Am Abend saß Hermine völlig niedergeschlagen an einem der Tische in der Bibliothek - vor ihr lag ein ganzer Berg an Hausaufgaben und sie hatte nicht einmal angefangen, obwohl sie bereits seit zwei Stunden dort war. Sie wusste nicht einmal, was sie in diesen zwei Stunden überhaupt gemacht hatte. Hatte sie auf Draco gewartet? Hatte sie ununterbrochen an Ron gedacht? Oder an Ginny? An ihre Eltern? Sie wusste es einfach nicht mehr. Es schien als wären zehn Jahre vergangen; Hermine fühlte sich erschöpft und irgendwie alt. Dennoch war ihr bewusst, dass sie sich spätestens jetzt an ihre Aufgaben machen musste, egal wie schlecht es in ihrem Leben lief, egal wie allein sie war und egal, ob sie nicht einmal sicher wissen konnte, ob ihre Eltern noch lebten. Mit einem Seufzer strich sie sich also ihre Locken aus dem Gesicht und kramte ihre Sachen hervor. Dabei flog der Gryffindor zuerst das Stückchen Pergament entgegen, auf dem sie in Verteidigung gegen die dunklen Künste gekritzelt hatte. Nicht einmal daran konnte sie sich erinnern, was sie eigentlich darauf gezeichnet hatte, wurde also umso neugieriger als sie es genauer zu betrachten begann. In der Mitte des Pergaments war deutlich ein Otter zu erkennen, ihr Patronus. Über dem Otter befanden sich zwei weitere Tiere; links identifizierte sie eine geschwungene Linie mit zwei Augen als Schlange, die wütend ihre Giftzähne zeigte und mit ihrer gespaltenen Zunge in die Richtung des dritten Tiers zischelte - ohne Zweifel ein Jack Russel Terrier, Rons Patronus! Auch der Terrier blickte mit gefletschten Zähnen in Richtung der Schlange und kniff wütend die Augen zusammen. Sowohl die Schlange als auch der Terrier befanden sich über dem Otter, der, wie Hermine erst jetzt erkannte, verzweifelt und unsicher zu den beiden streitenden Tieren blickte. Jetzt musste Hermine wohl auf ihre Muggel - Interpretationsfähigkeiten zurückgreifen, die sie nur ihren Eltern zu verdanken hatte, die ihr in den Sommerferien immer wieder etwas Muggelunterricht gegeben hatten. Der Otter stand also für sie selbst, der Hund für Ron und die Schlange...... sie musste nur zwei Sekunden überlegen, da fiel es ihr auch schon ein - Draco. Draco war die Schlange, die sich mit Ron zankte und Hermine stand unbeholfen zwischen ihnen und wurde von der Last des Konflikts erdrückt - deswegen befand sich der Otter unter den beiden anderen.
Hermine musste schlucken. Was wollte ihr ihr Unterbewusstsein damit sagen? Wieso stand sie zwischen den Beiden? Dazu gab es nur zwei mögliche Antworten: Entweder stand sie zwischen den Beiden, weil sie mit Draco befreundet sein wollte und gleichzeitig mit Ron zusammen sein wollte, das aber nicht funktionierte oder vielleicht hatten die Anderen Recht und sie empfand etwas für Draco und für Ron... Hermine schüttelte heftig den Kopf. Nein, das war unmöglich. Ja, sie mochte Draco - vielleicht sogar mehr als sie sich je hätte vorstellen können - aber doch nicht auf diese Weise. Ron war ihre erste große Liebe, daran gab es keinen Zweifel, auch wenn sie ihre Differenzen hatten. Ohne Zweifel war sie sich ihrer Gefühle im Klaren, doch sie wusste genau, dass es bei ihren Freunden nicht so war, weshalb sie beschloss das Stück Pergament sicher zu verwahren, sodass es niemand außer ihr zu Gesicht bekommen konnte. Dafür eignete sich der Flagrante-Zauber, der es unmöglcih machte einen Gegenstand zu berühren, da man sonst schwere Brandverletzungen davontrug, und mit dem Hermine bereits bei Gringotts auf der Suche nach dem Horkrux Bekanntschaft gemacht hatte. Allerdings war es wiederum weniger günstig einen solch riskanten Zauber in mitten einer Bibliothek durchzuführen, weswegen sie den Zettel sorgfältig wieder in ihrer Tasche verstaute und sich nun an ihre Aufgaben machte. Seltsamerweise hatte sie nichts aus dem Unterricht mitbekommen außer die Aufgabenstellung, wofür sie sich aber sofort schämte. Sie sollten einen ausführlichen Aufsatz über eine Art von Schutzzaubern schreiben; Hermine entschied sich natürlich für den Patronuszauber und war deshalb bereits nach einer knappen halben Stunde mit 5 Seiten Pergament fertig.
Danach ging es für sie an einen Aufsatz über den Vielsafttrank - ebenfalls ein leichtes für sie - anschließend an ein paar Fragen in Muggelkunde und zum Abschluss an einen Aufsatz in Verwandlung.
Nach insgesamt 1,5 Stunden konnte sie also endgültig ihre Sachen zusammenpacken.Die Sonne war schon fast untergegangen und warf ein letztes schönes Abendrot über das Quidditchfeld und die Wiese hinter dem Schloss und ließ sogar die Bäume des verbotenen Waldes erstrahlen. Auch wenn Hermine wusste, dass sie wenigstens einmal wieder früh ins Bett gehen sollte, so wirkte das spätherbstliche Spiel draußen zu verlockend um es zu vergeuden. Also schulterte sie ihre schwere Ledertasche und machte sich schnurstracks auf den Weg nach draußen. Nur eine Minute später schloss sie die schwere Tür des Hintereingangs hinter sich und ließ eine frische Spätherbstbrise durch ihre Haare fahren. Gerade wollte sie sich in das durch die Sonne grün-gold schimmernde Gras fallen lassen, da entdeckte sie plötzlich eine große menschliche Gestalt am Rande des verbotenen Waldes.
Doch die Sonne schien ihr noch zu sehr entgegen um die Person identifizieren zu können, weshalb sie sich also entschloss zu der Person selbst hinzugehen. Vielleicht war es ja Ron und sie hatte nun die perfekte Gelegenheit um sich mit ihm auszusprechen? Sie war nur noch ein paar Meter entfernt, aber sie konnte stets niemanden auf Grund der Sonne erkennen, weshalb sie versuchte ihre Augen von den abendlichen Sonnenstrahlen abzuschirmen. Endlich lichtete sich das grelle Licht und ließ die Gryffindor näheres erkennen; es handelte sich um einen Zauberer aus Slytherin - an dem Umhang eindeutig zu erkennen - der offensichtlich versuchte vergeblich einen Zauber durchzuführen. "Expecto Patronum!" An der Stimme ganz eindeutig zu hören handelte es sich um Malfoy, der offensichtlich vergeblich einen Patronus heraufzubeschwören versuchte, Hermine aber noch nicht bemerkt zu haben schien. Hermine blieb stehen und beobachtete ihn wie er verzweifelt seinen Zauberstab schüttelte und immer wieder erneut die Worte "Expecto Patronum!" knurrte. Nach zehn Versuchen hatte sie aufgehört zu zählen, seine Rufe waren von Mal zu Mal verzweifelter geworden bis er sich nach einem weiteren Versuch wütend ins Gras fallen ließ und enttäuscht seinen Kopf auf die Hände stützte."Du musst eine besondere Erinnerung nutzen um einen Patronus zu erzeugen." Eigentlich wollte Hermine nichts sagen, doch die Worte waren ihr einfach so beim Anblick dieses Elends herausgerutscht. Malfoy drehte sich erschrocken um und blinzelte ziemlich überrascht in Hermines Gesicht, doch zu Hermines Enttäuschung immer noch mit einem Hauch von Wut. Nachdem der Slytherin nach einer gefühlten Ewigkeit nun endlich zu realisieren schien, dass sich Hermine wirklich vor ihm befand und seine Fantasie diesmal nicht mit ihm durchging, knurrte er ein "Ich weiß!" und rappelte sich wütend wieder auf, der Blick stets auf die Bäume gerichtet. "Du bist immer noch sauer oder?", fragte Hermine kleinlaut und versuchte so gut wie mögliche seine abweisende Haltung zu ignorieren während sie vorsichtig auf ihn zuging. "Verschwinde", zischte er in der Angst sie würde ihm noch näher kommen "ich will deine Entschuldigung nicht hören, denn ich glaube dir nichts mehr. Du hast mich enttäuscht, Hermine Granger." Mit einer ruckartigen Bewegeung steckte Draco seinen Zauberstab wieder zurück in seinen Umhang und drehte sich nun direkt zu Hermine, die nur noch wenige Zentimer von ihm entfernt stand. Ihre sonst rehbraunen Augen schimmerten im Licht der Sonne in einem warmen gold und ihre Locken umschmiegten ihr sanftes Gesicht wie das eines Engels - dieser Anblick brachte Draco für eine Sekunde von seinem Kurs ab. Hermine schaute ihm mit erhitztem Gesicht in die Augen. Er war enttäuscht... Wie er das gesagt hatte...
"Ich weiß.", mehr brachte sie nicht heraus, auch wenn sie tief in ihrem Inneren das Gefühl hatte ihm viel mehr sagen zu wollen. "Und das Schlimmste ist, ich weiß nicht einmal was mit dir los ist, dass dich dazu bewegt haben könnte mich wie Luft zu handeln." "Es war Ron, okey? Nicht ich. Ich dachte du würdest das wissen, weil er naja... mein Freund ist. Außerdem sollte es nur für vorrübergehend sein."
"Für das Wiesel also? Na das war ja klar, dass der mal wieder vorgeht... Hab' schon verstanden, Hermine. Vielleicht merkst du ja erst wie wichtig ich dir bin, wenn ich in Todesgefahr oder sowas schwebe, aber dann brauchst du mir auch nicht mehr helfen, verstanden?" Seine Wut spiegelte sich ganz offensichtlich in seinen Augen wieder, deren eisiges Grau sich wie Eiszapfen einzeln in Hermines Körper zu bohren schien und als er sich erhob und sie anrempelte um an ihr vorbeizulaufen fühlte es sich an als würde sie von einem Eisberg umgerissen werden. Es tat weh ihn so zu sehen und sie allein war auch noch schuld... Hermine rief ihm nicht mehr nach - sie wusste es würde alles nur schlimmer machen - also schlenderte sie noch niedergeschlagener als zuvor zurück Richtung Schloss.
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Dramione ~ Im Wind der Veränderung
FanfictionEin ruhiges Jahr in Hogwarts? Keine Chance. Nach der großen Schlacht sind Hermine und ihre Freunde fest entschlossen ihr verpasstes Abschlussjahr in Hogwarts ohne Zwischenfälle nachzuholen. Voldemort ist tot, Hermine und Ron sind ein Paar und alles...