61.

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Marco beruhigte sich erst langsam, als sein Vater begann ihm auf den Rücken zu klopfen. Natürlich bemerkte ich sofort wie die Stimmung nach meinen Worten umschlug. Dabei hatte ich doch nur die Wahrheit gesagt?
Ich wusste tief in meinem inneren, dass ich keine Veranlagung dazu hätte, eine gute Mutter zu sein. Dafür musste man sich doch nur meine Familiären Umstände ansehen. Obwohl ich mir schon Kinder wünschte, würde es ohnehin nicht funktionieren bei diesen katastrophalen Genen. Nachdenklich begann ich in meinem Essen herum zu stochern. Es war klar, dass ich es wieder in Sekundenschnelle schaffte, einen tollen Abend zu ruinieren. Marco stand von seinem Platz auf, nur wenige Augenblicke später hörte man das Klirren der Bierflaschen in seinem Kühlschrank. Bereits auf dem Weg zurück zum Tisch öffnete er seine Flasche mit dem Flaschenhals der Flasche für seinen Vater und kippte sich den ersten Drittel in den Hals. Diesmal ohne sich dabei zu verschlucken. Als Manuela bemerkte wie ich ihn traurig dabei beobachtete, wie er sich vor Schock das Bier holte, begann sie sich zu räuspern: „Es ist jedenfalls super schön, dass Marco jetzt nicht mehr alleine in diesem riesigen Haus verkümmert. Falls ihr Hilfe beim Umzug braucht, dann meldet euch." lächelte sie mir zu. Ich nickte und zwang mich zu einem dankbaren Lächeln. „Genau, Yvonne und ich helfen auch gerne!" warf Melanie sofort ein. „Danke." hauchte ich leise. Meine Stimme wollte gar nicht so richtig funktionieren vor Enttäuschung.
Ich war mehr so der Typ, der alles Schritt für Schritt anging. Marco und ich hatten noch nie über das Zusammenziehen, Kinder oder Heiraten gesprochen, wie sollte ich also ahnen, dass er anscheinend einen großen Kinderwunsch hatte? Vielleicht hätten wir über solche essenziellen Dinge doch vorher sprechen sollen. Mit Sicherheit erzeugte diese Barriere die nun zwischen uns stand wieder einen riesigen Rückschritt in unserer Beziehung. Darauf hatte ich weder Lust, noch wollte ich es zulassen. Aber anstatt es jetzt vor allen zum Thema zu machen, entschied ich mich dazu, es in Ruhe und zu zweit anzusprechen. Schließlich war meine Entscheidung nicht endgültig und in Stein gemeißelt. Ich hätte viel mehr darüber nachdenken sollen, ob meine Worte sinnvoll waren oder eben nicht, bevor ich sie aussprach und ihn vor vollendete Tatsachen stellte.
Ich wusste doch, dass ich immer irgendwie einen Weg fand, mich unbeliebt zu machen. Jetzt hatte ich es wieder geschafft.
Manuela, Melanie und vor allem Yvonne und Thomas gelang es aber, dass der Abend wieder in Schwung kam. Zusammen spielten wir auf dem Rasen Kubb, während die Abendsonne langsam verschwand.
Marco wirkte irgendwann wieder ausgelassen, aber war mir gegenüber total kalt und abweisend. So kannte ich ihn gar nicht. Noch nie war er so zu mir, auch nicht nachdem wir uns lange nicht mehr gesehen hatten. Er suchte immer meine Nähe oder begann zu flirten oder sprach locker mit mir. Gerade aber, war zwischen uns die erste Eiszeit ausgebrochen, die wirklich von ihm kam. Zu wissen, dass meine Worte ihn scheinbar so verletzten, machte mich fertig. Meine Gedanken kreisten nur noch darum, ich konnte den Abend nicht mehr genießen und war froh, als Marco sich von seiner Familie verabschiedete und ich hörte wie er die Haustür ins Schloss fallen lies und sich die Motoren der Autos starteten. Ich spülte währenddessen die Gläser die nicht mehr in die Spülmaschine passten, während Marco die Umzugskartons ins Haus hievte uns sie lustlos, mitten im Flur auf den Boden fallen ließ. Als er daraufhin begann die Saucen wieder in den Kühlschrank zu stellen, räusperte ich mich laut. Irgendwie musste ich diese unangenehme Stille doch unterbrechen können. Marco knallte achtlos die Tür seines Kühlschranks zu und würdigte mich keines Blickes. Ich seufzte. Was sollte ich denn nur sagen? „Marco" begann ich leise. Endlich schaute er mich an. Ich sah sofort in seinen Augen, dass er erstens zu viel Bier getrunken hatte und seine Gedanken zweitens ebenso nur um dieses Thema kreisten. „Willst du Kinder?" fragte ich also unverblümt. Er zuckte mit den Achseln und wandte seinen Blick sofort ab: „Ist doch jetzt eh egal." murmelte er und verschwand wieder nach draußen. Augenverdrehend trocknete ich meine Hände ab und folgte ihm sofort. Er saß wieder am Gartentisch, sein Smartphone in der rechten und die nächste Pulle Bier in der linken Hand. Ich verschränkte meine Arme als ich mich im Türrahmen der Glastür nach draußen anlehnte und ihn dabei musterte: „Marco." versuchte ich erneut seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. „Boah Yve, nerv' doch jetzt nicht." murmelte er kopfschüttelnd ohne mich auch nur kurz anzugucken. Währenddessen fuhr sein Finger schnell über die Tastatur des Smartphonedisplays. Ich runzelte irritiert meine Stirn und ging ein paar Schritte auf meinen Freund zu: „Ich glaube wir sollten darüber reden, damit du vielleicht verstehst, was meine Hintergründe sind, überhaupt so etwas zu sagen. Es ist keine endgültige Entschei-" begann ich, doch wurde unachtsam von ihm unterbrochen: „Sag mal, merkst du es nicht? Ich habe gerade weder Lust noch die Nerven dazu, überhaupt mit dir zu sprechen." er lachte bitter auf. In seinem kurzen Blick den er mir zuwarf, sah ich die Enttäuschung die in ihm brodelte.
Das er jetzt aber so kalt zu mir war, das war unfair. Er musste mir doch nur zuhören und sein Problem wäre in Luft aufgelöst.
Ich seufzte: „Okay, dann lasse ich dich lieber in Ruhe." murmelte ich geschlagen und wollte gerade reingehen, da setzte er zum Reden an: „Besser so!" warf er mir wütend an den Kopf. „Ach ja - und macht es dir etwas aus wenn du heute Nacht zuhause schläfst? Dann kann ich ein Paar der Jungs einladen, um meinen Geburtstag entspannt ausklingen zu lassen." fragte er gehässig und tatsächlich ein wenig abgehoben. In mir stieg sofort die Angst und Panik auf, wenn ich an meine eigene Wohnung dachte. Gestern noch hatte er mir gesagt er würde mich nie wieder und vor allem nie wieder alleine dorthin gehen lassen. Schockiert versuchte ich den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken und ließ den Tränen die sich in meinen Augen anbahnten keine Chance. Ich konnte mich nicht bewegen. Marcos Augen wurden groß als er bemerkte, dass zumindest sein letzter Satz total unangebracht war. Also schlucke er laut und fuhr sich aufgelöst über die Stirn als er doch nochmal seinen Blick vom Display abwandte: „Nein, geh bitte nicht nach Hause. Dein Zuhause ist schließlich hier." murmelte er leise. „Ach, weißt du was? Es ist schon in Ordnung. Lade deine Freunde ein. Ich gehe hoch und werde mich nicht blicken lassen." enttäuscht zuckte ich mit meinen Achseln als ich auf dem Absatz kehrt machte und hinein ging.
Den Abend hatte ich mir natürlich anders vorgestellt, als total erschöpft, mit höllischen Kopfschmerzen alleine ins Bett zu fallen. Das war heute dann doch zu viel Stress für meinen Zustand. Da half nur Schlafen und Hoffen, dass Marco sich morgen wenigstens wieder etwas eingekriegt hatten. Ein Geburtstag wie er im Bilderbuche stand.

Schmetterlingseffekt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt