Als Hätten Wir Nie Existiert

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Sebastian 

Vor zwei Jahren 


Der rauchige Geschmack des Whiskys rinnt meine Kehle hinab. Das ist die dritte Nacht, in der ich wach bin und wieder liegt eine Frau in meinem Bett und wieder ist es eine, die sich als totaler Reinfall entpuppt hat. Ich sollte mir endlich eingestehen, dass ich mich komplett zum Gespött entwickelt habe. Ein tiefer Zug an der Zigarette und einen erneuten Schluck aus dem Schwenker. Mein Leben ist mir komplett aus den Fingern geglitten.
Alles, was ich mir auf die Beine gestellt habe, ist zerbrochen. Verflogen, wie der Rauch meines Nikotinstummels. Die Frau neben mir, viel mehr fast auf mir, ist stumm und leise, obwohl sie noch wach ist. Ich glaube, Maria war ihr Name. Zwischen all den vielen Namen und Frauen, vergesse ich mehr als die Hälfte wieder innerhalb weniger Minuten.
Ihr Haar ist dunkelblond, fast braun und ihre Augen grau. Keine Ahnung, was mich dazu gebracht hat, diese Chick mit in mein Verlies aus selbst quälenden Gedanken zu nehmen. Vielleicht lag es an den Flashbacks, die sie in mir auslöste. Vielleicht aber auch nur ein weiterer Versuch, die Einsamkeit in meinem Körper auszulöschen. Es hat auch funktioniert, so lange sie auf mir saß. Doch sobald ihr müder Körper in sich zusammensackte, sie ihr rechtes Bein über meine Hüfte schwang und ihren schweren Kopf auf meine Brust legte, war es wieder da. Das Gefühl von Einsamkeit und Leere. 

Sie redet nicht, worüber ich froh bin. Reicht, wenn ihre quietschende Stimme mein Schlafzimmer verseucht hat. Das flackernde Licht des Fernsehers erhellt das Zimmer in bunten Farben und schier stumm sehe ich auf die Show, die gerade läuft. Jimmy Kimmel, das dürfte mein Interview sein, von vor drei Monaten. Ich weiß schon gar nicht mehr genau, was er mich alles fragte und ich alles beantwortet habe. Alles, was in meinem Gedächtnis geblieben ist, ist, dass er ihren Namen erwähnt hat und nur wenige Sekunden später hat mein Kopf komplett ausgesetzt. Noch immer, obwohl sie schon so lange fort ist, reißt die Erwähnung ihres Namens ein Loch in mein Gehirn. 

"Guten Abend liebe Zuschauer, heute haben wir einen ganz besonderen Gast bei uns. Ihr kennt ihn sicher noch als der Hochzeitscrasher und dem ewigen Junggesellen. Sebastian Stan, meine Damen und Herren." Tief atme ich aus und schließe einen Moment die Augen, ich sollte umschalten, bevor das Chick neben mir noch Wind davon bekommt. Auf dämliche Fragen habe ich keine Lust heute. "Hey, Sebastian, lange nichts mehr von dir gehört, wie geht es dir?"
"Gut", höre ich meine eigene Stimme. "Es ging mir schon mal besser, aber mir geht es nicht schlecht." Ja, ich bin ein grandioser Lügner. 
"Sag mal, du hast die Story noch nie erzählt, warum hast du Amanda vor dem Altar stehen lassen? Sie sagte vor der Presse, dass es die Schuld einer anderen Frau war, Mia heißt sie angeblich, stimmt das?"
"Wer ist Mia?" Die Stimme neben mir reißt mich aus den Gedanken und sofort sehe ich nach rechts. 

Aber anstelle des dunklen Haares und der grauen Augen, sehe ich eisblaue Iriden und blondes Haar, fast so hell wie die Sonnenstrahlen. Mia ...
Erschrocken schlucke ich und öffne meinen Mund, doch als sie meinen Namen erneut sagt, schüttle ich den Kopf und fasse mich wieder. Sie muss gehen, sofort. Ich schiebe das Bein des Mädchens von mir und rolle mich unter ihr hervor. 
"Du musst jetzt gehen, sage ich und schalte schnell den Fernseher aus, damit ich nicht noch einmal diesen Namen hören muss oder all die Worte aus Jimmys Mund, die mir den Boden unter den Füßen wegziehen. 
"Was?", fragt sie mich entsetzt und setzt sich nackt in meinem Bett auf. "Wie soll ich denn bitte um diese Uhrzeit nach Hause kommen?"
"Geh einfach. Ich zahle dein Taxi und danach werden wir uns nie wiedersehen." Meine Worte mögen hart sein, aber ich kann ihre Nähe nicht ertragen. Es fühlt sich an, als würde ich sie belügen. Sogar betrügen. Auch wenn sie nicht mehr hier ist, erinnert mich alles an sie und irgendwann wird genau das mein Todesurteil. Ich verliere mich immer mehr in der Vergangenheit und habe sogar bei meinem Manager Urlaub beantragt, den ich nach sechs Wochen immer noch fortführe.
"Du bist so ein Arsch, Sebastian Stan!", brüllt die junge Frau mir entgegen und ich lache auf. 
"Wenn du wüsstest, was ich schon alles für eine Frau getan habe, dann würdest du mich nicht so nennen. Jetzt schwing deinen Arsch aus meinem Haus und versuch mich nie wieder zu kontaktieren!" 

Herbstregen -Sebastian Stan / Chris Evans Buch2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt