt, wieso überhaupt.

Ich wusste nicht, was mich trieb.

Vielleicht die Art, wie er mich ansah.  Wie mich diese unverkennbaren Augen ansahen. Wie er da vor mir stand, so pur und männlich, wie er es nun mal war.

Aber ich tat es, ohne nachzudenken. So war ich nie.

Ich beugte mich zu ihm vor und küsste ihn sanft auf die Lippen.

Die Reue kam genau in der selben Sekunde, in der sich unsere Münder berührten.

Denn er drückte mich nicht von sich. Er gab mir die Zärtlichkeit in einer kleinen Bewegung zurück. 

Ich zog meinen Kopf zurück, sah ihn an.

Seine Augen wirkten gefangen, nicht fokussiert, fast schon glasig.

Ich schloss die Augen, realisierte.

Dann legte ich die Hand auf den Mund. 

"Es tut mir leid", flüsterte ich und sah ihm in die Augen.

In dem Moment, als ich mich entschuldigte, für etwas, was ich wollte, änderte sich der Ausdruck in seinem Gesicht.