Zweisamkeit

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Wortlos marschiert Katsuki zur Halle und sah seinen Freund noch nicht mal an. Seine Stimmung näherte sich dem Tiefpunkt. Er hasste gerade alles und seine Lunte war extrem kurz.

„Du bist schlecht gelaunt", stellte Shoto fest.

„Tss! Einen Scheiß bin ich! Lass uns anfangen!" Das sagte gerade der Richtige. Er hatte Icy-Hot selten schlechter gelaunt gesehen.

Katsuki hatte einen Zweikampf als Aufwärmübung vorgeschlagen. Aber irgendwie war er nicht bei der Sache. Shoto fegte ihn mit einem geradezu lächerlichen Angriff von einem Felsen.

„WAS ZUR HÖLLE? Verfluchte, verpisste Drecksscheiße! Dieser verfickte Bastard! Ich bring ihn um!", wetterte er und versuchte sich hochzurappeln. Wie angenehm waren die Zeiten, als er ihn gediegen hassen konnte. Und jetzt war alles kompliziert. Ob daraus je Normalität würde. Aber was war schon normal? Normal war noch komplizierter als kompliziert. Er selbst war kompliziert.

Shoto kam angerannt und kniete sich zu ihm. „Tut dir etwas weh? Es..."

„Wehe du entschuldigst dich! Mistkerl!"

„Katsuki, was war eben los?"

„Das fragst du noch, Icy-Hot?", knurrte er bösartig. Er packte ihn am Kragen seines Trainingsanzuges. Grob drückte er ihn zu Boden. Sah ihm in die zwei so unterschiedlichen Augen. Ihm lief ein Schauder über den Rücken. Diese Augen, in denen er einfach nichts lesen konnte. Shoto brachte ihn immer aus der Fassung. Wütend knirschte er mit den Zähnen. Sein Atem ging schnell. Er kam näher. Verstärkte seinen Griff. Nagelte ihn mit seinem Arm und seinem vollen Gewicht fest. „Du bist der verfickte Grund, warum ich mich nicht konzentrieren kann." Seine Granataugen funkelten gefährlich. Er drückte seine Lippen ungestüm gegen die seines Rivalen. Er wusste, er war viel zu grob. All sein Frust und seine Wut lagen in diesem Kuss. Als wollte er ihn bestrafen. Als wollte er sich selbst bestrafen. Ruckartig löste er sich. Er war sicher, er hatte ihm wehgetan. Shoto griff in seinen Nacken und zog ihn zurück in den viel zu wilden Kuss. Katsuki riss die Augen auf. Er stöhnte und machte sich unbeholfen und nach Luft ringend los.

„Wenn du glaubst, du kannst mir Angst machen, dann hast du dich getäuscht", knurrte Shoto. „Steh auf, wir machen weiter!"

Was war gerade geschehen? Hatte er Shoto wirklich Angst machen wollen? Kannte dieser Bastard ihn wirklich besser als er sich selbst? Dieser wundervolle Bastard. „Du kannst mich mal!", brummte er.

Shoto grinste schief. „Ich komme gern auf dein Angebot zurück, aber nicht jetzt und nicht hier."

Hatte das Todoroki gerade wirklich gesagt? Dieser kleine schmutzige Scheißer. Naja, klein war er nun wirklich nicht. Verflucht! An was er nur wieder dachte. Er musste sich einfach besser konzentrieren.

Zwei Stunden später lagen beide erschöpft und schwer atmend auf dem steinernen Boden und starrten an die Decke. Feiner Staub lag in der Luft. Stach in den Augen und brannte auf der Lunge.

„Waaah, Scheiße, das war cool. Hast du die letzte Explosion gesehen, wie exakt die war? Fast wie eine Handfeuerwaffe."

„Wie machst du das? Je länger du trainierst, umso gewaltiger werden die Explosionen. Je länger ich meine Quirks einsetze, desto schwächer scheine ich zu werden." Er legte die Hand auf sein Herz. „Und gerade habe ich das Gefühl, ich hätte mich überanstrengt. Egal was ich versuche, ich bekomme sie einfach nicht 100 prozentig unter Kontrolle. Ich trete auf der Stelle und das kotzt mich an."

„He Icy-Hot, du hast ja auch zwei mächtige Quirks und dein Feuer benutzt du noch nicht lange. Setzt dich nicht zu sehr unter Druck! Du spielst doch längst auf Profi-Niveau."

„Aber wenn ich versuche sie zu vereinigen, habe ich das Gefühl, das sich mein Körper dagegen zur Wehr setzt."

„Vielleicht bist du noch nicht stark genug, um diese ultimative Waffe zu gebrauchen. Du solltest es nicht übertreiben."

„Tss, das sagt der Richtige. Übertreibung ist doch dein zweiter Vorname."

„Ich werde ja auch der größte Superheld aller Zeiten, du Loser."

„Halt die Klappe! Los, lass uns zurückgehen."

Am späten Abend saßen sie zusammen im Gemeinschafsraum, jeder mit einer Tasse heißer Milch mit Honig. Katsuki hatte den Arm um Shotos Schultern gelegt und genoss seine Nähe. Shoto kuschelte sich an ihn und er fuhr ihm gedankenverloren durch sein seidenweiches Haar. Ließ die Strähnen immer wieder wie Wasser durch seine Finger fließen. Er nahm Shotos typischen Geruch wahr. Er hatte etwas Belebendes und gleichzeitig etwas Herbes, als würde man über eine frisch gemähte Sommerwiese laufen. Katsuki würde ihm gerne sagen, dass er etwas ganz Besonderes für ihn war. So etwas wie Medizin, nur viel besser, viel bedeutender... doch wie immer fand er nicht die richtigen Worte. Er würde ihm gerne näher kommen, aber er hatte das Gefühl, als wäre sein Freund noch nicht bereit dazu. Und eigentlich war er sich noch viel weniger sicher, ob er es war. Ihm war klar, wenn er in dieser Beziehung weiter gehen wollte, musste er seine letzten Mauern einreisen. Musste sich von seiner verletzlichsten Seite zeigen. Vertrauen. Seine Abwehr herunterfahren. Schwäche zeigen. Und Shoto war seine Schwäche. Etwas, dass ihm mehr Angst machte, als der gefährlichste Schurke. Er hätte es nicht für möglich gehalten jemanden so lieben zu können. Aber er war nahezu unerfahren in all diesen Sachen. Ob emotional oder körperlich. Weshalb er auch an diesem Abend etwas frustriert und alleine auf sein Zimmer ging. Er schrieb seinen Eltern noch eine Nachricht und legte sich dann in sein Bett. Aber etwas schien ihn wachzuhalten. Eine innere Unruhe, die nicht weichen wollte. Eine Sehnsucht nach Zweisamkeit. Er fühlte sich gerade mutterseelenallein. In diesem Moment war Shoto das Einzige, wonach er sich verzehrte. Eine Stunde später klopfte es leise an der Tür und sein Freund trat ins Zimmer.

„Schläfst du schon?

„Woher denn..."

Sein Freund setzte sich zu ihm aufs Bett. „Ich hab schlecht geträumt und jetzt kann ich nicht mehr einschlafen. Wie wäre es mit einem Gute-Nacht-Kuss?"

Er grinste und setzt sich auf. Shoto war wie ein kleines Kind. „Komm näher her!" Der Mond erhellte sein Gesicht und die weiße Hälfte seiner Haare schien zu schimmern. Katsuki beute sich zu ihm. Er strich ihm eine weiße Strähne aus dem Gesicht. „Du bist zu weit weg."

Shoto rückte näher. Ihre Lippen trafen sich zu einem Kuss, der scheinbar keinen Zweifel offenließ. Dennoch trennte sich Shoto und stand auf. Katsuki griff mit schmerzlich verzerrtem Gesicht nach seiner Hand.

„Lass mich nicht allein. Bitte. Ich brauche dich, verdammt nochmal, hier bei mir. Ich will neben dir einschlafen, neben dir aufwachen. Dich küssen können, immer. Shoto, bitte geh nicht. Bleib! Nur damit ich schlafen kann." Er zog in näher zu sich, legte den Arm von hintern um seine Mitte, nicht gewillt ihn loszulassen. Auf einmal merkt er, wie Shotos Körper weich wurde, er sich auf sein Bett sinken ließ und sich in die Umarmung schmiegte. Würde die Welt außerhalb dieses Raumes aufhören zu sein, es wäre ihm schnuppe. Shoto war hier und jetzt war er seine ganze Welt. Und Katsuki würde dafür sorgen, dass niemand ihm jemals wieder ein Leid zufügte. Auch er nicht. Doch er befürchtete, irgendwann würde seine perfekte keine Welt hochgehen. Denn so viel Glück hatte er nicht verdient.

„Du brauchst mich?"

„Du hast mich richtig verstanden." Er schlang den Arm fester um Shoto. Zog ihn zu sich, so dass er die Wärme seines Rückens spürte, die ihm wohliges Kribbeln durch den Körper jagte. Er küsste ihn auf sein Haar und atmete tief den einzigartigen Duft ein. „Schlaf gut!", flüsterte er und spürte wie sich sein Freund zunehmend entspannte. Nicht viel später schlief auch er ein.

MY HERO I.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt