XVI. Kapitel - daemonium et diabolus

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,,Und im Kopf tobt der Kampf zwischen zwei Stimmen.
Die eine ruft nach Hilfe,
die andere nach dem Tod."

(Unbekannt)

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,,Das Schlimmste an Verrat ist,
dass er nie von den Feinden kommt."

(Unbekannt)

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„NEIN!"
Schweißgebadet wachte Rey mitten in der Nacht aus ihrem Albtraum auf. Sie konnte nicht sagen, wie spät es war, aber Rey bezweifelte, mehr als einige Stunden Schlaf bekommen zu haben. Dazu sprach die Müdigkeit in ihren Gleidern eine zu eindeutige Sprache.
Auch in dieser Nacht hatte sie den selben Schmerz erneut durchleben müssen, die endlosen Stunden der Folter und Angst.
Sie musste hier raus!
Rey erhob sich schnell aus ihrer Koje, zog sich ihren Mantel über, schnappte sich ihr Lichtschwert und verließ das Schiff.
Sie zog sich die Kapuze über den Kopf und rannte in der schwarzen Dunkelheit der Nacht auf den Dschungel zu. Im Schutz der Bäume fuhr sie die beiden Klingen ihres Lichtschwerts aus. Die Umgebung um sie herum wurde augenblicklich von dem goldenen Licht erhellt. Sie musste die angestaute Wut raus lassen und sich irgendwie abreagieren. Wutentbrannt schlug sie auf die Baumstämme ein. Der Zorn loderte wild und aufbrausend in ihrem Innern, wie ein Feuer, das aus einem kleinen Funken zu einer roten Feuersbrunst entflammt und alles verbrennt und vernichtet, was ihm in den Weg kommt. Das Einzige, was übrig bleibt, sind Staub und Asche.
Der Zorn auf Darth Sidious war allgegenwärtig, dem, der er ihr all das antat, aber erst jetzt erlaubte sie sich, diese Emotionen zuzulassen. Wobei es einer unfreiwilligen Abgabe der Kontrolle eher gleich kam, waren es doch diese Emotionen, die sie zu überschwemmen und zu ersticken drohten.
All die Gefühle und Empfindungen, die sie so lang verborgen gehalten hatte, all das brach sich jetzt Bahn. Die Angst, die sie verdrängt hatte, die Selbstzweifel, die sie förmlich verschlangen und sie alles infrage stellen ließen, was sie tat. Die Hoffnungslosigkeit, die sie in ihrem festen Griff gefangen hielt, und nicht zuließ, etwas an ihrer Situation zu ändern, da sie glaubte, dass sowieso alles sinnlos war.
Einige Zeit gab sich sich diesen Gefühlen hin und einige Bäume fielen unter den beiden Klingen, doch irgendwann war sie so erschöpft, dass sie das Schwert fallen ließ, das sich daraufhin von selbst deaktivierte und auf die Knie sank.
Rey wollte diese Bilder nicht mehr sehen. Diese Emotionen nicht mehr fühlen. Die jüngsten Wunden waren noch zu frisch, als das Rey die Chance hätte, mit dem klar zu kommen und das zu verarbeiten, was Sidious ihr antat, indem er unerbittlich jegliche negative Emotion aus ihrem Verstand hervor zerrte, sie mit dem konfrontierte, was längst geschehen war.
Sie hatte keinerlei Gelegenheit, sich mit dem gegenwärtigen Schmerz befassen zu können.
Demut, Angst, Panik und und dieser elende, alles verzehrende Schmerz war das, was unweigerlich folgte.
Das, was Hux ihr angetan hatte, hatte sich ihr in Leib und Seele eingebrannt, verfolgte sie bis in ihre Träume, ließ sie nicht los.
Wie sollte sie dieses Trauma verarbeiten, wenn Sidious alles an Pein hervor holte, was tief in ihrer Vergangenheit ruhte, sodass die alten Narbengeflechte aus diesem Teil ihres Lebens erneut aufrissen?
,,Ich will das nicht. Hör auf, mir diese Erinnerungen zu zeigen", schrie sie in die Finsternis. ,,Aber es ist dein Leben, kleine Rey. Deine Vergangenheit. Warum willst du es verdrängen? Dein Schmerz, dein Zorn und dein Hass können dich weit bringen. Du musst die Dunkelheit nur zulassen. Sie ist doch sowieso schon längst ein Teil von dir", flüsterte Sidious. ,,Ich werde aber nicht die Seiten wechseln", fauchte Rey erbost. ,,Eher sterbe ich."
„Das bist du doch schon längst. Im Innern bist du doch längst tot. Nur noch erfüllt von negativen Emotionen, nur noch ein Schatten deiner Selbst. Sag mir, Rey, wann hast du dich das letzte Mal lebendig gefühlt?"
„Das mit der Negativität ist doch ganz klar dir zuzuschreiben", zischte sie, um von der Frage abzulenken. Denn der Imperator hatte Recht. Es war schon einige Zeit her, seit sie das letzte Mal das Gefühl gehabt hatte, zu leben.
„Bist du dir sicher? Die Dunkelheit ist immer da gewesen. Und die Hoffnung und das Gute in dir, das du dreizehn Jahre nicht verloren hast, zollen langsam ihren Tribut. Du kannst nicht ewig vor deinen Dämonen davonlaufen. Irgendwann holen sie dich ein."
Kraftlos sank Rey in sich zusammen. Irgendwann würde sie unter der Last zerbrechen, das war ihr schon seit einiger Zeit klar. Sie wusste ja selbst nicht, wie sie es geschafft hatte, über ein Jahrzehnt auf diesem Wüstenplaneten zu überleben, ohne die Hoffnung zu verlieren. Ohne irgendwann einfach aufzugeben. Die Erinnerungen holten sie immer wieder ein. Suchten sie in Form von Albträumen heim, und sie konnte rein gar nichts tun, um das zu verhindern. Das Wüstenmädchen ließ sich auf den Rücken fallen und sah nach oben in den sternenlosen, wolkenverhangenen, grauen Himmel. Sie hätte wahrscheinlich geweint, wenn sie nicht gewusst hätte, dass es sowieso nichts brachte. Und so starrte sie einfach ins Leere und verfluchte sich und Sidious und Hux und die ganze Galaxis dafür, dass sie all das durchmachen musste, ohne dass ein Ende der Qualen in Sicht war. Rey hatte so sehr gehofft, dass ihr Leiden nach der Schlacht von Exegol vorbei war, dass Leid der Einsamkeit, das Gefühl, vollkommen allein zu sein, selbst wenn man die Menschen, die man liebt, um einen herum hat, hatte sie doch Ben, in dessen Gegenwart sie nicht mehr einsam war, der sie verstand, wie niemand sonst, aber diese Hoffnung hatte sich in Luft aufgelöst. Erst hatte sie ihre besten Freunde verloren, dann war Hux wieder aufgetaucht und Sidious' Geist nutzte ihren Körper als Wirt und terrorisierte sie.
Die Erinnerungen an Jakku waren schmerzhaft. Unzählige Narben bedeckten ihren Körper, große und kleine, die sie sich von Kämpfen auf Jakku zugezogen hatte. Rivalisierende Schrottsammler, die Rey früher überfallen und nicht selten zusammengeschlagen hatten, um ihr erbeutetes Gut zu stehlen, ehe sie gelernt hatte, sich selbst zu verteidigen. Einige Narben waren auch Überbleibsel und Zeugen von den gefährlichen Wracks und dem rostigen, scharfkantigen Metall. Häufig war sie mit aufgerissenen Handflächen und Schnitten am Körper von den Schiffen zurückgekehrt. Vor allem, als sie noch klein gewesen war.
Der Imperator holte all diese mühsam verdrängten Erinnerungen wieder hoch, und Rey hatte das Gefühl, den selben Schmerz wie damals noch einmal zu durchleben.
Wieso konnte es nicht einfach aufhören?
Wieso war es ihr nicht vergönnt, mit der Vergangenheit abschließen zu können?
So viel Pein hatte sie in ihrem Leben schon erdulden müssen, doch das Leid wollte kein Ende nehmen. Rey griff mit zitternden Fingern nach ihrem Lichtschwert, das neben ihr auf der von Laub bedeckten Erde lag.
Doch im gleichen Moment wusste sie, dass sie in diesem Augenblick nicht die Kraft fand, sich das Leben zu nehmen.
Warum nur war sie so schwach? Wohin war die Willensstärke verschwunden, die sie einst besaß? Rey befand sich schon seit geraumer Zeit im Zwiespalt mit sich selbst. Und das hatte nichts mit Licht und Dunkelheit zu tun, sondern mit der Frage, ob sie sich das Leben nehmen sollte oder nicht.
Sie führte Krieg gegen ihre Gedanken, die sie immer wieder dazu drängten, sich umzubringen. Aber sie brachte es nicht fertig, es zu tun.
Warum, wusste sie nicht.
Sie führte Krieg gegen sich selbst.
Und diesen Krieg konnte sie nur verlieren, weil es irgendwann mit Sicherheit dazu kommen würde, dass sie sich tötete. Auch wenn sie Angst vor dem Sterben hatte. Auch wenn ihr bewusst war, dass sie eigentlich gar nicht sterben wollte, sie wollte nur nicht mehr leben.
Sie existierte einfach nur, als ein Schatten ihres einstigen Selbst. Kaum positive Gefühle, und wenn doch, waren sie im nächsten Moment wieder verschwunden. Das Mädchen von Jakku hatte sich selten so klein und zerbrechlich gefühlt.
Sie war unfähig, irgendetwas an ihrer Situation zu ändern. Still und leise kamen nun doch die Tränen, benetzten ihre Wangen. Von der kalten Nachtluft fröstelnd rollte sich sich zusammen und schlang die Arme um ihren Körper, hielt sich selbst, weil es im Moment niemand sonst tat.
Wie sollte sie es schaffen, weiterzuleben, wenn es doch so schwierig war, einen Grund dafür zu finden?
Etwas zu finden, wofür es sich lohnte, all das zu ertragen. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie grausam das Leben war, warum schaffte sie es dann nicht, es zu beenden?
„Weil es noch Gründe gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt, weil es noch Hoffnung gibt", flüsterte eine Stimme in ihrem Innern. Und trotz dieser Hoffnung änderte sich nichts an ihrer Situation.
Weinend zog sich Rey ihren Mantel über den frierenden Körper, wickelte sich darin ein, und wartete auf den Schlaf. Die Bäume standen als stumme Wächter um sie herum, als würden sie sie gegen jegliches Übel beschützen. Die Dunkelheit hüllte sie ein, und sanft strich der Wind über ihr tränennasses Antlitz.
Irgendwann fiel sie in einen unruhigen, wenig erholsamen Schlaf.

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