43.

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Verschwitzt wälzte ich mich nach Links und rechts, bevor ich mit einem heftigen Ruck nach oben schnellte und mir erschöpft mit den Händen durchs Gesicht fuhr, bevor ich müde aufstöhnte: „Das kann doch nicht wahr sein." murmelte ich leise in die Dunkelheit hinein, die mir irgendwie Angst bereitete. Erst als Marco verschlafen das kleine Licht auf seinem Nachttisch anstellte und sich aufraffte, beruhigte sich meine schnelle Atmung ein wenig: „Marco, es tut mir leid. Schon das Zweite Mal diese Nacht." wisperte ich traurig. „Es ist okay." ertönte seine raue, verschlafene Stimme hinter mir. Er rutschte direkt hinter mich und zog mich von hinten in seine Arme. Als ich an meinem Rücken seinen regelmäßigen Herzschlag spürte, wurde ich etwas ruhiger. „Du hast morgen früh doch Training. Ich kann auch aufs Sofa gehen und mich dort hin und her wälzen." murmelte ich müde, als ich meinen Kopf gegen Marcos Schulter lehnte. Er schüttelte sofort seinen Kopf: „Hier geht niemand aufs Sofa." murmelte er und küsste sanft meine Schläfe. Danach war es still zwischen uns. Ich überlegte, wie ich diese Bilder aus meinem Kopf bekam, damit ich endlich schlafen konnte, während Marco versuchte wach zu bleiben. Mir tat es total leid, dass ich ihn wach hielt. Wenn das so weiter ging bekam er mit Sicherheit Probleme mit dem Verein. Vielleicht sollte ich doch besser Zuhause versuchen, über den Schock hinweg zu kommen. „Hör auf dir Vorwürfe zu machen!" sagte Marco irgendwann eindringlich. Er schien etwas wacher zu sein: „Unterbewusst nimmt dich das alles doch mehr mit als du denkst. Du solltest, wenn du schon nicht mit jemanden sprechen willst der das gelernt hat, zumindest mit Lennard sprechen und versuchen das meiste aus der Welt zu schaffen. Mein Anwalt kommt morgen auch, wenn ich beim Training bin. Ich hoffe wirklich dir geht es danach besser." seufzte er leise. „Ich hoffe es auch." antwortete ich leidend: „Es ist einfach die Dunkelheit und dann sind da noch diese Alpträume. Ich kann das nicht steuern." versuchte ich mich zu erklären. „Das weiß ich doch!" betonte Marco: „Du kannst auch überhaupt nichts dafür." Mit seinen Fingern fuhr er zärtlich über meine Wange. Ich krabbelte aus seinem Klammergriff von hinten heraus, er rutschte etwas herunter, sodass ich mich zu ihm legen konnte. Als ich unter seine Decke schlüpfte, überkam mich direkt eine wohlige Wärme. Ich lächelte ihn zaghaft an, bevor ich meine Lippen auf seine drückte: „Danke, dass ich dich habe." flüsterte ich leise gegen seine Lippen. Marco lächelte mich müde an und zwinkerte mir zu. Ich knipste mutig das Licht aus und kuschelte mich daraufhin an seine Brust. Diesmal versuchte ich mich nur auf seine Atmung zu konzentrieren, um nicht nochmal in einem solchen Zustand aufwachen zu müssen und Marcos Arm schlang sich extrem fest um mich, damit ich mich sicher fühlte.
Als ich am nächsten Morgen durch das Tageslicht geweckt wurde, war Marco schon weg. Achja, das Training. Der arme, er war mit Sicherheit total müde und fertig nach dieser chaotischen Nacht. Schnell sprang ich unter die Dusche bevor Marcos Staranwalt noch dachte, ich sei total durch den Wind. Unten angekommen stand auf der Arbeitsplatte seiner Küche eine Schüssel voller Joghurt mit Obst. Unter der Schüssel klebte ein kleiner Zettel „Für Dich :)" Ich grinste in mich hinein. Also sowas hatte noch nie jemand für mich gemacht, so banal das jetzt auch klang. Kurz nachdem ich das leckere Zeug verputzt hatte, klingelte es an der Haustür. Jetzt wurde es also ernst. Wer weiß, hoffentlich konnte der Anwalt mir endlich das Positivste seit langem mitteilen.
Doch er konnte es nicht. Nach dem Gespräch ging es mir schlechter als vorher. Für meine Existenz sah es nicht gut aus. Jenny und ich hätten uns von Anfang an besser versichern müssen. Ein wenig schockiert und niedergeschlagen saß ich am Esstisch und spielte mit dem Wasserglas in meiner Hand herum. Wenn die Polizei den Täter nicht finden konnte, war es mein kleinstes Problem, dass ich Angst vor ihm hatte. Das ganze Geld war und blieb weg. Der Schaden der Einrichtung blieb höchstwahrscheinlich ebenso auch an uns hängen und eine Kreditaufnahme konnten wir dann auch vergessen. Alles stand und fiel mit dem Täter. Nun war es umso schlimmer für mich, dass Lennard den neuen Freund unserer Mutter, der eventuell der Täter sein konnte, decken wollte. Auch wenn es mir schwer fiel mit ihm zu sprechen, musste ich mich einfach dazu überwinden. Er konnte doch nicht alles vergessen haben, was ich je für ihn getan hatte. Jetzt war er doch endlich mal an der Reihe etwas für mich zutun. Alles andere wäre schlimmer als Hochverrat.
Alleine, dass es wieder dunkel draußen wurde setzte mich unter Druck. Diese Nacht musste es besser klappen mit dem Schlaf. Ansonsten würde irgendwann Marcos Geduldsfaden reißen. Das könnte ich ihm wirklich nicht übel nehmen.
Meine Gedanken kreisten Tag für Tag um die selben Themen. Das alles war wie ein Teufelskreis, den ich so leicht nicht durchbrechen konnte. Jenny anzurufen fiel mir total schwer. Ich wollte ihr nicht solche schlechten Nachrichten mitteilen, auch wenn ich ihren Rat so sehr brauchte. Es war nicht richtig von mir mich so von meiner besten Freundin abzukapseln. Ich wusste das alles, es war jedoch schwer mich zu überwinden.  Morgen musste ich mich mit ihr treffen, oder sie mindestens Anrufen. Alles andere wäre unfair und arschig. Irgendwie mussten wir das alles zusammen besprechen und durchstehen. Denn das Monatsende und dessen Probleme kamen immer noch unaufhaltbar auf uns zu gerast. Das mit Jenny war wenigstens etwas, dass ich sofort ändern konnte, alles andere war nicht nur stressig oder zeitaufwendig, sondern auch kostspielig. Auch wenn wir letztendlich den Shop schließen müssten, ich würde einfach wieder als angestellte arbeiten. So war das anscheinend im Leben. Es erfüllte mich zwar nicht und ich müsste mit Sicherheit aus meiner teuren Wohnung ausziehen, aber wenigstens verdiente ich dann Geld und konnte mein Leben finanzieren.
Ich hatte gar nicht bemerkt wie Marco wiederkam, seine Tasche auf die Treppe stellte und sich auch ein Glas aus dem Schrank holte, bevor er sich neben mich setzte: „Yve, ich gehe heute Abend zu Mats, wir- oh, oh. Das Gespräch scheint ja nicht so erfolgreich gewesen zu sein?" er stoppte seine eigentliche Aussage und schaute mich entschuldigend an. Ich schüttelte meinen Kopf, bevor ich ein vages Lächeln aufsetzte: „Was gibt's bei Mats?", „Yve, ich - ich gehe so nicht zu Mats." murmelte er, bevor er mir einen sanften Kuss auf die Lippen drückte: „Du siehst total fertig aus. Jetzt erzähl doch wie das Treffen war mit meinem Anwalt.", „Es war genauso ernüchternd wie vermutet. Du weißt was das heißt. Keine Kohle, keine Versicherung, nichts." seufzte ich und schaute ihn ratlos an. „Mist, ich hatte echt gedacht, dass er uns da irgendwie heraus hauen kann." fluchte Marco. „Uns?" fragte ich mit einem kleinen Lächeln auf meinen Lippen. „Deine Probleme sind meine Probleme, schon vergessen?" er grinste schief. Ich musste leise lachen: „Ach Marco.." seufzte ich schon wieder langgezogen. Er lachte leise: „Geht es dir denn sonst gut?" fragte er besorgt. Ich nickte: „Klar, alles bestens. Deswegen gehe ruhig zu Mats. Ich komme schon klar." Marco fasste sich nachdenklich ans Kinn: „Komm doch mit. Das ist schließlich kein Männerabend, sondern einfach ein entspannter Abend mit Mats, Marcel und mir. Bestimmt ist Jenny auch da und Mats' Frau Cathy sowieso. Das wäre doch die perfekte Ablenkung von deinem Tag." Marco strahlte mich erwartungsvoll an. Ich fuhr mir über das Gesicht, war ein wenig überrannt von seiner Einladung: „Und ich störe da nicht?" gab ich zu bedenken. Marco runzelte seine Stirn und schüttelte den Kopf: „Du gehörst zu mir." antwortete er bloß, mit einem verschmitzten Lächeln. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Hatte er das gerade wirklich gesagt?

Schmetterlingseffekt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt