Langsam ließ Anna ihr Handy sinken und blickte sich im Raum um. Ihre Kollegen besprachen sich wegen Schülern, aßen ihr Frühstück und quatschten an der Kaffeemaschine. Niemand schaute sie komisch, wissend oder fragend an. Sie schluckte und starrte wieder auf das Handy. Sie fühlte sich unfassbar unwohl. Wieder blickte sie sich um, dann suchte sie Felix' Kontakt und drückte auf den grünen Hörer.
„Ja?", er klang genervt.
„Hast du das schon gelesen?", fragte Anna ohne große Begrüßung und konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht ganz verbergen.
„Jup."
„Und? Was machen wir jetzt?"
„Jar nüscht. Ich hab schon mit Becci gequatscht, ist alles albern. Sollen se doch schreiben", er grinste, „ich hoffe, du kannst mit ein bisschen Fame umgehen. Meine DMs sind auf jeden Fall am Platzen."
„Bei Insta?"
„Ja, genau, die ganzen Weiber rasten aus", sie konnte hören, dass er grinste. In Anna stieg die abstruse Lust auf, auch zu lachen – oder ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Aber dann riss sie sich zusammen.
„Na ja. Auf jeden Fall bist du wohl doch so berühmt, dass du heimlich fotografiert wirst."
„Das ist neu, stimmt."
„Die interessieren sich einfach zu sehr dafür, ob du eine Freundin hast", meinte Anna.
„Hab ich denn eine?", fragte er aus dem Nichts heraus und sie verstummte.
Das fragte er JETZT am Telefon? Wo sie doch in zwei Minuten eigentlich schon wieder im Klassenraum sein musste und betete, dass sich bisher niemand geprügelt hatte? JETZT wollte er das besprechen?
„Na ja...", sie zögerte, „was mich angeht, schon."
„Gut", antwortete Felix schlicht, „dann hamwa dit ja geklärt."
„Ähm, warte mal, siehst du das denn auch so?"
„Na kla."
„Na kla?"
„Jaaa-haaa."
„Jetzt sei mal ernst!"
„Ich bin ernst."
„Gut. Ich muss jetzt in die Klasse, es sind bestimmt schon drei gestorben, weil ich zu spät bin."
„Pass auf die Butterflymesser auf."
„Mach ich", Anna legte auf und setzte dann zum Sprint an, um möglichst schnell zur Klasse zu gelangen. Auch, wenn eine leichte Panik in ihr aufstieg, weil sie die Schüler zu lange alleine gelassen hatte, fühlte sie sich, als würde sie schweben. Das breite Grinsen auf ihrem Gesicht konnte heute wohl niemand mehr wegwischen.
Am Nachmittag bereitete Anna die Stunden für den nächsten Tag vor. Nach einem langen Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Jugendamts (ihr kam so langsam der Verdacht, dass Dennis ganz allein Zuhause lebte), ließ sie sich erschöpft in den Schreibtischstuhl sinken und checkte noch einmal ihre Mails auf dem Handy.
INTERVIEWANFRAGE bild.de
Was zur Hölle? Schnell überflog sie den Text. Anscheinend hatte irgendjemand herausbekommen, dass sie die Anna von dem Foto aus dem Café war. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Sie löschte die Anfrage, ohne sie weiter zu beachten. Sie machte sich auf den Weg auf den Balkon und steckte sich eine Kippe an. Nachdenklich blickte sie auf die vollen Straßen der Stadt. Sie hätte nicht gedacht, dass das so eine Welle lostreten würde. Immer, wenn sie mit Felix unterwegs war, bemerkte man gar nicht, wie viele ihn anscheinend kannten. Oder lag das daran, dass sie hier in Berlin waren? Hier sah man ständig mal irgendwelche Promis, noch vor ein paar Tagen hatte sie Casper beim Bäcker Brötchen holen gesehen. Natürlich würde sie ihn nie ansprechen – und so hielten es sicherlich auch andere Berliner. Hm. Ihr Handy vibrierte.
„Hi. Hast du was vor? Wir chillen gerade bei mir rum.", Felix.
„Ne, eigentlich nicht. Wäre sonst ins Fitnessstudio gegangen", Anna zögerte, „wer ist denn alles da?"
„Nur Kawus und Julian."
„Ihr könnt auch was alleine machen."
„Ne, komm doch rum."
„Okay."
Der Weg durch die Straßen war wie immer, eine Mischung aus Erleichterung, frischer Luft und unangenehmen Begegnungen. Anna gab einem Mann, der so aussah, als hätte er seit Tagen nichts gegessen, ein paar Euro. Als sie ein paar hundert Meter weiter schließlich vor Felix' Wohnung stand, fiel ihr ein dunkel gekleideter Kerl ins Auge, der vor dem Gebäude herumlungerte. Er sah aus wie jemand, der auf etwas wartete. Auch, wenn er auf seinem großen Smartphone herumtippte, hatte sie das Gefühl, er würde sie anstarren.
Wurde sie so langsam paranoid? Sie ging an dem Mann vorbei und schellte. Ohne Antwort wurde der Summer gedrückt und Anna trat ein. Schnell passierte sie Svens Tür und war erleichtert, als sie schließlich im Penthouse ankam.
„Guten Tag, Schwägerin", Julian öffnete und grinste breit.
„Hab ich was verpasst?", lachte Anna.
„Na ja, ich weiß nicht, ob du Zeitung gelesen hast... ich wünschte, die würden mal was über mich schreiben."
„Du bist halt nicht so interessant!", rief Kawus von innen.
„Sagt der Richtige!", konterte Julian. Anna strich ihre Sneaker von den Füßen und lief ins Wohnzimmer. Felix saß im Sessel und einen Moment war sie unschlüssig, wie sie ihm begegnen sollte.
Flink stand er auf, kam auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Alter, seid ihr schon beim Pärchen-Kuss angekommen? Richtig lahm", kommentierte Julian wieder.
„Bruder, kannst du mal die Fresse halten?", fragte Felix und fläzte sich wieder in den Sessel, „mach mal lieber mein Bier auf. Heute wird gesoffen!"
„Warum?", fragte Anna, setzte sich auf die Sessellehne und ließ sich von Kawus ebenfalls ein Bier reichen.
„Ich hab die Benz-Arena klar gemacht", er grinste.
„Benz-Arena?!"
„Jup. 10.000 Leute."
„Das ist unfassbar."
„Ich kriege so schon schwitzige Hände, Felix, du musst das nicht immer wiederholen", sagte Kawus und umklammerte sein Bier.
„Du machst den Opener?"
„Sieht so aus."
„Geil!", rief Anna und nahm einen Schluck, „dann auf euch!", sie stießen an.
Julian schlug seinem großen Bruder auf den Rücken und verschüttete ein wenig Bier.
„Oh Mann, jetzt hab ich Bier auf der Rolex", murrte er und die beiden lachten los. „Das einzige, wovor ich Angst habe, ist, dass Felix' ohnehin riesiges Ego jetzt noch mehr wächst", grinste Julian und wischte seine Uhr an der Sofalehne sauber.
„Könnte passieren", stimmte Felix zu und nippte an seinem Bier. Er legte den Arm um Annas Taille. Sie genoss die Berührung, auch wenn sich ihre Gedanken überschlugen. Ab nächster Woche würde er für eine lange Zeit unterwegs sein. Das Ganze würde mit der Benz-Arena enden. Unfassbar.
Sie tranken und hörten billigen Deutschrap. Anna überzeugte Julian mit ihrer Fähigkeit, fast jeden Text mitzurappen. Sie freute sich für Felix. Seine Augen strahlten so. Er war wirklich stolz auf sich. Anna verdrängte den Gedanken an die blöde Bildzeitung einfach. Vielleicht konnten sie da ja an einem anderen Tag drüber reden.
Die Stimmung wurde immer ausgelassener und die Lobrecht-Brüder rissen einen Witz nach dem anderen. Anna wandte sich Kawus zu, da man bei dem ganzen Gelächter kaum noch zu Wort kam. Julian und Felix sahen sich nicht nur ähnlich, sie hatten auch noch genau denselben Humor.
Kawus fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Oh Mann, ich bin schon echt angetrunken."
„Ich auch", gab Anna zu und grinste, „sag mal, blöde Frage, aber wenn du Moslem bist, wieso trinkst du dann?"
„Ich praktiziere nicht. Eigentlich ist mir der ganze Scheiß ziemlich egal", er legte sich gespielt erschrocken die Hand auf den Mund, „oh nein, wenn Allah das jetzt gehört hat, bin ich am Arsch. Mama Kalantar würde ausrasten."
„Sie ist also Muslimin?"
„Ja, aber erst seit 9 / 11", er lachte los, „da hat sie gesehen, dass wir wohl doch gewinnen können."
Anna prustete los. Kawus schüttelte den Kopf. „Aber sonst ist sie nett. Also, wenn sie mich nicht gerade fragt, wann ich endlich Kinder produziere. Dieses ganze Stand-Up-Ding versteht sie auch nicht so wirklich."
„Meine Eltern sind da ganz entspannt. Papa hätte ohnehin nie gedacht, dass ich das Studium schaffe, ich hab schon alle ihre Erwartungen übertroffen."
„Das ist gut, dann lassen sie dich wenigstens in Ruhe."
„Na ja, von wegen Partner wollen sie aber auch immer auf dem Laufenden bleiben."
„Und dann kommst du mit dem Typen da an", Kawus schüttelte langsam und ernst den Kopf. Passenderweise bewarf Felix seinen kleinen Bruder gerade mit Erdnüssen, die auf dem Tisch standen.
„Ich finde ihn eigentlich ganz gut", sinnierte Anna.
„Hey, ich auch", Kawus hob die Hände, „der beste Mensch der Welt."
„Redet ihr von mir?", Felix hörte auf, Julian zu bombardieren.
„Klar, dass du dich da angesprochen fühlst", grinste Kawus. Felix aß eine Erdnuss und grinste seinen persischen Freund an.
„Hast du Annas Eltern schon kennengelernt?", fragte letzterer.
„Nö. Anna hat Frankie aber auch noch nicht kennengelernt."
„Ihr zieht jetzt die Pärchenscheiße voll durch, wa?", fragte Julian.
„Bruder, nur weil du noch nie Pärchenscheiße hattest, brauchst du das nicht schlecht reden."
Gespielt verletzt packte Julian sich dramatisch an sein Herz. „Dass du immer mit dem stumpfen Messer in die Wunde stechen musst."
„Unnötig dramatisch", kommentierte Kawus, „ich hab auch keine Freundin, Julian."
„Solange wie du drei Mal am Tag warm essen willst, wird das auch so bleiben", grinste Felix, „janz komische Angewohnheit."
„Kann ja nicht jeder Haferflocken mit Wasser essen mittags. Ich hab jetzt gelesen, dass Quinoa, auch wenn das warm ist, so richtig..."
„Kawus, lass dich nicht immer von diesem Hipsterscheiß beeinflussen."
Anna blickte ein wenig angewidert zu Felix. „Du isst wirklich Haferflocken mit Wasser?"
„Guck ihn dir doch mal an", lachte Kawus, „wir alle wissen, was da unter dem Hoodie ist."
Anna biss sich beim Gedanken an Felix' Oberkörper auf die Lippe und musste zugeben, dass der ruhig so bleiben konnte. Kurz schüttelte sie den Kopf, als hätte sie Wasser in den Ohren. Felix grinste ihr einen Hauch zu wissend und sie spürte, wie sein Griff an ihrer Taille fester wurde.
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Weiber, oder? Gemischtes Hack - Felix Lobrecht x OC
Fanfic„Ziemlich teuer hier", bemerkte Tommi, der durch das viele Treppensteigen ein wenig außer Atem zu sein schien. „Ja, mein... Freund hat sie gemietet..." „Achso", Tommi schwieg, „kannst du ihn nicht anrufen wegen des Schlüssels?", fragte er dann. Sie...