Prolog

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Mia 

"Laura! Wo sind die Papiere!"

Wie eine Verrückte suche ich diese scheiß Einladungspapiere aber weiß einfach nicht mehr, wo ich sie hingelegt habe. Eigentlich wollte ich Laura schon vor drei Stunden nach Hause schicken, aber da Tom mich jetzt angerufen hat und sagte, dass wir heute Abend zum Red Carpet müssen, und ja, seine Wortwahl war wirklich müssen, muss ich sie jetzt doch länger arbeiten lassen. Aber ihr macht die Arbeit Spaß. Sie kann allerdings jederzeit nach oben fahren, wo Tom und ich leben und kann sich dort auf die Coach legen. Sie muss nicht mehr machen, als das was sie schafft. Und sie macht wirklich vie für mich. Keinem der 27 Mitarbeiter vertraue ich so, wie ihr. 

"Rechte Schublade, hinten links."

Ich liebe sie. 

Es sind jetzt drei Jahre vergangen.

In zwei Wochen feiere ich meinen 30. Geburtstag. Wie schnell die Zeit doch verging. Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wäre ich nicht gegangen. Hätte Sebastian die Ehe bereut? Hätte er mich irgendwann vermisst? Was machen Chris und Joe? Haben sie schon geheiratet? Kinder? Was macht Anthony? Alles Fragen, die täglich durch meinen Kopf schießen. Ich vermisse sie, alle vier. Auch wenn es schmerzt, daran zurückzudenken, dass ich aus dem Leben meiner besten Freundin verbannt wurde. Ihr dämliches Lachen, ihre dummen Ausreden und unüberlegten Witze fehlen mir am meisten. Anthonys lange Umarmungen, dumme Kommentare von Chris, Sebastians Augen ... 

Alles scheint aus meinem Leben radiert zu sein, unerreichbar fern und doch so nah ...

Man sagt, das erste, was man an einem Menschen vergisst, ist seine Stimme. Doch tief in mir höre ich ihre Stimmen, als hätten wir gerade noch telefoniert. Klar, ich habe hier in der Zweitstelle Anschluss gefunden und in Tom einen super, platonischen Partner, Laura ist eine gute Freundin geworden und Arnold ist immer noch wie ein Vater für mich, aber es ist nicht das Leben, was ich für mich vorgesehen hatte. Platonische Beziehungen halten für gewöhnlich nicht für die Ewigkeit ich werde 30. Ich sollte an Familie und Ehe denken, aber all das wird es zwischen Tom und mir nicht geben. Wir lieben uns nicht, das haben wir von Anfang an klar gemacht. Das könnte ich auch gar nicht, weil in meinem Herz immer noch der ein und selbe Mann ist, wie vor drei Jahren.
Ja, Tom und ich führen in gewisser weise eine Beziehung, nur ist sie eben nur da, damit wir ... beide nicht in unseren Kopf ertrinken. Er hat auch einen Neuanfang in Chicago gewagt und zufällig haben wie uns getroffen. Wir küssen uns, schlafen miteinander, halten uns und haben seltsame Spitznamen, wie es alle in einer Beziehung machen, aber weder ich, noch er haben Platz in unserem Herzen füreinander. Chicago hat mir keinen seelischen Abstand zu Sebastian gebracht. Nein, Chicago hat es noch viel schlimmer werden lassen. Wie seine Kinder wohl aussehen? Ob sie seine schönen Augen haben? Sein wildes Haar und die verwegenen Lippen?

"Ich habe jetzt einen Termin beim Friseur, bekommst du das hin?", frage ich Laura und sie streicht einzelne Strähnen ihres roten Haares hinter ihre Ohren.
"Sicher", sagt sie und grinst mir entgegen. "Den 17 Uhr Termin habe ich auf morgen verschoben. Wenn du willst, kann ich den übernehmen."
"Das wäre super, dann könnte ich mich morgen auf die Vorbereitung für deinen Geburtstag in drei Tagen stürzen."
"Du musst das wirklich nicht tun, Mia, ich-"
"Aber ich will es." Unterbreche ich sie und lächle sie an. "DU bist mir wichtig und man wird nur einmal 25." Ich lege ihr die Unterlagen für morgen auf den Tisch, den blauen Ordner für heute und mein Notizbuch.
"Man wird jedes Alter nur einmal." Lachend schüttelt sie den Kopf und ich steige mit ein. Sie ist so ein lieber Mensch, zuvorkommend und aufmerksam. Alles, was ich hier in meinem Büro brauche. Joe würde sie lieben. Oh, und Mackie erst. Ich glaube sogar, dass Anthony sie richtig gerne hätte. Laura ist ein sanftmütiges Wesen, immer zur Stelle, wenn man sie braucht und immer neben einem, wenn ein starker Wind weht. Sie ist loyal und das weiß ich sehr zu schätzen. 
"Egal. Ich möchte, dass du richtig feierst."
"Danke. Das ist wirklich sehr nett von dir." In ihrem Gesicht zeichnen sich rote Stellen ab und ich streiche durch ihr schönes Haar, als ich an ihr vorbeigehe und zum Fahrstuhl laufe. 
"Pass auf dich auf und melde dich, wenn du etwas brauchst!", rufe ich ihr nach, als sich die Türen schließen. Bestätigend hebt sie den Daumen und nur eine Sekunde später, sehe ich mir grinsend in der Spiegeltür entgegen. 

Ich muss jetzt schnell ein Kleid organisieren, welches ich auch tragen kann. Außerdem muss ich Toms Anzug bügeln, er bringt mich um, wenn auch nur eine Falte zu sehen ist. Noch immer grinsend drücke ich den Knopf in den ersten Stock. Dort muss ich bei Tom im Büro vorbei, sein Manager wird noch da sein. Er sagte etwas, von grauer Tüte. Was auch immer er in grauen Tüten herumschleppt. 

Tom ist ein seltsamer, aber einfühlsamer Mensch. Er stützt mich, wann immer ich ihn brauche und der Sex mit ihm ist genauso fantastisch, wie er selbst. Er lässt mich, mich geliebt fühlen, obwohl keinerlei Gefühle im Spiel sind, weder von seiner Seite, noch von meiner. Er beschenkt mich mit Blumen, Schmuck oder anderen kleinen Aufmerksamkeiten. Seine Finger setzen meinen Körper in Brand und seine Lippen lassen mich alles vergessen. Es ist, als wäre seine körperliche Seite, nur für mich geschaffen. Wir beide kämpfen mit dem Verlust geliebter Personen und für andere lassen wir es auch so aussehen, als wären wir das perfekte Paar. Wir könnten es auch sicher sein, aber es fehlt einfach etwas. Und dieses Etwas ist ein ausschlaggebender Punkt. 

Der Fahrstuhl hält an und ich steuere direkt auf Toms Büro zu. Er selbst ist bei einem Interview und kommt erst in zwei Stunden, aber in der Zeit habe ich genug Momente, um mich fertigzumachen. 
"Hey Robert", begrüße ich seinen Manager. "Tom meinte, irgendeine graue Tüte würde hier liegen?"
"Ja, viel Spaß damit, du wirst sicher gut darin aussehen" Gut in was, aussehen? Fragend drehe ich den Kopf zur Seite und trete richtig ein. Mit dem Kopf deutet er vor sich und ich drehe den Kopf nach links. Dort hängt an der Wand eine große Kleidtasche und seufzend schüttle ich den Kopf. 
"Er ist unverbesserlich, oder?", frage ich mehr mich selbst, als Robert. 
"Er weiß halt, wie du zu ihm stehst und dass du loyal bist."
"Tom ist viel zu gut für mich. Sag ihm das, beim nächsten Mal." Robert lacht und ich nehme die Tasche von der Halterung, ehe ich wieder zur Tür laufe. "Sehen wir uns später?"
"Nein, ich habe keine Lust auf den Red Carpet heute. Außerdem muss ich Toms Sachen klären, es kommt eine Menge Arbeit auf ihn zu."
"Okay, dann wünsche ich dir später einen schönen Feierabend, grüß deine Frau und Kinder von mir."

Die Zeit in Chicago hat mich verändert.

Andere Menschen und ihre Ansichten interessieren mich mehr denn je und bei jedem Baby muss ich anhalten und in den Kinderwagen sehen. Ich liebe es, Kindern, die mit ihren Müttern draußen unterwegs sind, Süßigkeiten zu kaufen und mich mit ihnen zu unterhalten. Rachsucht hat sich komplett verabschiedet und alles, wonach ich mich sehne, ist Frieden. Frieden und mein Leben, dass ich zurückgelassen habe, weil ich schmerzlich ersetzt wurde. 

Genug der Trauer.

Heute lass ich es mir gut gehen.

Ich werde Sekt trinken und nach dem Red Carpet werde ich Zeit mit Tom verbringen, die ganze Nacht lang und auf dem Flachdach meiner Firma werde ich die Sterne beobachten.

Aber alles erst nach der Gala.

Also, machen wir uns mal fertig ...



Herbstregen -Sebastian Stan / Chris Evans Buch2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt