~ Kapitel 42 ~ Im Fuchsbau

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Die Reise zum Fuchsbau verlief ereignislos. Alle verstanden sich gut, ja sogar Ron und Draco wechselten ab und zu einzelne Silben miteinander. Alles in allem herrschte also keine seltsame oder gar angespannte Stimmung. Allerdings änderte sich das schlagartig als die fünf das gräserne Grundstück der Weasleys betraten. Mit einem Mal begannen alle ausnahmslos zu schweigen und die vorher noch so lockere Stimmung schien wie vom Winde verweht. Als Draco Malfoy schließlich zum ersten Mal der Fuchsbau ins Auge stach, weiteten sich seine Augen sofort. Noch nie im seinem Leben hatte er ein solches Haus gesehen. Es sah aus wie eine übergroße Scheune, über der sich jedoch im Zickzack fünf weitere kleine Stockwerke türmten. Draco kannte sich in der Muggelwelt zwar nicht aus, doch er wusste dennoch, dass dieses Haus nur durch Magie so stabil stehen konnte ohne umzufallen. Auch wenn er andere Standards gewohnt war - deutlich luxuriösere - so fühlte er sich dennoch fasziniert. Sein Leben lang hatte er die Weasleys mit ihrer Armut aufgezogen, doch hatte er keine einzige Sekunde daran verschwendet darüber nachzudenken, dass man selbst aus wenig Galleonen etwas wundervolles zaubern konnte. Mit einem Mal überkam ihn, wie schon so oft in letzter Zeit, eine Welle von Schuldgefühlen. Ron Weasley warf dem ehemals versnobten Malfoy einen prüfenden Seitenblick zu. Er erwartete einen Anflug von Ekel oder seine altbekannte Hochnäsigkeit, doch zu seiner Überraschung sah er nichts davon in seinen Gesichtszügen. Stattdessen war mehr als deutlich zu erkennen, dass er von dem Anblick, der sich ihm bot schlichtweg überrascht, fast sogar beeindruckt, schien. Auf Rons Gesicht zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. Er drehte sich wieder um und schritt weiter auf sein Zuhause zu. Vielleicht war Hermine ja doch gut bei dem neuen Draco Malfoy aufgehoben...
Für das goldene Trio fühlte es sich einfach so an als würden sie nach langer Zeit wieder nach Hause kommen. Der glitzernde See im Garten der Weasleys schimmerte wie ein geschlifferner Rohdiamant in der abendlichen Wintersonne. Ebenso funkelte der weiße Schnee im Garten so wunderschön und friedlich als wäre nie etwas furchtbares geschehen. In der Nähe der Gartenhütte waren ein paar wild herum flitzende Gnome zu sehen, mit denen die Weasleys stets zu kämpfen hatten.Doch dieser altbekannte Anblick brachte Hermine, Harry, Ron und Ginny sofort zum Lächeln.
Als sie das Haus betraten, kam Ihnen sofort der Duft von einem frisch zubereiteten Abendessen entgegen, das liebevoll von Mrs Weasley zubereitet wurde. Wie von Zauberhand wurde in der Soße gerührt und parallel dazu das Geschirr gewaschen. Mit lautem Geklapper flog geradewegs eine Reihe von Tellern dicht an ihren Köpfen vorbei in Richtung Tisch. Es war bereits alles hergerichtet worden für ihre Ankunft. Doch Draco wurde es langsam etwas unbehaglich zumute: Wussten die Weasleys überhaupt, dass er dabei war?

Quirlig wie immer, flitzte die gute alte Mrs Weasley gehetzt um die Ecke. Sonst früher leicht pummelig und ihre Wangen stets rosig und rund, so schien sie inzwischen fast eine völlig andere Person zu sein. Sie hatte deutlich abgenommen, doch weil nicht genügend Galleonen für neue Sachen zur Verfügung standen, schlapperten nun die viel zu großem Klamotten um ihre dürren Ärmchen und Beinchen, mit denen sie sich ab und an verhedderte und über den großen Rock stolperte.
Aber als sie Harry, Ron, Hermine und Ginny erblickte, brach sofort ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus. Mit offenen Armen lief sie auf die vier zu und nahm einen nach dem anderen in den Arm.
" Meine Lieben, schön euch zu sehen! ", seufzte sie und schniefte leise. Die Begrüßungen fielen allemal herzlich aus. Doch als sie mit den Umarmungen fertig war und sie auf Draco blickte, änderte sich die Stimmung schlagartig. Sie versuchte zwar weiterhin zu lächeln, doch es wirkte unmerklich verkrampft. Auch Draco fühlte sich merklich unwohl, sodass er sogar aufhörte zu atmen.
" Mom, das ist Draco. Ich ähm... hatte dir ja gesagt, dass er kommt. " Ron kratzte sich nervös am Kopf.
" Ron, sie weiß wer das ist. ", wisperte Hermine kaum hörbar und verdrehte dabei die Augen. Manchmal stellte er sich auch wirklich dämlich an. Die elektrisiert Stimmung in der Luft hielt sie jedoch davon ab ihm eine Standpauke zu halten. Für einen Moment schien die Welt still zu stehen. Es war einer dieser Momente, in denen keiner wagte mehr einen Mucks von sich zu geben. Niemand konnte ahnen, was als nächstes passieren würde. Würden sie aufeinander losgehen? Würde Mrs Weasley ihn rausschmeißen, ihn verhexen oder würde sie ihn ganz normal behandeln? Man wusste es nicht. Keiner wusste es außer die beiden selbst.
Fast gleichzeitig hoben die beiden mechanisch die Hand und streckten sie sich gegenseitig hin. Einen kurzen Moment zögerten beide noch, in dem sie schlucken mussten als würden sie den dicken Kloß an Feindseligkeit und Hass aus der Vergangenheit ein für alle Mal runterschlucken. Mrs Weasleys Lächeln verkrampfte sich noch ein Stück mehr als sich die beiden die Hand gaben.
" Draco Malfoy, hallo. So lernt man sich mal persönlich kennen. "
" Hallo Mrs Weasley. Danke, dass ich herkommen durfte. "
Mit so einer Antwort hatte Mrs Weasley nicht gerechnet. Sie hatte beinahe schon eine abfällige Bemerkung, ein kurzes Nicken oder ein verächtliches Schrauben erwartet, doch eine höfliches Dankeschön? Bei Merlins Bart, nicht mal im Traum hatte sie daran gedacht. Erleichtert lockerten sich ihre Mundwinkel und ließen freundlich ein paar Zähne hervorblitzen.
" Na kommt, das Essen steht bereit, also setzt euch. Euer Vater kommt bestimmt gleich. "
Stolz streichelte Hermine grinsend über Dracos Arm, der ebenfalls sichtlich erleichtert schien und lautstark ausatmete. Allesamt nahmen sie schließlich Platz an dem großen hölzernen Tisch. Draco setzte sich neben Hermine, Ginny und Harry befanden sich gegenüber. Daneben saß Mrs Weasley, die einen Platz neben sich für Mr Weasley freizuhalten schien. Kaum hatten sie alle am Tisch Platz genommen, so hörte man ein lautes Plopp und George Weasley erschien mit einem Mal auf dem Stuhl neben Hermine. Abgesehen von seinem frechen Grinsen, sah auch er sehr mitgenommen aus. Seine Haare waren kinnlang und zerzaust, unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Augenringe ab und seine Wangen waren eingefallen.
" Na, wen haben wir denn da? Hermine - Du wirst ja von Tag zu Tag an hübscher. ", zwinkerte er und nahm sich ohne zu fragen eine Hähnchenkeule mit den Fingern.
" George - "
" Ja, Mutter? "
Was auch immer Mrs Weasley gerade sagen wollte, sie verkniff es sich aufgrund seines herausfordernden Tonfalls.
" Danke George. Und du siehst.... ", begann Hermine mit puterroten Wangen.
" Heiß aus? Ich weiß. "
Auch Hermine wusste darauf nichts mehr zu antworten und entschied sich dazu zu schweigen.
" Du solltest dir dringend mal die Haare schneiden, ernsthaft. ", lachte Ginny in der Hoffnung die Stimmung damit aufzuhellen, doch der traurige Schleier, den George seit dem Verlust seines Zwillingsbruders mit sich trug, legte sich schwer und drückend auf alle nieder.
" Ja George, wenn du so weitermachst, machst du bald meinen Haaren noch Konkurrenz ", versuchte es nun auch Harry grinsend und strubbelte sich selbst durch die zerzauste schwarze Haarpracht. Als Antwort schnalzte der rothaarige Riese jedoch nur mit der Zunge und schürzte die Lippen. Auch wenn er Witze riss, so schwamm dennoch eine gewaltige Welle Bitterkeit und Kälte darin mit, die allen anderen am Tisch eine Gänsehaut einjagte. Langsam drehte George seinen Kopf nun in Hermines oder besser gesagt Draco Malfoys Richtung. Mit einem kurzen Nicken deutet er auf ihn und richtet das Wort nun an seine Mutter: " Seit wann lädst du Todesser ein? "
Mit einem Mal hielten alle in ihrer Bewegung inne. Hermine ließ vor Schreck sogar ihre Gabel fallen. Allerdings wusste sie nicht, ob das an der Bemerkung lag oder daran von wem sie kam oder an der Tatsache dass ihr eine gewaltige Feuerwhiskeyfahne ins Gesicht schlug, sodass es ihr beinahe den Magen umdrehte. Auch wenn er sich wie ein Idiot aufführte, so tat er ihr dennoch Leid. Sie konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, was er durchmachen musste.
" Er ist kein Todesser mehr George. Das ist vorbei. ", sagte Mrs Weasley bestimmt und blickte ihn streng mit erhobener Augenbraue an.
" Ja genau, deshalb kommen Dad und Percy immer so extrem spät von der Arbeit und können nicht mal sagen warum. ", schnaubte George und verschränkte dabei die Arme.
" Was meinst du damit? ", fragte Hermine daraufhin sofort alarmiert.
" Irgendwas geht da vor sich im Ministerium. Keine Ahnung was, aber Dad und Percy benehmen sich total seltsam. Ich wette, da sind noch irgendwo Todesser im Spiel.... naja auf jeden Fall nicht die Malfoys, die sitzen ja zum Glück hinter Gittern. Naja... bis auf einen. " Dabei blickte George auffallend unauffällig zu Draco.
" Ach halt doch die Klappe, George! ", zischte Ginny und strich sich wütend eine rubinrote Haarstrahne aus dem Gesicht.
" Nein ist schon gut, Ginny. Ich kann es ihm nicht verübeln. ", murmelte Draco. Er räusperte sich, rückte seine grüne Krawatte zurecht, legte langsam sein Besteck zur Seite und sah daraufhin abwechseln Mrs Weasley und George an. " Mrs Weasley, es tut mir Leid. Alles tut mir Leid. Ich schäme mich für meine Familie, mein Verhalten und meine Vergangenheit. George hat Recht, meine Eltern sitzen zurecht in Askaban, aber ich habe mich anders entschieden und möchte ab sofort den richtigen Weg gehen. Ich bereue es wie ich mich Ihnen und Ihrer Familie in der Vergangenheit gegenüber verhalten habe. "
Stolz flatterte in Hermines Bauchgegend mit einem Mal auf. Wie er so dasaß, gepflegt, reuevoll, höflich, zuvorkommend und wohlwissend, was er wollte, jagte ihr einen Schauer von Ehrfurcht und Bewunderung durch den Körper. Er war ein richtiger Mann geworden und das war es, was Hermine so begehrte. Sie spürte wie ihre Wangen rot anliefen und musste sich auf die Lippen beißen um nicht völlig die Beherrschung zu verlieren.
" Ich danke dir Draco. ", antwortete Mrs Weasley nach einer langen Pause, vermutlich völlig sprachlos und überrumpelt von einer solchen Reaktion. Ron gab ein kaum hörbares Schnauben von sich, ganz eifersüchtig über die Tatsache wie erwachsen Draco geworden war und wie Hermine ihn so ansah, als wäre er der erste Mann, den sie jemals gesehen hätte. Aber er war dennoch froh, dass nach all den Jahren der Feindseligkeit eine Entschuldigung ausgesprochen wurde. Sogar der völlig veränderte George schien darauf nichts mehr erwähnen zu können und widmete sich stattdessen wortlos weiter seinem Essen.

Dramione ~ Im Wind der Veränderung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt