The Bar is where I go

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Drei Wochen waren seit dem Konzert vergangen. Ed war jetzt mittlerweile in Hong Kong oder so und setzte seine Tour fort. Hatte ich erwartet, dass er mich anrufen würde? Oder sogar wegen mir in London bleibt? Typisch Ruby, total naiv.
»Denkst du immer noch an Eddie?«, fragte mich Sus, die mir in unserem Stammcafé gegenüber saß.
Ich nickte, wohlwissend dass sie mir einen tödlichen Blick zuwerfen würde. Und das tat sie auch.
»Ich weiß, ich sollte nicht. Ich habe mich nur gefragt ob er für mich hier geblieben wäre oder mich angerufen hätte, wenn er meine Nummer haben würde.«
Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Bestimmt nicht. Tut mir leid, dass das so hart kommt, aber du musst vielleicht einfach begreifen, dass er nichts mehr von dir will. Du hast doch Noe! Er ist so süß.«
»Nimm du ihn doch, wenn du ihn so toll findest.«
Sus schüttelte den Kopf. »Bin bin grad nicht so auf dem Hetero-Trip. Ich wollte es mal wieder mit 'nem Mädchen versuchen.«
Ich rutschte provozierend, ein Stück vom Tisch weg. »Schwebt dir schon jemand vor?«
Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Keine Sorge, du bist meine beste Freundin. Aber deine Schwester ...«
»Terry?«, krächzte ich und erhaschte ein paar wütende Blicke von einigen Gästen.
»Aber ich dachte sie will zur Zeit keine Freundin«, fuhr ich etwas leiser fort. Ich wusste, dass meine Schwester auf Frauen stand, aber Sus? Das fühlte sich für mich irgendwie falsch an.
»Was nicht ist kann ja noch werden. Außerdem bist du hoffnungslos in einen Weltstar verschossen, also lass mir die Schwärmerei für deine Schwester.«
»Terry«, wiederholte ich kopfschüttelnd.
Sie zuckte mit den Schultern und trank weiter ihren Kaffee.
Mein Handy vibrierte. Ich sah auf den Display:
12 neue Nachrichten
Ich entspeerte das Muster und klickte durch meine WhatsApp Chats, um zu sehen wer mir geschrieben hatte.
»Eine Nachricht von Noe«, verkündete ich und las sie schnell durch. »Er will heute mit mir ausgehen, wird 'ne Überraschung.«
Susi war sofort begeistert. »Wie romantisch! Vielleicht nimmt er dich mit in den Park, oder ihr geht schick essen oder auf den Friedhof.« Bei dem letzten Vorschlag wackelte sie mit den Augenbrauen, als Anspielung auf Ed und mein erstes Date.
»Mal sehen«, gab ich zurück und schrieb Noe, dass er mich um acht abholen sollte.

»Sag schon, wo fahren wir hin?«, bettelte ich, während ich nun seit gefühlten Stunden, mit verbundenen Augen, in Noe's Auto saß. Er wollte mir einfach nicht verraten, wohin wir fuhren, obwohl er wusste, dass ich Überraschungen hasste. Bei unserem letzten Date hatte er mich mit selbstgemachten Kartoffelauflauf überrascht und ich wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Allergie auf Erdnüsse.
Wer machte bitte Erdnüsse in Kartoffelauflauf?
Seitdem wusste er, dass man mich nicht überraschen sollte, aber von dieser hier war er wirklich überzeugt.
»Wir sind da«, sagte er. Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
Selbst wenn die Überraschung nicht glücken würde, würde ich mich freuen. Denn ich liebte dieses schiefe Lächeln an ihm, dass er immer aufsetzte wenn ich mich freute.
»Kann ich die Augenbinde abnehmen?«
»Kleinen Moment noch.« Noe nahm meine Hand und führte mich ein Stück den Gehweg entlang. Ich hörte die Geräusche der Stadt - die Autos, Straßenbahnen und Musik aus den Clubs.
The City never sleeps.
The City. Ed Sheeran. Ich musste diesen Typen aus meinem Kopf bekommen.
Noe öffnete eine Tür und ich spürte warme Luft auf meiner Haut. Ich hörte Gläser klirren und jemanden Almost Lover von A Fine Frenzy singen. Aber es war keine Band und gesungen wurde zu einem Playback ...
»Wir sind in einer Karaokebar!«, stellte ich fest und riss mir die Augenbinde vom Kopf. Ich hatte mich schon immer für Karaokebars interessiert, war aber noch nie in einer gewesen. Die ganzen Leute, die sangen und ihre ganz eigenen Interpretationen in die Lieder einbrachten ... Es war fantastisch.
»Ich dachte mir, weil du bei dem Konzert so gut gesungen hast könnest du das ja nochmal freiwillig machen. Gefällt es dir?«
»Ich werde bestimmt nicht singen«, legte ich fest, beobachtete aber immer noch die Frau auf der Bühne, die eben beim letzten Refrain war. Dann drehte ich mich zu Noe. »Aber ja, es gefällt mir.«
Er schien überglücklich zu sein, denn er strahlte über das ganze Gesicht. Dann nahm er mich kurz in den Arm und führte mich zu einem runden Tisch, in der Mitte des Raums. Ein älterer Mann hatte sich jetzt auf die Bühne gestellt und sang einen, mir unbekannten, Schlager. Einige der Leute wippten mit und ich war total begeistert davon.
»Zwei Cola, bitte«, bestellte ich bei der Kellnerin, doch Noe unterbrach mich.
»Das wird storniert, wir nehmen zwei Sekt.«
Ich sah Noe fragend an.
»Du sagtest du wirst nicht singen, also mache ich dich betrunken und wir sehen dann nochmal.«
»Das ist fies! Ich bin nicht trinkfest!«
»Genau darum«, gab er zurück und wackelte mit den Augenbrauen.
Ich boxte ihm spielerisch gegen die Schulter.
Er packte meine Faust und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Ich lächelte ihn an, doch bevor er etwas sagen konte, kam schon die Kellnerin mit den Sektgläsern. Sie stellte jedem von uns eins hin.
»Warst du schon mal richtig betrunken?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann wird es Zeit.« Er grinste breit und tippte auf mein Glas. »Auf ex.«
»Na schön.« Ich setzte das Glas an meinen Mund und kippte es hinter.
Stolz schaute ich zu Noe, der mir sein Glas zuschob und zwei Whiskey bestellte.
»Trink!«
»Willst du mich betrunken machen, um mit mir ins Bett zu kommen?«, fragte ich feixend und sah ihn gespielt misstrauisch an.
Er grinste noch breiter, schüttelte aber den Kopf. »Ich will dich nur singen hören.«
»Ich werde nur noch lallen, wenn ich da oben stehe. Aber wenn du dich selbst blamieren willst ...« Ich nahm sein Sektglas und schüttete es in mich hinein. Die Kohlensäure blubberte in meinen Bauch.
»Ihr Whiskey«, sagte die Kellnerin und stellte die zwei Gläser vor Noe und mich.
»Ich hab noch nie Whiskey getrunken.«
»Habe ich mir gedacht.«
Ich zuckte mit den Schultern und nippte an dem Glas. Er schmeckte bitter, aber trotzdem kippte ich den kompletten Inhalt hinter.
»Wow«, sagte Noe begeistert.
Ich trank noch sein Gals und stellte es klirrend auf den Tisch.
»Ist dir schon warm im Bauch?«, fragte er schmunzelnd.
»Etwas«, antwortete ich. Ich war auf jeden Fall noch nicht betrunken.
»Ich hätte gedacht, als Ex von Ed Sheeran trinkt man mehr. Immerhin war er oft weg.«
»War er. Aber ich bin eher der Schoko-Typ.«
Noe nickte. Er wechselte schnell das Thema, als er meinen betrübten Blick sah. »Willst du singen?«
Ich war zwar nicht blau, aber ich hatte wirklich Lust mich auf die Bühne zu stellen und in den Raum zu gröhlen.
»Will ich!«, stimmte ich zu und stand auf, um mich bei dem DJ anzukündigen, der neben der Bühne stand und die Tracks auswählte.
»I bet my life von Imagine Dragons«, rief ich ihm zu und stellte mich auf die Bühne.
»I know I took the path, that you would never want for me / I know I let you down, didn't I / So many sleepless nights where you were waiting up on me ...«, sang ich und dachte dabei bei jedem einzelnen Wort an Ed. Beim Refrain sangen alle mit und es machte einfach riesigen Spaß. Ich war nicht die beste Sängerin, das war mir vollkommen klar, aber alle Gäste fieberten und sangen mit und ich hüpfte über die Bühne. Noe war überglücklich, dass ich sang und er mich dazu bringen konnte, ohne dass ich komplett betrunken war.
Als ich fertig war klatschten alle und lachten und gaben mir High-Fives, als ich von der Bühne ging. Dieses Gefühl war unverbesserlich.
»Es war fantastisch«, sagte Noe, als ich wieder neben ihm saß. Es hatte sich schon der nächste auf die Bühne gestellt und begann It's a beautiful Day zu singen. Diesmal passte es allerdings perfekt.
»Danke, dass du mich mitgenommen hast.«
Ich beugte mich zu Noe und schlang meine Arme um seinen Hals, um ihn zu umarmen. Doch er nahm stattdessen mein Gesicht in seine warmen Hände und küsste mich. Ich schloss lächelnd die Augen und schmiegte mich an ihn. Es tat gut jemanden zu haben, der für mich da war. Er strich mit einer Hand über meinen Rücken, mit der anderen umfasste er immer noch mein Gesicht. Ich rückte etwas näher an ihn und als er sich von mir löste, ließ ich die Augen weiter geschlossen, legte meinen Kopf an seine Brust und lauschte der Musik.
Ich bemerkte kaum, wie ich einschlief und Noe zahlte und mich in sein Auto trug. Er fuhr mich nach Hause und legte mich ins Bett. Er verabschiedete sich mit einem Kuss auf meinen Schläfen.
Ich träumte die ganze Zeit von Karaokebars und wie ich sie alle mit meinen schlechten Gesangskünsten eroberte.

Als ich am nächsten Tag erwachte, entdeckte ich einen Zettel neben meinem Kissen.

Du hast echt toll gesungen, vielleicht hat Sheeran dir bei einer Sache doch gut getan. Ich hoffe das wird jetzt zur Gewohnheit ;-)
Noe

Ich lächelte in mich hinein und rief ihn an.
»Noe?«
»Ruby
Ich grinste breit.
»Das wird zur Gewohnheit.«

Everything Has Changed || Ed Sheeran ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt