Zu Besuch

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Becca POV

"Hey Mom, Hey Dad."

Ich warf meinen Rucksack neben den Grabstein und ließ mich mit dem Rücken an dem Stein herab sinken. Das kühle Marmor kribbelte auf meiner Haut, aber nicht auf einer unheimlichen Art und Weiße. Es fühlte sich gut an, ich war Zuhause. Dort, wo mein Herz aufhören konnte zu bluten und wo ich mich nah zu meinen Eltern fühlte.

"Die Schule war heute richtig scheiße..." seufzend lehnte ich mich zurück und sah über meine Schulter auf den Stein, lächelte kurz, drehte den Kopf wieder nach vorn und schluckte. "Ich hab eine Verwarnung bekommen und noch keine Ahnung, wie ich Onkel Steve davon erzählen soll. Bucky wird zwar dann wieder mit der Pupertätsnummer kommen, aber ich denke nicht, dass das noch hunderte weitere Male zieht. Ich glaube, dass er sich manchmal wünscht, dass ich das stumme, ruhige Kind geblieben wäre, aber ich weiß einfach nicht wohin mit meiner Wut."

Erneut seufzte ich und schloss meine Augen und lehnte meinen Kopf an den Stein hinter mir. Jeden zweiten Tag war ich hier, hinter Steves Rücken, er würde mir das niemals erlauben. 10 Jahre war es nun schon her und man dachte, dass es mit der Zeit besser werden würde, aber mein Schmerz war immer noch so schlimm wie vor 10 Jahren und Steve wurde mit jedem Tag schlimmer, verbat mir mehr und ließ mich nichts mehr tun. Hier fühlte ich mich einfach wohl. Mom und Dad waren vielleicht nicht hier, aber sie waren da. Und wenn ich mich völlig übermüdet an ihren Grabstein lehnte, fühlet es sich so an, als würden sie die Arme um mich legen und mir sagen, dass dieser Tag schnell vorbei ginge und der Nächste besser werden würde.

Steve und Bucky hatten heute morgen irgendwas von einem wichtigen Gespräch erzählt, bei welchem ich nicht dabei sein durfte, deswegen wollten sie, dass ich den späteren Bus nahm und in der Schule meine Hausaufgaben machte. Fand ich auch ganz klasse. So konnte ich länger hier bleiben, denn um nichts in der Welt würde ich freiwillig länger in der Schule bleiben.

Die Wolken zogen sich zusammen und verdunkelten den Himmel. An sich nichts schlimmes, ich mochte es, wenn die Sonne nicht schien, das repräsentierte meine Stimmung sehr gut und Regen war beruhigend, aber wenn ich wieder mit nasser Kleidung heimkommen würde, dann wäre die Hölle los. Ob sie Zuhause waren oder nicht, Steve roch sowas. Tausende Meilen entfernt und gegen den Wind. Er war zu einer totalen Übermutti geworden. Ja, Übermutti. Er war nicht mehr männlich, so sehr sorgte er sich um mich, obwohl sorgen auch übertrieben war, er hatte eher den Zwang entwickelt, mich zu kontrollieren. Jede Schulpause zwei Anrufe. Und wehe ich ging nicht ans Telefon, dann tauchte er auf. Ich verstand ja, dass Mom ihm gesagt hatte, er solle auf mich aufpassen, aber das ging einfach zu weit, das war einfach nicht mehr normal. Meistens versuchte Bucky ihn verzweifelt davon abzubringen, aber Buck war nicht immer in der Nähe. Mom und Dad auch nicht. Eigentlich schon viele Jahre nicht mehr. Aber ich wollte nicht schon wieder mit den Gedanken abschweifen, ich musste nach dem Gespräch Natasha aufzusuchen. Seit ein paar Tagen hatte ich diese seltsamen Träume und zu Steve konnte ich damit nicht, ich konnte mit nichts zu ihm, mit ihm redete ich immer noch nur, wenn es wirklich nötig war. Zu James auch nicht, dazu fühlte es sich einfach nicht richtig an, auch wenn er immer für mich da war und mich nie aufgegeben hatte. Und Wanda war nicht da, Strange würde mich für verrückt halten, zumindest auf eine komische Art und Weise anschauen, denn irgendwie war er zu meinem engsten Freund geworden, und mehr Familie hatte ich einfach nicht.

Ich hatte auch keine Freunde, zu denen ich gehen konnte, wenn es mir schlecht ging, ich war in der Schule nicht gerade beliebt oder sozial, um mal am Problem anzufangen. Entweder war ich alleine, oder ich hatte diese fünf Menschen. Aber die mussten auch nicht alles wissen. Es war schon völlig ausreichend, dass Bucky in meinen Augen sehen konnte, wie es mir wirklich ging und Wanda vermutlich konstant meine Gedanken ließ. Schlimm genug, dass ich mich davor nicht schützen konnte, aber ich konnte überhaupt nicht einschätzen, ob sie es ausnutzte, um mich bei Steve zu verpfeifen. Ich vertraute inzwischen niemandem mehr.

Remember who you are [Fortsetzung zu Ordinary Girl]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt