Kapitel 4

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"...Lina?"

Fast hätte ich das erstickte flüstern wegen der lauten Musik gar nicht gehört. Mit weit aufgerissenen Augen wirbelte ich herum, um in das erstarrte Gesicht von Phil zu blicken. Seine Tasche hing leblos in seiner Hand, und in dem Moment als ich meinen Mund öffnete um etwas zu sagen, stürmte Phil aus dem Wohnzimmer heraus in den Flur.

Samu blieb einfach ruhig hinter mir stehen, und sagte kein Wort. Ich war für einen Augenblick wie gelähmt, doch dann bewegte sich mein Körper wie von alleine, und ich lief Phil hinterher, dabei bemerkte ich, wie mir die ersten Tränen aus den Augen quollen. So ein verdammter Mist!

Als ich im Türrahmen ankam, wollte ich geradewegs zur Tür Rennen, doch in dem Moment kam mein noch Verlobter mir von rechts entgegen, mit seinem gepackten Koffer in der Hand, seine Tasche und Autoschlüssel in der anderen. Wütend stürmte er an mir vorbei.

"Phil, warte, ich kann das erklären!"

Ich versuchte ihn noch an seinem Ärmel zu erwischen, doch er reagierte garnicht, riss die Tür auf, und Schlug sie keine Sekunde später wieder energisch zu.

Die Musik hatte aufgehört zu Spielen, und da der Rhythmen hörte man jetzt nur noch mein schluchzten durch die noch fast ganz leere Wohnung hallen. Ich hielt mir beide Hände vor mein Gesicht, und die Tränen flossen nur schneller und schneller. In dem Moment hörte ich Schritte auf mich zukommen. Ich bereitete mich darauf vor, Samu eine Abfuhr zu geben und ihn aus der Wohnung zu schmeißen, doch stattdessen baute er sich hochrot vor mir auf und blickte mich an.

"It's him? You wanted to marry this guy? I know him. I once saw him around your house, so you knew him already als wir noch zusammen waren? How can I know you didn't fell in love with him back then? Did you already kiss him in that time?!"

Beschämt sah ich zur Seite, und musste an den Vorfall in dem Geschäft denken, und an die Nacht, welche ich ohne mein Wissen mit ihm verbracht hatte.

Samu realisierte wohl meinem Blick zu urteilen, was bereits geschehen war, und er ahnte nicht einmal alles.

"You did?! God, you..!"

Er raufte sich die Haare, und drehte sich von mir weg, was die Tatsache überspielen sollte, dass er mich wohl gerade beleidigen wollte.

"Just make things up with yourself before you hurt others, think about it. I wasn't always good to you either, I know. But I haven't lied to you ever before."

Und mit diesen Worten verließ auch er die Wohnung. Und ich stand da. Ich hatte aufgehört zu weinen, und die Tränen waren so langsam auf meinen Wangen eingetrocknet. Ich atmete noch, langsam, regelmäßig. Doch im inneren fühlte ich mich gerade leer und seelenlos. Die ganzeZeit habe ich mich über das Verhalten der anderen aufgeregt, und habe in der letzten Zeit gar nicht mehr über meine eigenen Fehler nachgedacht. Ein verdammt großer Fehler.

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Eine ganze Woche war es nun her, und ich hatte weder von Phil, noch von Samu etwas gehört. Was vermutlich auch daran lag, das ich kaum die Wohnung verließ, und wenn, dann nur um Lebensmittel zu kaufen. Den Rest der Zeit verbrachte ich mit Fernsehen, Essen, und Schreiben. Ich hatte vor der Abreise nach Irland einen Job bei einem Verlag gefunden, und dort hatte ich dann den Antrag gestellt, ob ich denn von Irland aus diesen Job ausführen könnte, und dieser Antrag wurde glücklicherweise angenommen.

Ich hatte mir auch schon Gedanken wegen der Miete gemacht. Ich könnte mir die Wohnung zwar alleine leisten, jedoch würde ich mich dann doch ziemlich mit anderen kostspieligen Aktivitäten zurückhalten. Ich war somit gespannt, ob Phil am Ende des Monats seinen Teil der Miete überweisen würde.

Im nächsten Moment war ich wegen dieser egoistischen Gedanken schon wieder sauer auf mich.

Am Abend saß ich gerade auf der Couch und sah mir irgendwelche Wiederholungen von Serien an, als ich plötzlich hörte, wie ein Schlüssel in der Haustür gedreht wurde. Schnell sprang ich von dem Sofa auf und schaltete den Fernseher aus.

Ich hörte , wie sich langsam jemand zum Durchbruch begab, und keine Sekunde später erblickte ich die braunen Locken von Phil. Er wandte sich zu mir, und stand betroffen zwischen Wohnzimmer und Flur. Wir sagen uns schweigend an, bis ich das Wort ergriff.

"Phil..."

"Warum , Lina? Warum hast du mir das angetan?"

Seine Stimme war weich und etwas weinerlich.

"Ich liebe dich, verstehst du? Ich liebe dich wie verrückt, du bedeutest mir alles, und ich dachte das geht dir genau so. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich nur der Lückenbüßer für dich war, die ganze Zeit , ich meine, wie lange geht das schon?"

Ich hatte einen Kloß im Hals, dennoch versuchte ich ihm so ruhig wie möglich zu antworten.

"Ich...ich wusste nicht einmal das er hier ist. Ich hatte jahrelang keinen Kontakt zu ihm, nicht einmal ein bisschen, und dann taucht er plötzlich auf und ich...ich weiß auch nicht. Es tut mir leid, Phil, aber du warst nie ein Lückenbüßer. Ich glaube einfach nur, dass ich dich noch immer als sehr guten Freund wahrnehme, und ich bin auch in dich verliebt, aber..."

"...aber nicht so sehr wie in ihn."

"Ja."

Ich spürte förmlich, wie hart meine Worte ihn trafen. Doch anstatt sich wieder wütend von mir abzuwenden, kam er auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ich drückte mich sanft in seine Arme, und fing darauf hin einfach nur an zu weinen.

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