Meine Beine sind noch ganz zittrig und ich höre nur noch gedämpft, aber das war es allemal wert. Das Konzert war einfach der Wahnsinn gewesen, die Menschen, denen ich so viel zu verdanken hatte, in echt zu sehen. Beeindruckend, wie gut sie singen, wie gefühlvoll. Weniger schön waren die Fangirls gewesen. Vor allem wegen ihnen klingeln meine Ohren noch, zwischen diesen Massen bekommt man auch den ein oder anderen Ellbogenstoß ab. Aber die Musik, die Stimmen, das Treffen mit ihnen, ich kann meine Gedanken und Gefühle gar nicht in Worte fassen. Niall war genauso wie ich ihn mir vorgestellt habe, eine lustige, unkomplizierte Person, und bei Harrys konnte ich all den Mädchen vielleicht doch ein kleines bisschen für ihr Verhalten verzeihen. Mit Liam und Zayn hatte ich leider nicht gesprochen, bei ihnen war mir ein zu großer Andrang gewesen. Dafür mit Louis. Wirklich viel hatte er nicht gesagt, er hat so anders gewirkt als er immer Beschrieben war. Von dem Clown, den alle sahen, war nichts da gewesen. Als wäre es nur Louis Körper gewesen, nicht Louis. Vielleicht fühlte er sich so wie ich damals. Alleingelassen, unverstanden. Du hast ihn keine fünf Minuten gesehen, tu nicht so als würdest du alle Menschen, die nicht dauerhaft am Grinsen sind, beurteilen können.
Klar, dass sich mein Unterbewusstsein einmischen muss. Nicht einmal denken kann man noch, ohne gestört zu werden. Was solls, ich gehe Richtung Bett und werfe mich in die Kissen. Ein Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Das war der Punkt, an dem ich endgültig mit meiner Vergangenheit abschließen konnte. Einmal One Direction live erleben, nie wieder ein Lied von ihnen hören und fertig. Ich bin zufrieden, ich habe alles erreicht, dass ich wollte, alles hinter mir gelassen, dass mich störte. Der Teil mit dem „nie- wieder- ein- Lied- hören" würde schwer werden, aber ich musste es schaffen. Ihre Lieder verband ich mit zu vielen Emotionen.
„You and I, we don't wanna be like them, we can make it 'til the end" Mit einer Hand taste ich auf meinem Nachttisch nach meinem Handy. Ich muss unbedingt daran denken den Klingelton, um zu stellen. Schon fühle ich das kalte Gerät unter meinen Fingerspitzen und nehme es. Viertel nach vier. Wer ruft den zu einer so unmenschlichen Zeit an? Alle die ich in Betracht ziehen könnte, wissen, dass ich auf dem Konzert war, keiner würde jetzt anrufen. Die Nummer ist unterdrückt. Ich zögere. Soll ich drangehen? Doch da bin ich schon auf den grünen Hörer gekommen. „Hallo?" frage ich. „Hey." Eine raue Stimme, die haargenau auf meine Vorstellung eines Massenmörders passte antwortete mir. Anonymer Anruf mitten in der Nacht, gruselige Stimme. Ein Angstschauer schüttelte mich. „Keine Angst. Du hast mir deine Nummer gegeben.
„Wer bist du?" Ich hatte eine Vermutung, viele hätten mich vermutlich allein für den Gedanken ausgelacht. „Louis. Du bist Eleanor, richtig?" – „Louis Tomlinson?" - „Ja." Er wist es tatsächlich. Im Traum hätte ich nicht gedacht, dass er sich an mich erinnern könnte, geschweige denn tatsächlich von meiner Nummer gerbrauch macht. Ich hatte sie ihm weniger gegeben, weil er Louis Tomlinson war, als dass er mir leidgetan hat. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten?" sprach er da auch schon weiter. „Klar." Diese ganze Situation machte mich nervös. „Kannst du mich abholen? Ich bin an einer Tankstelle." Er nennt mir die Adresse und ich habe noch nicht aufgelegt als ich schon im Auto sitze. Google Maps meint ich brauche eine halbe Stunde, ich schaffe die Strecke in zwanzig Minuten.
Helle Neonröhren blenden mich, als ich auf die Tankstelle zufahre. Sie ist heruntergekommen, der Putz bröckelt von der Fassade. Die ganze Gegend erscheint mir sehr zwielichtig, ich war noch nie hier. Ich steige aus. Es riecht durchdringend nach Benzin, die Luft lässt mich frösteln. Der Angestellte am Nachtschalter sieht noch müder aus als ich mich fühle. Weit und breit ist kein Louis zu sehen. „Suchen sie einen Lewis oder so?" ruft mir der Mann hinterm Schalter zu. Schnell gehe ich zu ihm und nicke. „Er ist vor ein paar Minuten gegangen, in diese Richtung." Er zeigt mit dem Arm nach rechts. Ich bedanke mich, springe wieder in den Wagen und folge der Straße. Weit kann er noch nicht sein. Aufmerksam suchen meine Augen die Straße ab, ich schalte sogar das Fernlicht ein. Etwa zweihundert Meter weiter steht eine Gestalt, ich hoffe nur es ist Louis, die ganze Sache wird mir nämlich immer ungeheurer.
Er ist es. Ich lasse das Fenster hinunter. „Louis?" Er blickt sich um. „Eleanor!" Sofort erhellen sich seine Augen etwas, ich sehe wie die Anspannung von ihm abfällt. „Gottseidank! Ich dachte du würdest nicht mehr kommen." – „Ich habe leider ein bisschen hier her gebraucht. Komm, steig ein." So neugierig ich auch bin, die Frage was ein Weltstar hier verloren hat, unterdrückte ich mir. „Entschuldige, dass ich mitten in der Nacht anrufe. Ich wusste nicht wohin mit mir."
Es tut mir im Herzen weh, wie traurig sein Ausdruck ist, alles an ihm schreit nach Fürsorge. Seine Körperhaltung sieht bedrückt aus, Haare hängen ihm in Strähnen ins Gesicht und seine Augen sind leer. Es ist als würde ich in einem Spiegel mein altes Ich erblicken.
„Willst du mit zu mir?" Ein Nicken ist die einzige Reaktion und wir hüllen uns in Schweigen, ich weiß nicht was ich sagen soll und Louis hängt seinen Gedanken nach. Die Stille bleibt bis wir zu Hause auf dem Sofa sitzen.
„Wie geht es dir?" Die Frage, ob es ihm gut geht, kann ich mir sparen. „Gut." Antwortet er da auch schon. Ich verstehe, wenn er nicht reden möchte, trotzdem ist es schwer nicht nach zu bohren. Ich meine, ganz alltäglich ist es dann doch auch wieder nicht mit einem Sänger auf der Couch zu sitzen. „Wenn du reden möchtest, ich bin da." Wieder nickt er nur, blickt nicht auf. Ich sehe ihn an, seine Augen glitzern. „Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann, aber ich will dir helfen." Da hebt Louis den Kopf. „Ich weiß auch nicht, wie du mir helfen kannst." Und für diesen Moment ist er nur ein Junge. Ein Junge der nicht allein sein will. Es schmerzt fast, so sehr habe ich das Gefühl, mir selbst gegenüber zu sitzen.
„Ich kenn dich nicht, du kennst mich nicht. Trotzdem, vielleicht gerade deswegen kannst du mir vertrauen." Aufmunternd gucke ich meinen Gegenüber an. Ob das die richtigen Worte waren, weiß ich nicht, seiner Antwort nach zu urteilen schon. Er fängt an zu reden. Von Harry, seinem besten Freund, wobei er sich bei ihm so unsicher ist, vom Management, von seinen Selbstzweifeln, seiner Unsicherheit, wieder von Harry. „Harry und ich sind... waren beste Freunde, ich weiß es nicht. Ich habe ihn so sehr vermisst, ein Jahr lang hat er sich sehr von mir distanziert. Seit zwei Wochen machen wir wieder mehr, aber es fühlt sich so anders an. Als wäre er zu gut für mich." Während seiner Erzählungen laufen ihm stumme Tränen übers Gesicht, ich merke, wie schwer es ihm fällt darüber zu sprechen und wie gut es ihm dennoch tut. Viel zu lange hat er alles mit sich selbst ausmachen müssen, einen undurchdringlichen Wall um sich erschaffen. Nun hat er mir eine Türe geöffnet, alles fließt nur so heraus. Ich verfluche mich selbst dafür, dass ich etwas so sehr genossen, für das ein anderer Mensch so sehr leiden muss.
Ich lausche Louis Worten, bis er keine mehr hat. Dann nehme ich ihn in den Arm. Eine Weile verharre ich so, ich weiß nicht, ob ich ihm zu nahe bin. „Schlaf dich aus. Das ist der erste Schritt." Ich gebe ihm eine Decke und bleibe so lange bei ihm sitzen, bis sein Gesichtsausdruck entspannter wird.
Louis musste so viel durchmachen, muss es noch immer. Ich bin wütend auf den Manager, der in in diese Position zwängt, auf alle Fans, die immer mehr verlangen, nicht sehen, wann es zu viel wird, und am meisten auf Harry. Harry, der Louis ein Stück weiter runtergezogen hat, Harry der Louis hängen gelassen hat. Aber auch Harry, der zurückgekehrt ist, und nichts unternommen hat um Louis zu helfen.
Noch kein Tag ist vergangen, seit ich Louis kenne, und doch weiß ich schon, wie sehr er ihn liebt.
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Half a Heart
FanfictionLouis ist so sehr darum bemüht, seine Fassade als Weltstar aufrecht zu erhalten, das ihm entgeht wie sehr sein inneres daran zerbricht. Erst als Harry, der ihn über ein Jahr wo es nur ging, gemieden hat, wieder beginnt Zeit mit ihm zu verbringen, hä...