EPILOG

544 20 1
                                    

Sanft küsste die aufgehende Sonne Lucys geschlossenen Augenlider und ließ dabei ihre Strahlen auf den Hügel vor ihr fallen.

Auch wenn der Tau noch an einzelnen Gräsern hing und die Blüten zum schillern brachte, war es warm genug, um barfuß und im Nachthemd den neuen Tag zu genießen.

Als die junge Frau ihre Augen wieder öffnete, musste sie sich die Hand an die Stirn legen, damit sie nicht geblendet wurde und konnte so hinüber zu dem kleinen Häuschen blickte, das aussah, als wäre es nur ein kleiner Schuppen.

Leise seufzte sie. An einem anderen Morgen war sie auch hier gewesen. Auch barfuß und im Nachthemd. An einem anderen Morgen, an dem die Sonne ihr schwarz erschienen war und die grüne Wiese grau wie Asche.

Trotz der sommerlichen Temperaturen schien ihr ein Schauer über den Rücken zu huschen und fröstelnd rieb sie sich über die Arme.

Sie erinnerte sich gut an diesen Morgen. An die Nacht davor und auch an alle Tage die folgten, eine endlose Reihe, die ihr aber finsterer vorkamen als die sanfte Schwärze der Dunkelheit es jemals könnte.

Sie erinnerte sich, wie sie geflohen war, als er gestorben war. Sie hatte nicht in sein Gesicht blicken können, als er lächelnd auf dem Boden gelegen hatte und dennoch so unglaublich tod ausgesehen hatte. Sie hatte nur ihren Ring vom Finger streifen, neben eine Explosion legen können und war disappariert. Wieso und warum, das war ihr alles egal gewesen, nur die Augen, seine Augen, hatten sie bis in ihr Innerstes verbrannt. Sie hatte sich in sein Bett gelegt, hatte alle Gefühle ausgestellt und die ganze Nacht stumm an die Decke gestarrt, während sie an seinem Kissen gerochen hatte, auf das er nie wieder seinen Kopf legen würde.

Am nächsten Morgen hatte sie den Fuchsbau verlassen. Barfuß und im Nachthemd hatte sie auf der Wiese gestanden und den Sonnenaufgang betrachtet. Er war schwarz gewesen. Sie wusste, dass alle Menschen die sie kannte und die sie liebte auf einer anderen Wiese sein würden. Ihr war egal, ob der dunkle Lord nun gesiegt hatte oder nicht, denn für sie gab es keinen Sieg mehr über das Dunkle. Der Tod hatte ihr alles genommen. Wer wusste denn schon, ob er die anderen auch genommen hatte? Die Weasleys, ihre Freunde, all die Hexen und Zauberer, die mit ihr gekämpft hatten. In deren Mitte Fred gestorben war.

Und sie war abermals disappariert.

Wieder seufzte sie. Es war genug Zeit verflossen, um trübe Gedanken zu verlieren. Es war genug Zeit vergangen, um zu erkennen, dass man trotzdem leben konnte. Aber es würde niemals genug Zeit gewesen sein, als dass das Heimweh vergehen würde.

Langsam drehte sie sich von dem Häuschen weg und blickte auf die Sommerwiese, die die sanften Hügel überzog und in der Ferne den Horizont zu berühren schien.

Dort, fast außer Sichtweite konnte sie zwei Gestalten erkennen. Eine Kleine, und eine Klitzekleine. Lächelnd beobachtete sie, wie die größere plötzlich die Kleine auf den Arm nahm und herumwirbelte. Dabei konnte sie ganz leise das Kreischen aus der Ferne vernehmen.

Ihr Lächeln verging. Während sie ernst die Beiden beobachtete, schien keine Empfindung ihre Gesichtszüge zu prägen.

Sie hatte überlebt. Sie alle drei hatten überlebt. Und sie hatte Rica, ihre persönliche kleine Sonne.

Und heute hatte ein neuer Tag begonnen, ein Tag zum Weinen, aber auch zum Lachen. Eine neue Welt sah ihr entgegen, als sie durch das Gras zu den spielenden Personen schritt. Eine neue Welt, in der sie das Privileg hatte zu leben, und vor allem zu lieben. Niemals würde sie Fred und die anderen erstarrten Körper vergessen können, die Leblosigkeit, wo eigentlich das sprudelnde Leben hätte sein sollte.

Aber genau deshalb musste sie diesen Tag jetzt bestreiten, für Fred und all die, die es nicht mehr konnten.

Sie hatte überlebt. Das zählte.

TOMORROW   ||Fred Weasley||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt