Rückblick

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Die Monate vergingen, in denen Stephen und ich versuchten, meine Fähigkeiten unter Kontrolle zu bekommen, schwere Monate, die mich auf die Probe stellten in Weisen, die ich mir nie hatte ausmalen können. Egal, in welche Vergangenheit wir reisten, es wurde einfach nicht einfacher, Mom und Dad zu sehen und zu wissen, dass es alles bald wieder um sein würde. Und noch schlimmer: Ich konnte mich nicht hinter den Einwegspiegel stellen, wie Stephen es nannte und selbst tat. Die Menschen, denen ich auf meinen Zeitsprüngen begegnete, konnten mich immer sehen und ich konnte nichts dagegen tun. Egal, wie oft wir trainierten, egal welche Methode ich anwendete, ich hatte kein Glück und es änderte sich nichts. Ich war frustriert und wurde noch frustrierter mit jeder Übungseinheit, nicht einmal an meinem Geburtstag vor 5 Monaten hatte es hingehauen und ich hatte das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden.

Lustlos saß ich vor meinem Frühstück und starrte es an, als könnte es mir die Antwort auf all meine Probleme geben, doch wie zu erwarten war: konnte es nicht. Ich hatte in den letzten Monaten wirklich viel gelernt, und Stephen so viel in seinen Büchern gelesen, aber ich wusste einfach nicht, wie ich es abschaltete.

"Okay, ich habe eine letzte Idee. Du wolltest immer wissen, warum deine Mutter fremdgegangen ist, du hast es in ihrem Tagebuch gelesen, du weißt, an welches Datum du springen musst. Das ist eine Erinnerung, in der du definitiv nicht gesehen werden willst, weil du Informationen möchtest und gleichzeitig nicht willst, dass deine Mutter weiß, dass du es weißt. Das ist unsere letzte Möglichkeit, ich weiß nicht mehr weiter, es tut mir leid, Becca."

Ich schaute trübselig auf und direkt in seine Augen. Er schaute mich bemitleidend an, doch wenn er dachte, dass es eine gute Idee war, dann bitte. Ich verstand seine Logik dahinter, wusste aber nicht, ob es funktionieren würde. Schnell schloss ich meine Augen und dachte an Moms Tagebucheintrag und das Datum, welches dabei gestanden war, als sie niedergeschrieben hatte, dass sie sich in den blonden Maximoff verliebt hatte. Die Welt drehte sich und ich stand im Tower. Das Stockwerk war ruhig, von draußen fiel der sanfte Strahl des Mondes herein in den Flur, der spärlich beleuchtet war in der Nacht. Langsam machte ich meinen Weg zu der Türe, hinter der das Apartment meiner Eltern lag, und öffnete sie, als ich direkt davor stand. Der Wohnbereich war ebenfalls nur noch spärlich beleuchtet und ich sah den blonden Russen vor der Schlafzimmertür sitzen, wie er die Türe musterte. Noch im selben Moment hatte ich Angst, dass er mich gesehen hatte und wollte mich erklären, doch er schien mich nicht zu bemerken. Hatte ich es endlich geschafft?

"Piet?" hörte ich Moms Stimme und der Blonde schaute auf, bevor er aufstand und die Tür öffnete.

"Brauchst du was?" fragte er leise und sanft. Ich hörte sofort, dass Mom ihm viel bedeutete. Langsam ging ich weiter darauf zu, damit ich besser mitbekam, was passierte.

"Kannst du dich zu mir legen?" hörte ich Mom erneut, sie klang nicht fit. Ihre Stimme war belegt und sie hörte sich an, als würde sie weinen.

"Natürlich." stimmte Pietro ihr zu und ich folgte ihm nach drin. Er schien mich wirklich nicht zu bemerken und auch Mom tat es nicht. Warum funktionierte es jetzt auf einmal? Weil es nicht meine eigenen Erinnerungen waren, die ich erkundete?

Als ich das Zimmer betrat, sah ich Mom auf dem Bett liegen und in sich zusammen gekauert. Sie weinte also wirklich und mir fiel ein, was ich noch in dem Eintrag gelesen hatte.

Clint hat mich heute geschlagen. Schon wieder, aber diesmal war es nicht nur einmal, er hätte mich zu Tode geschlagen, wären Steve und Wanda nicht dazwischen. Er ist nicht mehr er selbst und es scheint als gäbe es nichts, was ich für ihn tun kann. 

Dad war gerade in seiner schlimmsten Zeit angelangt. Ich stellte mich neben die Kommode unter dem Fenster und schaute besorgt in Richtung Bett.

"Du weinst immer noch?" fragte Pietro meine Mutter nun besorgt nachdem sie sich an ihn gekuschelt hatte und er sanft ihren Rücken streichelte. Ich hörte, wie sie nickte, ihr Gesicht an seine Brust gedrückt. "Wann hast du das letzte Mal was getrunken? Du musst deinen Wasserhaushalt ausgleichen."

Remember who you are [Fortsetzung zu Ordinary Girl]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt