Chapter 17

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Erst als wir wieder durch die Wolken brachen ging Harry zu seinem Platz zurück. Verschmitzt grinste er mir zu. Ich lächelte zurück. Was immer das zwischen uns war, es war wundervoll.

„Was grinst du so?" Dort wo gerade eben noch Harry gesessen hatte, saß nun Niall. Wer auch sonst. Man konnte das Gefühl bekommen, er hätte einen sechsten Sinn für Momente zwischen mir und Harry, in denen ich nicht gestört werden wollte. „ich freu mich das wir wieder in einem Hotel sind." tischte ich ihm die naheliegendste Antwort auf. Das Niall das nicht glaubte war offensichtlich, aber dennoch beließ er es dabei. Als wir ausstiegen ging ich neben Zayn und stieg auch mit ihm in einen Wagen. Er war so etwas wie neutraler Boden für mich. Nicht Liam, der sich Sorgen machte, Niall der fragte, oder Harry der... eben Harry war.

Die Fahrt zum Hotel verlief ziemlich angenehm, Zayns Gesellschaft tat mehr als gut. Wir lachten, zwar nicht so wie ich es bei Harry tat, aber genug, um mich gut zu fühlen. Wir unterhielten uns, nicht über die Band, die Tour oder mein Wohlbefinden, über alltägliche Dinge wie es vermutlich die meisten jungen Menschen taten.

Wenn du normal wärst.

Im Hotel angekommen ging ich auf mein Zimmer und ließ mich auf das große, weiche Bett fallen. Der Tag hatte so gut angefangen, wieso sollte ich ihn mir von Niall vermiesen lassen?

Mit einem Ruck stand ich auf, suchte in meiner Tasche nach meinen Lauf Schuhen in lief aus der Türe. Es war kühl, ganz anders als unsere letzten Etappen. Ein frischer Wind zerwühlte meine Haare, doch bei meiner nicht vorhandenen Frisur machte das keinen Unterschied.

Ich lief los, ohne der Secrurity Bescheid zu sagen, ohne zu wissen, wo lang ich lief, ja ich wusste immer noch nicht in welcher Stadt wir überhaupt waren. Nicht gerade Idealbedingungen, aber ich musste mich bewegen, die letzten Tage sortieren, meinen Kopf frei kriegen. Mit immer größeren Schritten flog ich über den Asphalt, kleine dunkle Punkte, die immer größer wurden, waren darauf zu sehen. Wütend blickte ich in den Himmel, natürlich musste es genau jetzt regnen. Wurde man im Regen weniger Nass, wenn man schneller lief? Eine Frage, die sich wahrscheinlich tausende Menschen jedes Mal stellten, wenn es regnete. Eine Frage die völlig überflüssig war. Ich zumindest lief schneller, weniger wegen dem Eiskalten Wasser, das über mir ausgegossen wurde, als das ich schneller rennen musste, um in den Rausch zu kommen, in dem ich alles um mich herum ausblenden konnte.

Nach etwa einer Stunde blieb ich erschöpft stehen. Ich war völlig durchnässt, ausgepowert und hatte keinerlei Orientierung mehr. Ich war in einen Park gelaufen, wie ich zumindest dachte, aber entweder war der Park riesig oder es war ein Wald am Stadtrand gewesen. Jetzt stand ich auf jeden Fall bis auf die Knochen durchgefroren schutzsuchend unter einem Baum. Die ganze Rennerei hatte nichts gebracht, wohlmöglich war ich nur noch verwirrter. Was war das zwischen Harry und mir? Normale Freunde kuschelten nicht, teilten sich nicht ein Bett und küssten sich vor allem nicht. Ich sollte mich nicht so wohl in Harrys Gegenwart fühlen, nicht wohler als in Liams oder Zayns. Ich sollte nicht meine Gefühle für ihn hinterfragen, nicht wenn es um nicht rein Freundschaftliche ging. Vielleicht war es nur ein Anzeichen, wie sehr Harry mir gefehlt hatte, vielleicht holten wir nur all die Dinge, die wir verpasst hatten nach, intensiver weil wir weniger Zeit hatten? Doch das glaubte ich mir selbst nicht. Ich musste mit Harry darüber reden. Aber ich wollte auch nicht das es aufhört, was daraufhin unvermeidbar passieren würde. Sollte ich also einfach weiter machen? So tuten als wer nichts, dennoch Harrys nähe so sehr genießen?

Der letzte Rest des schwachen Lichtes, welches durch das Blätterdach fiel, holte mich zurück in den verregneten Wald irgendwo in den Staaten. Vielleicht waren wir ja in Washington oder so. Aber die Tour Routen waren meist schon halbwegs sinnvoll geplant, und von Südosten nach Nordwesten des riesigen Landes zu fliegen würde keinen Sinn machen. Dennoch würde es mich nicht wundern, wenn in diesem Wald plötzlich ein gigantischer Wolf vor mir stehen würde. Ich setzte ich wieder in Bewegung, den gleichen Weg, den ich auch gekommen war. Immer schneller lief ich, bis meine Füße kaum noch den Boden berührten, die Welt rauschte an mir vorbei, endlich schaffte ich es meine Gedanken auszublenden.

Das ich für den Rückweg doppelt so lange gebraucht hatte wie für den Hinweg, war mir egal, ebenso das im Hotel eine Horde wütendes Management und Security Leute auf mich wartete. Jegliche Schimpftriaden ließ ich über mich ergehen, finge erst wieder an meine Umwelt richtig war zu nehmen als ich unter der heißen Dusche stand und es an meiner Tür klopfte.

„Sekunde!" rief ich, sprang aus der Dusche und ging mit einem Handtuch um die Hüfte gewickelt zur Türe. Vorsichtig öffnete ich sie, steckte zunächst aber nur meinen Kopf hindurch. Halbnackt wollte ich dann doch keinem meiner Vorgesetzten begegnen. Es fehlte gerade noch, dass sie etwas an meinem Körper störte. Zum Glück war es nur Harry. Obwohl, ob es Glück war seinen besten Freund, mit dem man stundenlang herumknutschte, Oberkörper frei, gegenüberstand, war eine andere Frage.

„Sorry." Lief Harry da auch schon rot an. „Ist nicht so wichtig, du kannst später, wenn du magst, einfach rüber kommen." Ich lachte auf. Einem verlegenen Harry zu sehen war selten. „Kein Problem." Das war es wirklich nicht. Früher, vor... Taylor, hatte keiner von uns Probleme gehabt sich vor den anderen Umzuziehen. „Setzt dich irgendwo hin. Ich zieh mich schnell an und komme dann." Winkte ich ihn herein und verschwand wieder im Bad. In einer gemütlichen Jogginghose und einem Oversize Hoodie, der möglicherweise von Harry war, da er mir mindestens zwei Nummern zu groß war, stand ich etwas länger als gewönlich vor dem Spiegel und versuchte meine Haare zu richten. Wie immer hatten sie keinerlei Interesse daran nachzugeben, egal wie viel mühe ich mir auch gab, also beließ ich es dabei. Ich verließ das Bad, im Flur war es um einiges kälter und völlig dunkel. Dem Lichtstrahl, der unter meiner Schlafzimmertüre heraus spitzte folgen, tastete ich mich an der Wand entlang. An der Türe angekommen umschloss ich die Türklinke. Das Metall brannte kalt auf meiner noch von Duschen heißen Hand. Was würde mich drinnen erwarten? Die Angst das sich etwas an meinem und Harrys Verhältnis geändert haben könnte war präsenter denn je. Ich durfte ihn nicht verlieren, nicht schon wieder, das würde mich zerstören, welchen Grund hätte ich dann noch...

Bevor ich mich verrückt machen konnte, hatte ich schon die Türklinke hinuntergedrückt und stand im Raum. Schnell schloss ich die Türe, Harry lag auf dem Bauch quer über dem Bett, mit seinem Handy in der Hand. Erwartungsvoll lächelte er mich an. „Da bist du ja. Komm!" Er klopfte mit seiner freien Hand neben sich und rutschte etwas zur Seite. „Ich dachte wir könnten nach dem ganzen Stress einen gemütlichen Filmabend machen?" Ich ließ mich neben ihm auf das Bett fallen. „Klar gerne, warum nicht?" Das ich mir zu viele Gedanken gemacht habe, war mir klar gewesen. „Bitte nur nichts was meine Nerven strapazieren könnte." Fügte ich noch hinzu.

Harry schaltete den Fernsehen ein. „Sollen wir einfach mal auf Netflix nach romantischen Komödien suchen, und gucken was wir finden?" Romantisch? Aber ok.

Die Wahl fiel auf Notting Hill, ein Klassiker, den wir schon etliche Male zusammen geguckt hatten, der aber immer wieder schön war. Und während William immer faszinierter von Anna wurde, rutschten Harry und ich näher aneinander heran, schlangen unsere Arme umeinander. Harrys Locken kitzelten mich, doch es war zu schön, um sie aus meinem Gesicht zu wischen. Die Handlung des Filmes rückte weiter und weiter weg, ich beobachtete Harrys Gesicht, seine perfekten Lippen, seine Augen, seine Mimik. Diese vollen Lippen, herzförmig geschwungen, immer wieder leckte er darüber. Ich zwang mich, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher zu richten, doch so sehr ich mich auf bemühte, die Handlung war nicht halb so fesselnd wie Harry. Ich drehte mich wieder zu ihm, als ich seinen Blick auf mir spürte. Minutenlang sahen wir uns an, er war ebenso gebannt von mir wie ich von ihm. So viele Dinge konnte aus seinem Gesicht lesen, Glück, aber auch Sorge.


Half a HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt