That heart is so cold

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Ich hörte ihn. Ich hörte ihn jeden Tag. Ich schaltete das Radio ein und da war er. Ich schaltete den Fernseher ein und da war er. Ich konnte nicht einmal ins Ausland fahren, ohne mit seiner Musik konfrontiert zu werden. Das war wohl der Nachteil an einem berühmten Ex. Heute wünschte ich mir, ich hätte mir früher darüber Gedanken gemacht, wie mir eine Trennung selbst Jahre später noch zusetzen würde. Trotzdem war dieser Nachteil größer als ich je hätte vermuten können. Er war so groß, dass ich mich nur in einem Zimmer verkriechen und nie wieder herauskommen wollte. Doch selbst dort vernahm ich noch ein leises Säuseln und die eingängige Melodie aus dem Radio in der Küche.
Danke Ma!
Sie wusste genau, dass ich ständig an ihn dachte - immer noch. Und doch schürte sie weiterhin die heiße Glut, die sich jedes Mal in meinem Innern ausbreitete, wenn auch nur sein Name fiel.
»Don't f*** with my love, that heart is so cold. All over my arms, I don't wanna know that, babe!«
Ich vergrub meinen Kopf unter meinem Kissen, um auch die letzten Töne zu unterdrücken.
Keiner will etwas von deinem Liebesleben wissen!, schrie ich in Gedanken das Radio an, das nun sogar noch lauter zu werden schien.
Denn mein berühmter Ex-Freund war niemand geringeres als Edward Christopher Sheeran, welcher, mit jedem Tag der verging, berühmter wurde.
Endlich endete das Lied in der Küche und kurze Stille trat ein, in der wohl der Moderator den nächsten Titel ankündigte. Kurz darauf erklangen die ersten Töne von Michael Bublés It's a Beautiful Day. Wie passend.
Ich erhob mich aus meiner Liegeposition, warf das Kissen aufs Bett und steckte mein Handy in die hintere Hosentasche, bevor ich in die Küche eilte.
Dort blieb ich stehen und beobachtete wie meine Mom völlig aus dem Takt hüpfte und mitsang. Ich schlug mir in Gedanken meine Hand gegen die Stirn und murmelte genervt: »Womit habe ich das nur verdient?«
»Willst du irgendwohin, Ruby?«, fragte Mom, nachdem sie mich schließlich bemerkt hatte und nun zusah wie ich mir meine geliebten, weißen Dr. Martens anzog.
»Nur raus mit Sus«, antwortete ich kurz angebunden und war auch schon zur Tür hinaus. Susi ›Sus‹ war meine beste Freundin, aber auch selbsternannte Lehrerin, Lebensberaterin, Psychiaterin und was ihr sonst noch so gerade in den Sinn kam. Sie war zwar bereits 30 - und damit zehn Jahre älter als ich - aber sie verstand mich besser als jeder andere. Auch wenn sie in diesem Alter nicht übermäßig viel Lebenserfahrung hatte, fand sie, dass sie schon Kenntnisse über alles hatte, was es wichtiges zu wissen gab. Vor allem weil sie schon jegliche Arten von Beziehungen durchlebt hatte; Hetero-, Homo- und Transsexuelle, die nochmal in Schlägertypen, Machos, Charmeure, wirklich unheimliche Gangster, Emos, Punks und Straßenkids unterteilt waren. Es war beinahe unmöglich einen Menschen mit einem Lebensstil zu finden, mit dem sie noch keine Beziehung geführt hatte.
Zu allem Überfluss riet sie mir immer wieder mich endlich von Ed zu trennen (Haha, da war er mir schon vier Jahre zuvor gekommen).
»Hey Sus«, begrüßte ich sie seufzend, als ich in die Gasse einbog in der wir uns immer trafen. Sie lag genau in der Mitte unser beider Häuser - 967 Meter von mir, 967,5 Meter von ihr entfernt. Diese Messung hatte ein paar Monate nach unserem Kennenlernen in dem Café gegenüber unseres Hauses stattgefunden und der Streit um den halben Meter war enorm gewesen. Am Ende gewann ich zwei von drei Runden Stein-Schere-Papier und Sus musste einen halben Meter weiter laufen.
»Oh Baby, kam Eddi wieder im Radio? Ich hab dir doch geraten es abzuschalten«, entgegnete sie, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Manchmal war es schon fast gruselig wie gut sie mich kannte.
»Wenn Mom mir nicht in den Rücken fallen würde, wäre das auch kein Problem. Und als wäre das nicht schon genug, spielten die auch noch It's a beautiful Day.«
»Ouch, das ist hart. Wusstest du, dass Ed wieder nach London kommt?«
»Ja«, grummelte ich. Ich lehnte mich an die bröckelnde Hauswand, rutschte an ihr herunter und ließ meinen Kopf in den Händen versinken. »Das ist echt fies, wieso passiert ausgerechnet mir so etwas? Ich war gut in der Schule, ich studiere vorbildlich, ich helfe an Weihnachten in einem verdammten Obdachlosenheim und ich kümmere mich um meinen dementen Grandpa! Also was habe ich falsch gemacht, dass ich so bestraft werde?«
»Du hast dich ganz einfach in den falschen Typen verguckt«, kommentierte meine beste Freundin schulterzuckend und gesellte sich zu mir.
Aber ich hatte mich nicht einfach nur verguckt.  Meine Beziehung zu Ed hatte angefangen, lange bevor wir ein Paar gewesen waren. Wir wuchsen in der selben Kleinstadt auf und gingen sogar jahrelang auf dieselbe Schule. Allerdings sind wir keine Kindheitsfreunde oder so gewesen - tatsächlich kannte ich ihm nur vom Vorübergehen. Abgesehen davon war ich damals auch noch nicht in dem Alter gewesen, in dem ich mich sonderlich für Jungs interessiert hätte. Erst als ich mit meiner Familie dann nach London zog, haben wir uns wiedergesehen. Ich habe ihn damals nicht einmal wirklich erkannt. Aber ab diesem Zeitpunkt begannen wir uns immer öfter zu sehen und schließlich verliebten wir uns sogar ineinander. Allerdings war dies auch gerade die Zeit, in der seine Musik immer besser und bekannter wurde. Bald darauf veröffentliche er Plus und aus dem heimatlosen Jungen, der von Sofa zu Sofa zog, wurde ein kleiner Star und er hatte zwischen Touren und Studiobesuchen keine Zeit mehr für seine Kleinstadtfreundin. Schließlich trennte er sich aus heiterem Himmel von mir und ich verwandelte mich in ein nerviges Häufchen Elend, das von seiner besten Freundin und großen Schwester immer wieder aufgemuntert werden musste. Den Grund für seine plötzliche Trennung kannte ich jedoch bis heute nicht.
»Manchmal frage ich mich, ob manche seiner Lieder von mir handeln. Aber im nächsten Moment bezweifle ich schon, dass er überhaupt noch weiß er wer ich bin. Wir waren schließlich nur zwei Jahre zusammen und das ist bereits vier Jahre her.«
»Nur zwei Jahre? Das ist länger als jede meiner Beziehungen andauert. Nein, er hat dich schlicht und einfach nicht mehr gebraucht, über seinen ganzen Erfolg hinweg. Außerdem solltest du dich freuen ihn los zu sein; er hat dir nicht gut getan. Immerhin habt ihr euch kaum gesehen, weil er immer Auftritte hatte oder auf Tour war. Ich hab dich damals erlebt und du warst eigentlich ständig unglücklich. Glaub mir, ich hatte auch schon 'ne Fernbeziehung und es ist nicht besonders romantisch jeden Abend eine halbe Stunde mit 'nem Typen zu telefonieren, der gerade am anderen Ende der Welt lebt und dich mit 'ner anderen betrügt. Vergiss ihn einfach. Außerdem hilft es dir nicht weiter, dich bis an dein Lebensende in Selbstmitleid zu suhlen, denn so wirst du nicht glücklich.«
Am Anfang unserer Freundschaft hat es mich immer verletzt, dass Sus so ernüchternd ehrlich war, aber über die Zeit hatte ich gelernt ihre Art zu verstehen und sogar zu schätzen. Heute wüsste ich nicht wie ich die Trennung ohne ihre Ratschläge überstanden hätte.
Ich hob den Kopf und sah meine Freundin mit erhobenen Augenbrauen an. »Was denkst du, versuche ich die ganze Zeit? Nur geht das nicht, wenn jedes einzelne Lied von Multiply andauernd im Radio läuft und jeder Fernsehsender bringt, dass er demnächst wieder nach London kommt«, stöhnte ich und ließ meinen Kopf wieder in die Hände sinken.
Ich spürte wie Sus sich neben mir niederließ und die Hand auf meine Schulter legte. »Was wenn ich einen neuen Typen für dich finde? Einen, der für dich da ist und dich nicht verlässt wie dieser Arsch von Ed Sheeran?«
»Ich weiß nicht Sus, ich bin nicht bereit für-«
»Sag es nicht! Sag nicht: Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung. Das ist völliger Blödsinn und das weißt du auch. Das mit Ed ist schon vier Jahre her und du hattest seitdem keine feste Beziehung. Es wird endlich Zeit, dass du loslässt, Ruby!« Sie sah mir bettelnd in die Augen - ein Blick aufgesetzt, der jedem Welpen Konkurrenz machte. Zudem zog sie wie wild an meinem Arm, als wollte sie mich sofort in ein Restaurant schleifen, um mich dort an einen Tisch mit dem erstbesten Typen zu setzen. Da ich wusste, dass man sie kaum umstimmen konnte, wenn sie sich einmal etwas in dem Kopf gesetzt hatte, ließ ich mich schließlich breitschlagen.
»Na schön, aber er darf kein Sänger sein, keine Tattoos haben und darf auch sonst kein bisschen wie Ed aussehen. Ich sage dir, wenn der Typ auch nur den geringsten Schimmer von rotem Haar aufweist bin ich weg!«, setzte ich voraus und meine Stimmung besserte sich ein wenig.
»Verstanden. Aber nur unter einer Bedingung: Ihr geht zu Eddis Konzert! Er ist nächsten Mittwoch hier und ich will, dass du es ihm beweist. Ich kauf dir Backstage-Tickets und dann zeigst du es ihm so richtig!«
»Sus ... Ich finde das ist keine gute Idee. Wenn ich ihn sehe kommen vielleicht alte Gefühle in mir auf. Außerdem will ich ihn auch gar nicht sehen.«
»Wie bitte? Das klingt ja so, als hättest du deine Gefühle abgeschottet.« Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Also komm, lass mich dich verkuppeln«, flehte Sus und zog erneut demonstrativ an meinem Arm, bis ich mich einverstanden erklärte.
»Ich wette du hast schon jemanden gefunden?«
Sie grinste hämisch. »Oh ja. Er heißt Noe Fernandez und seine Eltern sind Spanier. Er ist in Deutschland aufgewachsen und ist in einer Gang ...« Sie machte eine Pause und wartete meine Reaktion ab.
Spanier - toll. In einer Gang - nicht so toll. Ich wog die zwei Tatsachen ab und entschied mich es zu versuchen. Was hatte ich zu verlieren?
»Also gut. Hat er Tattoos?«
Sie sah kurz verlegen nach unten. »Nur Gang-Tattoos. Aber nicht die kompletten Arme tattoowiert, also reg dich bitte nicht auf.«
Ich atmete tief durch, entgegnete aber nichts.
»Sehr gut, dann ruf ich ihn an und erzähle ihm von dir.«

Everything Has Changed || Ed Sheeran ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt