Der Morgen danach

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Die Augen geschlossen, drehe ich mich auf die andere Seite des Bettes und bereue es gleich danach. Stöhnend öffne ich meine Augen dann doch.
Mein Schädel bringt mich um. Ich habe schon ganz vergessen, wie es ist, einen Kater zu haben. Mein letzter Absturz ist viel zu lange her. Ich trinke für gewöhnlich mal ein Glas Champagner auf einer Gala, nicht mehr. Ich habe das Trinken wohl verlernt.
Meine Kehle ist so verdammt trocken, es fühlt sich an, als wäre ich seit Tagen in der Wüste ohne Wasser unterwegs.
Ruckartig setze ich mich auf, um nach einer Wasserflasche zu suchen. Stattdessen spüre ich den Sekt von Gestern meine Kehle hinaufschießen. Sofort renne ich ins Bad und bin froh darüber, die Toilette rechtzeitig erreicht zu haben.
Das habe ich wohl verdient, denke ich mir, als ich mich schwach auf den Fließen niederlasse.
Mit dem Handrücken wische ich meinen Mund ab und starre dabei an die Wand. Was habe ich mir gestern nur dabei gedacht?
Steve wird immer noch total sauer sein, ist auch verständlich. Ich habe ihm schließlich mitten ins Gesicht gerülpst, während seine Freunde zugesehen haben.
Oh Gott! Ich bin so ... Ich habe nichtmal ein Wort dafür.
Mit einer Hand an meinem Kopf, die andere auf dem Bauch, versuche ich mich an alles zu erinnern.
Ich habe Steve angerülpst, dann ist er weg und ich war allein im Zimmer. Danach ist alles dunkel. Naja, wenigstens habe ich es nicht schlimmer gemacht.
Mit aller Kraft die ich besitze, ziehe ich mich auf die Beine, um mich danach unter die Dusche zu stellen.
Das kalte Wasser ist zwar unangenehm, bringt meine Gedanken aber wieder auf Kurs.
Meine nassen Haare zu einem Dutt zusammengebunden, trage ich Wimperntusche auf. Diesmal ziehe ich keine Jeanshose, sondern eine Yoga-Hose an.
Mit einem leichten Schädel verlasse ich mein Zimmer und klopfe an Steves Tür. Als ich keine Antwort erhalte, öffne ich sie, um zu bemerken, dass er nicht da ist.
Niedergeschlagen laufe ich in die Küche und erblicke dabei Scott und Sam.
"Hey, Partyqueen!", Scott sieht mich kichernd an.
Ich bin nicht in der Lage, meine gewohnte, lächelnde Maske aufzusetzen, also sehe ich ihn böse an.
"Ich wusste gar nicht, dass du so abgehen kannst.", schiebt Sam hinterher.
Ich ignoriere sie und schalte die Kaffeemaschine an.
"Was war das eigentlich für eine komische Musik? Klang irgendwie nicht englisch."
Meinen Blick starr auf den dampfenden Kaffee gerichtet, der in meine Tasse fließt, tue ich so, als würde ich es nicht hören.
"Stimmt, du bist ja keine Amerikanerin. Das hatte ich voll vergessen.", sagt Scott und lacht wieder.
"Hey, lasst sie in Ruhe!"
Bucky muss gemerkt haben, wie ich zusammengezuckt bin. Es schmerzt seltsamerweise, dass er nicht sofort daran gedacht hat, dass ich Deutsche bin. Bei Wanda oder Natasha würden sie diesen Fehler niemals machen.
Ich sehe aus dem Augenwinkel, dass die beiden die Küche verlassen.
"Danke, dass wäre aber nicht nötig gewesen."
Mit dem Kaffee in der Hand, drehe ich mich zu ihm um. Bei seinem Anblick löst sich plötzlich eine Erinnerung aus dem schwarzen Loch des Alkohols.
Mit aufgerissenen Augen, lasse ich die Tasse fallen, welche Scheppernd auf dem Boden in tausend Teile zerspringt.
"Oh! Nicht bewegen!" Da ich nur mit Socken in der Küche stehe, kommt Bucky schnell auf mich zu. Er hebt mich auf seine Schulter und trägt mich auf die andere Seite.
Stumm stehe ich da und sehe ihm dabei zu, wie er die Scherben mit einem Besen zusammenkehrt und danach die Flüssigkeit mit genau dem Handtuch aufwischt, mit dem ich den Boden gestern gesäubert habe.
"So, jetzt ist es hier wieder sicher."
Er dreht sich lächelnd zu mir um.
Wie kann er nur so ruhig bleiben? Ich habe ihn gestern geküsst! Den besten Freund meines festen Freundes!
"Wie geht es dir?"
Mit dem gleichen Lächeln setzt er sich auf einen der Barhocker an die Kücheninsel.
"Mein Kopf dröhnt und mein Magen ist auf Links gedreht."
Endlich erwache ich aus meiner Starre und gehe wieder zur Kaffeemaschine.
Vielleicht habe ich auch einfach nur geträumt, dass ich Bucky geküsst habe. Das kann gut sein, beruhige ich mich. Immerhin fühlen sich manche Träume so real an, dass man das Gefühl hat, sie wären es.
Erleichtert drehe ich mich zu Bucky um.
"Naja, du warst gestern wirklich sehr betrunken, fast wie damals in Thailand."
Thailand. Haben wir letzte Nacht nicht auch darüber gesprochen?
"Das waren noch Zeiten."
Ich setze mich mit einer frischen Tasse Kaffee neben ihn.
"Da haben dich noch nicht alle gekannt. Und da hast du definitiv noch mehr vertragen."
Er blickt auf die glatte Mamorplatte vor uns und hat dabei einen verträumten Ausdruck im Gesicht.
Damals war ich noch nicht die perfekte Frau oder mit Steve zusammen.
Bucky und ich hatte eine Mission in Thailand. Ein Mann namens Klaue hat mit Vibranium gehandelt. Nachdem wir ihn gestoppt und den Agents übergeben haben, haben wir uns in einer kleinen Bar volllaufen lassen. Es hat deutlich mehr Drinks gebraucht, um mich auszunocken.
"War das nicht unsere zweite Mission? Es kommt mir vor, als wären schon 10 Jahre vergangen."
Jetzt bin ich es, die verträumt ins Nichts schaut.
"Mir auch. Ich vermisse diese Zeiten." Ein vertrautes Gefühl macht sich in mir breit. Ich gehe tief in mich hinein, um herauszufinden, woher ich es kenne. Fast bekomme ich es zu greifen, als...
"Du bist wach."
Keine Frage von Steve, sondern eine Feststellung.
Sofort stehe ich auf und drücke den Rücken durch.
"Steve, können wir reden?"
Er steht ungerührt vor dem geöffneten Kühlschrank, um ihn dann wieder zu schließen und mich ohne Emotionen anzusehen.
"Bitte."
Es macht mir nichts aus, vor Bucky zu sprechen, ich bin aber überrascht, dass es Steve auch nichts ausmacht. Gut, er ist sein bester Freund, aber eigentlich ist es ihm unangenehm, vor anderen Leuten zu streiten.
"Ich habe gestern über die Stränge geschlagen und will mich bei dir entschuldigen. Ich hoffe, du verzeihst mir meinen Ausrutscher."
Ich meine es ernst, auch wenn der Abend sich so gut angefühlt hat. Zu ihm habe ich mich falsch verhalten.
"Es war wirklich nicht schön, dich so zu sehen. Ich habe dich gar nicht wiedererkannt. Versprich mir, dass du nie wieder so viel trinkst."
Unbewusst aktiviert sich meine lächelnde Maske.
"Natürlich."
Auch er lächelt mich an, gibt mir einen Kuss auf den Scheitel und verlässt den Raum.
"Du wirst also nie wieder so viel trinken? Gestern war das aber noch anders."
Bucky grinst mich von seinem Platz aus an.
"Ach, halt die Klappe."

Blonde vs. Black (Bucky FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt