Es dauerte drei Tage bis Noe endlich wieder auf den Beinen war. Seit dem Abend in der Karaokebar hatten wir nicht mehr miteinander geredet.
Ich saß gerade in meiner zweiten Vorlesung an diesem Tag und war kurz vor dem Einschlafen während unser Professor ausführlich über Charles Dickens A Tale of two Cities schwadronierte, als mein Handy vibrierte und mich aus dem Gedöse weckte. Ich schreckte hoch und sah auf das Display.Noe:
Heute Abend Pizza? ;)Ich lächelte in mich hinein, wenigstens schien er mir nicht böse zu sein und ich musste ihm noch dringend von meinem Erlebnis mit Ed erzählen. Ich hatte schon seit Tagen Schuldgefühle, weil es mir vorkam als hätte ich Noe betrogen, dabei waren wir a) gar nicht zusammen und b) war nichts zwischen Edward und mir passiert, das hätte Schuldgefühle auslösen können. Trotzdem ...
Pizza!
Tippte ich deswegen und schob mein Smartphone zurück in meine Hosentasche. Das würde das Highlight meines Tages werden und ich freute mich schon regelrecht auf den Abend.
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Die Vorlesung schien sich eine Ewigkeit hinzuziehen bis uns der Prof endlich erlöste und wir uns schleppend nach draußen bewegten. Mittlerweile war Hochsommer und obwohl es in London nie so richtig sommerlich zu werden schien, hatte der Dauerregen für den heutigen Tag mal ausgesetzt und die Sonne strahlte über der Stadt und ließ den Asphalt unter meinen Füßen glitzern. Ich beschloss den restlichen Tag zu nutzen, holte mir einen Café to go und lief an der Themse entlang. Auch wenn die Stadt oft vom Regen durchflutet wurde und vom hektischen Umhergetobe der Menschen unattraktiv wirkte, waren die warmen Frühlings- und Sommertage umso schöner.
London calls me a stranger, a traveller. This is now my home.
Unbewusst kamen mir die Worte aus The City in den Sinn und ich musste lächeln. So sehr ich diesen Mann auch versuchte zu hassen, kam ich einfach nicht darüber hinweg mir immer wieder bestimmte Songtexte ins Gedächtnis zu rufen.•
5 Jahre zuvor
»Alles Gute zum Geburtstag, Rubyred«, flüsterte Ed und nahm die Hand von meinem Gesicht. Ich lächelte und öffnete die Augen. »Ein Picknick!«, rief ich und mein Lächeln wurde breiter, als ich an unser erstes Date zurückdachte.
»Ich musste dir doch etwas besonderes bieten, man wird schließlich nicht jeden Tag 16!«, schmunzelte Ed und setzte sich auf die rot-weiß-karierte Decke. Wir befanden uns auf einer grünen Wiese am Ufer der Themse und die Sonne strahlte auf uns herab. Es war einer der selten schönen Sommertage Londons und das gerade an meinem Geburtstag.
»Die Sonne strahlt heute nur für dich«, murmelte Ed, als hätte er meine Gedanken gehört. Er lag auf dem Rücken, stützte sich auf die Ellenbogen und streckte sein Gesicht in Richtung der Sonne. Seine Sommersprossen schienen sich mit jeder Sekunde zu vermehren und das Licht ließ seine Haare strahlen wie die Flammen eines lodernden Feuers.
Ich setzte mich neben ihn, hätte Stunden damit verbringen können ihn auf diese Weise zu bewundern.
Er ist so wunderschön.
Plötzlich öffnete er ein Auge und kleine Grübchen bildeten sich, als er grinsend, aber im tadelnden Tonfall sagte: »Hör auf mich anzustarren und iss, Rubyred!«
Eine tiefe Röte stahl sich in meine Wangen und ich hatte das Gefühl ertappt worden zu sein.
Edward pflückte eine Weintraube und hielt sie mir vors Gesicht. »Mund auf«, flüsterte er und ich gehorchte bereitwillig. Er schob sie mir in den Mund, wobei seine Finger einen Moment zu lang an meinen Lippen ruhten. Dann fuhr er mit den Fingern meinen Kiefer entlang und nahm eine meiner roten Haarsträhnen zwischen die Finger.
»Wie flüssige Rubine«, hauchte er.
Ich schluckte schwer, mein Herz klopfte bis zum Hals und schien jeden Moment aus der Brust springen zu wollen. Trotz der anderthalb Jahre, die wir nun schon zusammen waren, hatte er nach wie vor diese Wirkung auf mich.
»Ich liebe dich«, sagte ich, lehnte mich vor und legte meine Lippen ganz sanft auf seine. Es war ein unheimlich süßer Kuss, nur eine leichte Berührung unserer Münder, in der aber so viel Dankbarkeit lag wie ich aufbringen konnte.
Als ich mich wieder zurück lehnte, hatte Ed immer noch die Augen geschlossen, das scheinbar nie verblassende Lächeln auf seinen Lippen.
»Komm, essen wir«, sagte er schließlich und ich stimmte bereitwillig zu. Ich hatte lange keinen so schönen Geburtstag wie diesen verbracht und wünschte der Tag würde niemals enden.•
Ich musste heftig schlucken, als ich an meinen 16. Geburtstag zurückdachte. Es war der letzte Geburtstag bei dem das Wetter so gut gewesen war. Der letzte den ich mit Ed zusammen gefeiert hatte.
Während ich über die Themse blickte und die lachenden, lesenden, schlafenden, sich erholenden Menschen beobachtete, vermisste ich ihn schrecklich.
Ich seufzte. Ich musste die Vergangenheit hinter mir lassen und durfte nicht ständig über die vergangenen Zeiten nachdenken, sonst würde ich nie über Ed hinwegkommen.
Mit gerunzelter Stirn machte ich kehrt und lief zurück in die Stadt, wo es langsam Zeit wurde mich auf mein Treffen mit Noe vorzubereiten.•
Edwards Sicht:
Ich erinnerte mich an den letzten Sommertag, den ich auf dieser Wiese, an diesem Fluss, in dieser Stadt verbrachte hatte. Damals war ich noch mit Ruby zusammen gewesen und ich dachte, das Leben könne nicht besser werden. Ich hätte am liebsten immer mit ihr auf dieser Picknickdecke sitzen und sie beobachten können wie sie in der Sonne strahlte. Ihre Haare in der Farbe von flüssigem Rubin und ihre wunderschönen Augen - die sie immer gehasst hatte - glitzerten wie auch das Wasser der Themse in der Sonne glitzerte. Ich hatte sie geliebt wie nie ein Mädchen zuvor oder danach, aber gerade in diesem Moment war meine Liebe zu ihr so stark gewesen, dass es fast körperliche Schmerzen verursacht hatte.
Ich blinzelte während die Erinnerung langsam verblasste und ich mich versuchte wieder auf meine Gitarre zu konzentrieren.
I'm in love with your body.
Die erste Zeile eines Songs der mir schon seit Wochen auf der Zunge lag, mir aber einfach nicht über die Lippen kommen wollte.
Auch wenn ich es nicht zugeben wollte wusste ich, dass nur die Begegnung mit Ruby daran Schuld war, dass ich das Phantom eines Songs endlich in Worte fassen konnte.
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Everything Has Changed || Ed Sheeran ✔️
Fanfic»Ich hörte ihn. Ich hörte ihn jeden Tag. Ich schaltete das Radio ein und da war er. Ich schaltete den Fernseher ein und da war er. Ich konnte nicht einmal ins Ausland fahren, ohne ihn zu hören.« Wenn man abserviert wird will man sich eigentlich von...