IX. Kapitel - Kristalle und Geister

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,,Ich habe mehr von Himmel und Hölle gesehen, als die meisten auch nur zu träumen wagen."
- Ophelia

(Ophelia)

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,,Wo fliegen wir eigentlich als nächstes hin?", fragte Kaydel an Ben gewandt. Die Crewmitglieder befanden sich im Aufenthaltsraum des Falken, der immernoch in der Atmosphäre von Kef Bir schwebte.
,,Wir müssen irgendwohin, wo es Kyberkristalle gibt. Mein Kristall kam von Ilum, nur hat Snoke diesen Planeten in die Starkiller-Basis verwandelt und ich habe keine Ahnung wo es sonst noch Kyber geben könnte, da das Imperium sehr viele Planeten nach diesen Kristallen abgesucht hat, um den Todesstern mit Energie zu versorgen. Also, hat jemand eine Idee, wo es noch welche geben könnte?"
,,Die habe ich, allerdings", meldete sich Maz zu Wort. ,,Auf Takodana gibt es eine Höhle mit einigen Kybern. Ich hatte sie durch Zufall mal gefunden und meine Entdeckung geheim gehalten, weil ich wusste, dass irgendwann die Zeit kommen würde, in der wieder Kyberkristalle gebraucht werden würden."

,,Wozu brauchst du die Kristalle, Ben?", fragte Rey ihn, als sie wieder unter sich waren.
,,Ich finde, es ist an der Zeit, dass du dir dein eigenes Lichtschwert baust. Jeder Padawan muss das während seiner Ausbildung zum Jedi machen", erklärte ihr Solo.
,,Ich glaube, ich bin kein Jedi. Dafür fühle ich zu viel", erwiederte sie.
,,Ja, aber es kommt eigentlich eher darauf an, seine Gefühle kontrollieren. Sich nicht von ihnen einnehmen und sein Handeln bestimmen zu lassen."
,,Luke meinte doch, dass wir das Gleichgewicht in der Macht bilden. Das heißt, dass wir so wieso keine richtigen Jedi sind. Gibt es nicht noch irgendwas zwischen Jedi und Sith?", fragte Rey.
,,Ja, Graue Jedi", bestätigte Ben ,,Diese Machtnutzer lassen sich von der Macht leiten und nutzen sie, um Gutes zu tun. Sie gehören aber nicht dem Jedi-Orden an, der für die Republik kämpfte. Sie waren eigenständig. Ich glaube, wir sind Graue Jedi, wobei der Begriff sehr unpassend ist, da es keine Jedi, und somit auch keine Grauen Jedi gibt."

Nach zwei Tagen Flug landete der Millennium Falke auf Takodana.
Maz führte Rey und Ben zu der gut versteckten Höhle, die man nicht finden würde, wenn man nicht genau wusste, wo man suchen musste.
,,Ich habe den Höhleneingang noch mehr versteckt, damit nicht zufällig jemand hinein stolpert, so wie es mir passiert ist", erklärte die kleine Alien ihren beiden Begleitern.
Maz ließ die beiden dort alleine, um wieder zum Falken zurückzukehren und den anderen dabei zu helfen, das Schiff mit frischen Vorräte zu beladen.

Rey Palpatine blickte zu dem Höhleneingang, der vor ihr lag und dann zu Ben, der ein paar Schritte hinter ihr stehen geblieben war. Verunsicherung spiegelte sich in ihren Augen. ,,Die Macht wird dich prüfen und für diese Prüfung brauchst du keine Waffen", sagte Ben und deutete dabei auf Leias Lichtschwert, den Blaster an Reys Gürtel und den Kampfstab auf ihrem Rücken. Wortlos händigte Rey ihm die drei Sachen aus.
,,Wirst du hier warten?", fragte Rey ihn.
Solo nickte. Sie wandte sich wieder der Höhle zu und schritt langsam durch den Eingang. Es gab nur eine spärliche Beleuchtung, die von fluoreszierenden moosartigen Gewächsen an den Felswänden ausging. Rey ging immer weiter den Gang entlang, den wahrscheinlich vor langer Zeit Menschen oder andere Wesen in den Stein gehauen hatten. Der Gang wurde mal breiter, mal verjüngte er sich urplötzlich. Irgendwann, sie konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, wann, wurde der Gang so breit, dass man es fast schon als Raum bezeichnen konnte. An den Wänden wuchsen Kyberkristalle, die ein dämmriges Licht erzeugten, aus dem Gestein.
Bei dem Anblick der Kristalle fingen ihre Augen an zu leuchten, und sie kam kaum aus dem Staunen heraus. Sie hatte so etwas Wunderschönes noch nie gesehen. Nach einigen Minuten des stummen Staunens besann sich das Mädchen wieder auf ihre Aufgabe.
Rey wusste, dass man den Kyber, der für einen bestimmt war, durch Meditation finden musste und dass sich dieser verfärben würde, sobald er in Berührung mit dem Machtnutzer kam; so hatte Ben es ihr auf dem Weg zur Höhle erklärt und so setzte sie sich in der Mitte des Raums auf den Boden, und fing an zu meditieren. Sie spürte die Präsenz der Tiere in der Erde, die Pflanzen, die an den Wänden der Höhle und draußen wuchsen. Die Kreaturen des Waldes. Sie vernahm die Präsenz von Ben, der vor der Höhle alleine mit seinem Lichtschwert gegen fünf Trainingsdroiden kämpfte uns sie einen nach den anderen in seine Einzelteile zerlegte. Sie spürte auch die Präsenz von Kaydel, Beaumont, Rose, Lando, Chewie und Maz, die den Falken mit Vorratskisten beluden.
Plötzlich wurde ihre Konzentration von einer weiteren Präsenz gestört, die in der Macht zwar nicht greifbar und eher verschwommen aussah, sich aber unmittelbar vor ihr befinden musste. Rey öffnete ihre Augen und sprang aus ihrer sitzenden Position in den Stand. Sie hatte es geahnt und befürchtet, hatte im Unterbewusstsein bereits gemerkt, worauf dieser Besuch in der Höhle ohne jegliche Waffen hinauslaufen würde und das Gefühl der Angst dennoch verdrängt.
Einen halben Meter vor Rey stand die dunkle Version ihres Selbst mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen.
,,Du wirst mich nicht los, Rey, auch wenn du es dir noch so sehr wünschst", sprach sie. ,,Ich kann nicht verschwinden, wenn ich Du bin. Wenn ich ein Teil von dir bin und schon immer gewesen war. Gib auf, kleine Schrottsammlerin. Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen!"
,,Du bist nicht echt. Das hier ist nicht real", rief Rey, auch wenn sie wusste, dass das nicht zutraf. Diese Version ihres Ichs war echt, denn die Sith hatte Recht: diese dunkle Seite war ein Teil von ihr und würde es auch immer bleiben, egal wie stark sie dagegen ankämpfte. Rey sank verzweifelt zu Boden und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie wusste, irgendwann würde Palpatine gewinnen, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr Wille und ihre Kraft allmählich schwinden würden.
,,Ich kenne den Imperator wahrscheinlich besser als jeder andere, Rey, und ich kann dir sagen, dass du ihm nicht so leicht entfliehen kannst." Rey blickte überrascht auf und erblickte einen jungen Mann mit schulterlangen Haaren, der neben ihr saß. Ein Machtgeist.
,,Wer seid Ihr?", fragte Rey neugierig.
,,Mein Name ist Anakin Skywalker", sagte der Geist und sah sie an, ebenfalls mit Neugier in den Augen. ,,Und du bist die Enkeltochter des Imperators. Meine Kinder haben von dir erzählt."
,,Ich höre Sidious' Stimme in meinem Kopf. Ich sehe die dunkle Version meiner Selbst. Warum?", fragte sie. Vielleicht konnte Bens Großvater ihr die Antworten geben, die sie so dringend benötigte.
,,Das liegt daran, dass er es noch im Augenblick seines Todes geschafft hat, seinen Geist in deinen Körper zu übertragen. Als du Sidious vernichtet hast, hat es ein Teil seines Geistes geschafft sich abzuspalten und sich an das einzig lebende Wesen gehängt, dass zu dem Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe war. So hat ein Teil von Palpatine überlebt, in dem er deinen Körper als Wirt nutzt und ist so nach und nach erstarkt. Als er stark genug war, versuchte er, dich auf dem Todesstern zu manipulieren. Sidious hatte dich überrumpelt. Du konntest dich in den ersten Momenten seiner Kontrolle nicht entziehen. Aber wie du eben schon richtig geschlussfolgert hast: diese Dunkelheit ist ein Teil von dir", erklärte Anakin.
,,Und wie werde ich Palpatines Geist wieder los?", fragte Rey verzweifelt.
,,Es wird mit Sicherheit nicht leicht werden. Um Antworten zu finden, musst du in Aufzeichnungen der Sith suchen", Anakin schwieg kurz, bevor er fortfuhr: ,,Irgendwann hättest du dich wieder mit deinem dunklen Ego auseinandersetzen müssen, das ist klar. Nur hat Sidious diesen ganzen Prozess verschnellert und verstärkt. Er nutzt deine Ängste gegen dich. Und deine größte Angst, ist die Angst vor dir selbst."
,,Wovor hattest du solche Angst, dass du zu Darth Vader wurdest?", fragte Rey vorsichtig.
,,Ich hatte Angst, dass meine Frau Padmé stirbt. Ich hatte Visionen von ihrem Tod und wollte einen Weg finden, sie zu retten. Palpatine sagte mir, dass es einen Weg gebe. Ich vertraute ihm und ließ mich auf die Dunkle Seite der Macht ein. Letztendlich starb Padmé, weil ich die Seiten gewechselt hatte. Ich sah nicht, dass mein Weg auf die Dunkle Seite erst dazu geführt hatte, dass ich Padmé verlor. Ich sah nicht, dass die Macht, Leben zu retten, auf der Hellen Seite zu finden war."
Während Anakin von seiner Vergangenheit erzählte, spiegelten sich Trauer und Wehmut in seinen Augen. Einige Minuten schwiegen sie.
,,Du bist übrigens nur im übertragenen Sinne Palpatines Enkelin", brach Anakin irgendwann das Schweigen. Auf Reys verwirrten Gesichtsausdruck fuhr er fort: ,,Als Sidious den Reaktorschacht hinunter fiel, schaffte er es, seinen Geist in einen Klonkörper zu übertragen. Dieser Klon befand sich auf Exegol, aber dadurch, dass der Imperator wesentlich früher starb, als er erwartet hatte, war der Körper sehr schwach. Die Sith-Ewigen erschufen immer neue Klone, in der Absicht, einen Körper zu erschaffen, der sich als Gefäß für Palpatines Geist eignete. Der Klon, der am brauchbarsten für Sidious war, nannte er 'Sohn'."
,,Mein Vater", brachte Rey tonlos hervor.
,,Dein Vater schaffte es, zu fliehen und gründete einige Jahre später eine Familie. Und als der gefallene Imperator von deiner Existenz erfuhr, machte er Jagd auf dich."
Rey musste das Gehörte erstmal sacken lassen.
Ja, sie besaß die Gene des Sith, aber dennoch war sie rein biologisch gesehen nicht seine Enkelin, da ihr Vater nicht auf 'normale' Art und Weise entstanden war.
Wieder war es Anakin, der Reys Gedankengang unterbrach:
,,Du solltest jetzt mal deinen Kyberkristall finden", meinte er.
„Wie soll ich das schaffen, ohne dass ich wieder unterbrochen werde?", fragte Rey.
„Du warst zu unkonzentriert. Mache deinen Kopf frei von jeglichen Gedanken. Lasse dich von der Macht leiten." Mit diesen Worten verschwand Anakin und Rey blieb allein zurück, mit einigen Antworten, aber dennoch im Unklaren mit sich selbst.
Rey setzte sich wieder in die Mitte des Raumes und schloss die Augen.
Sie dachte an überhaupt nichts, machte ihren Geist frei, so wie Skywalker es ihr gesagt hatte.
Und wieder vernahm sie die Präsenz der Lebewesen in der Höhle und im Wald. Doch dieses Mal spürte sie auch das Pulsieren der Kyber an den Felswänden.
Sie wusste nicht, wie lange sie in tiefer Meditation dagesessen hatte.
Als sie die Augen wieder öffnete schwebte ein Kristall vor ihr auf Augenhöhe. Rey griff nach dem Stein, der immer noch, wie von Geisterhand gehalten, vor ihr schwebte. Als sie ihre Faust wieder öffnete, bemerkte sie, dass sich ihr Kristall gelb verfärbt hatte. ,,Wie die Schwerter der Tempelwachen ... ", flüsterte sie, während sie sich daran erinnerte, dass Leia ihr einmal erzählt hatte, dass die Lichtschwerter der Tempelwachen gelb gewesen waren.

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