Evgenia und ihr Mann

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Mia

Küsse auf meiner Haut reißen mich sanft aus meinem tiefen Schlaf. 

Müde öffne ich meine Lider und Sebastian ist über mir gebeugt. Breit grinsend forscht er in meinem Gesicht und noch halb schlafend Brumme ich leise.
Wie lange ist es her, dass ich mich auf das Aufwachen gefreut habe? Das letzte mal war ich so euphorisch, bevor ich Boston verlassen habe. 
"Warum weckst du mich?", frage ich und schlinge meine Arme um Sebastians Nacken. Seine nackte Haut ist warm und weich und am liebsten würde ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge verstecken.

Heute sollte ich mich definitiv um die Tom-Sache kümmern. Heute Abend kommt er nach Boston und ja, klar. Er kommt in einem Hotel unter, aber er wird mich auch um sich haben - oder Zeit mit mir totschlagen wollen. Er weiß nicht so richtig, was zwischen Sebastian und mir vorgefallen ist, er weiß nur, dass er etwas in mir auslöst und ich meine Vergangenheit nicht leugnen kann. Oder gar will. Das größere Problem besteht aber lediglich darin, Sebastian ruhig zu halten. Ich will nicht, dass Tom alles erfährt. Beide sind wichtig für mein Leben aber letztendlich kann ich und sollte ich mich für einen entscheiden. Wobei ich das nicht einmal benötige, mein Herz weiß, wonach es sich sehnt. Denke ich. 

"Riechst du das nicht? Chris, Joe und Laura haben Frühstück gemacht. Hast du Hunger?" Seine Lippen wandern über meinen Hals zu meinem Schlüsselbein und leise seufze ich. Wieder lenkt er mich von meinen Gedanken ab. Er weiß einfach, wann ich abdrifte und wie man mich zurückzuholen hat. Etwas, was Tom nicht weiß. Er lässt mich in meinen Gedanken und leistet mir lediglich Gesellschaft. Was jetzt nicht wirklich falsch ist. Manchmal finde ich es sogar angenehm, wenn man mich für fünf Minuten träumen lässt. 
"So wie du ... wieder drauf bist, schätze ich eher, dass du derjenige bist, der Hunger hat." Leicht grinse ich und streiche durch sein Haar, bevor er den Kopf hebt und grinsend in mein Gesicht sieht.

Seine Kiefer sind mit den Jahren markant geworden, sein Haar etwas länger, vermutlich für seinen neuen Film und er hat sich den Bart abrasiert. Wann hat er sich bitte den Bart abrasiert?! Heute Nacht hatte er ihn noch, darauf könnte ich schwören ... Hat er etwa nicht geschlafen?
"Was siehst du mich so analytisch an?", fragt er mit gehobener Augenbraue und ich setze mich auf. Dabei schiebe ich ihn von mir und drehe den Kopf leicht zur Seite.

Hat er den Braten gerochen? Er kann mir nichts vormachen, ich kenne ihn. Ich wusste auch schon damals immer, wenn ihn etwas beschäftigt hat. 

"Du hast nicht geschlafen, richtig? Ich sehe das alleine an deinen Augen und an der Tatsache, dass du deinen Bart abrasiert hast."
"Was?" Verwundert sieht er mich an, dann lacht er. "Ich habe heute Nacht auf dich aufgepasst. Der Sanitäter sagte doch gestern, dass man ein Auge auf dich werfen soll." Ich verdrehe die Augen und schlage die Decke weg. Das ist gewiss keine Entschuldigung. 
"Ich wäre sicher nicht gestorben. Du weißt ja, Unkraut vergeht nicht." Jetzt verdreht er die Augen und ich stehe auf. Ich liebe es, mich über Kleinigkeiten bei ihm aufzuregen.
Er witzelt selbst darüber und ich will nicht sagen, dass der Sex danach verwerflich ist. Ich bin gerne rebellisch, daran ist nichts auszusetzen. Und Sebastian liebt es nicht minder wie ich. 
"Moment mal, ich sagte was von 'Aufwachen, weil das Frühstück fertig ist' nicht, dass du das Bett verlassen sollst." Lachend und an der Hüfte zieht er mich zurück ins Bett, sodass ich kurz aufschreie und ihm das Kissen ins Gesicht drücke, als es vor meinem Blickfeld erscheint. "Ich habe ganze fünf Jahre nachzuholen." Hat er das? Seine Worte lösen in meinem Bauch ein wohltuendes Kribbeln aus.
"Ach ja? Die hast du dir doch anderweitig vertrieben oder nicht?" Es schadet nicht, ihn daran zu erinnern, wen er im Bett hatte. Das werde ich ihm ewig vorhalten, auch wenn er dazu nichts kann. Aber allein die Tatsache, dass er mich in ihr gesucht hat ist echt ... abstoßend. 
"Du Biest!" Lachend wirft er sich auf mich und nicht weniger lachend rolle ich mich zur Seite. Ich sollte mich noch nicht so rasch bewegen, aber mit Sebastian habe ich einfach den Spaß meines Lebens, selbst in den merkwürdigsten und schlimmsten Momenten. "Warte ab, Mia. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du nicht mehr lachen!" Ich springe vom Bett und als er sich von der Decke rollt, steht er mir gegenüber. Kampfbereit und mit einem breiten Grinsen. "Ich würde sagen, an die Wand genagelt. Wie willst du jetzt fliehen?"
"Vielleicht will ich das gar nicht ...", sage ich leise und streife mein Shirt über den Kopf, sodass ich nur im Höschen vor ihm stehe. Sein Blick wandert über meinen Körper, als er sich auf die Unterlippe beißt. 
"Moment mal, du willst mich einfach nur erpressen, mehr nicht", sagt er, als ich auf das Bett klettere und gerade dabei war, auf der anderen Seite wieder runter zu rutschen.
"Was?", perplex sehe ich zu ihm, als er mich unter sich begräbt und mir schelmisch entgegen blickt. "Erpressen? Niemals." Ich lege meine Hände an seine Wangen und drücke sie zusammen, sodass seine Lippen wie die eines Fisches aussehen und lache kurz. 
"Du musst etwas essen, du kommst gar nicht drum rum, nicht, nichts zu essen."
"Komm schon, Seba. Ich will heute einfach noch bis Abends mit dir im Bett liegen. Ist das so verwerflich? Wir haben-"
"Nein, Mia. Wenn du willst, dann gehen wir auch frühstücken, aber ich weiß, was du vorhast und das kann ich nicht akzeptieren. Du kannst nicht einfach davonlaufen." Er stützt sich auf den Knien ab und nimmt meine Hände von seinem Gesicht. "Auch wenn mir das bei deinem Anblick wirklich schwer fällt. Du wolltest mir die Dinge zwischen Evgenia und dir erklären."
"Muss ich das wirklich?", seufzend drehe ich meinen Kopf weg und starre an die Decke. Gestern, als ich Redebedarf hatte, wollte er nicht reden und jetzt wo ich die Zeit mit ihm genießen will, soll ich ihm alles offenlegen. Manchmal verstehe ich diesen Mann nicht.
"Keine Geheimnisse mehr. Das hast du mir versprochen. Und wenn wir funktionieren sollen ... wollen, dann müssen wir ehrlich zueinander sein." Er kommt meinem Gesicht näher und küsst meine rechte Wange, ehe er seine Lippen über meinen Hals wandern lässt und meine Hände über meinen Kopf zusammenlegt.
"Das ist sehr kontraproduktiv was du hier machst", keuche ich leise und lege den Kopf in den Nacken, damit er besser an meinen Hals kommt.
"Du hast dich mir angeboten. Und nach fünf Jahren solltest du wissen, dass mein Körper nur eine Schwachstelle hat." Ich grinse bei seinen Worten und mit den Fingerspitzen wandert er meine Hände abwärts über meine Unterarme und meine Arme, bis er an meinen Seiten ist und kurz zucke ich unter den sanften Berührungen und keuche erneut auf, als seine Hände sich auf meine Brüste schieben. "Außerdem bist du nicht gerade abgeneigt, Miaschatz." Was denkt er denn, was er hier tut? Ich stelle mein linkes Bein auf, ziehe es zwischen seinen Beinen hervor und stelle meinen Fuß auf seiner Brust ab. 
"Wenn du denkst, ich könnte dir nicht widerstehen, dann hast du dich geschnitten, Stan." Schelmisch grinse ich und er kontert mein Grinsen, was mich kurz verwirrt. Dann legt er seine Hände an mein Bein und wandert bis zu meinem Oberschenkel hoch. 
"Ich würde nicht gerade behaupten, dass du das kannst." 

Ein Klopfen an meiner Zimmertür lässt uns beide hochschrecken und sofort wirft Sebastian die Decke auf mich und steigt aus dem Bett. 
"Hey", protestiere ich und ziehe die Decke von meinem Kopf. Sebastian hat inzwischen, nur in Boxershorts, die Tür geöffnet. 
"Chris", räuspert er sich. 
"Ich ... Joe hat Frühstück gemacht und wollte wissen, ob ihr auch etwas ... essen möchtet", er sieht über Sebastians Schulter zu mir und hebt kurz die Hand. "Morgen, Mia."
"Morgen, Chris", antworte ich ihm und Chris mustert Sebastian, schüttelt darauf lachend den Kopf und seufzt tief. 
"Kommt einfach runter, wenn ihr essen wollt. Wir fangen schon mal an."
"Sind in fünf Minuten da!", rufe ich, als Sebastian die Tür schließt und ich vom Bett klettere. "Ich mache dir einen Deal." Sebastian starrt auf meine Brüste und erst als ich sie verdecke und vor seinen Augen schnippe, hebt er den Kopf an. "Hört du mir zu?"
"Mein Kopf ist vollkommen bei dir, Baby." Er zieht mich an der Hüfte zu sich und nimmt meine Hände von meinen Brüste, die er um seinen Nacken legt und meine Wangen küsst. 
"Wir gehen jetzt frühstücken, dann gehen wir gemeinsam spazieren und wenn wir dann am See sind, erzähle ich dir die ganze Story."
"Gute Idee. Und was machen wir heute Abend?"
"Heute Abend?", frage ich verwirrt und er hebt die Augenbrauen an. "Ah, ja. Du meinst Tom. Keine Ahnung."
"Keine Ahnung? Du hast mit dem Mann mehrere Nächte geteilt, als wir überhaupt Zeit verbracht haben. Keine Ahnung ... ist mir da leider keine richtige Antwort." Er entfernt sich von mir und genervt seufze ich, bevor ich die Arme vor meiner Brust verschränke und ihn ernst ansehe. 
"Und was willst du hören? Ihr seid beide wichtig für mich, Sebastian. Ich brauche euch-"
"Du kannst ... aber nur einen von uns haben. Ich ... kann dich nicht mit jemand anderen teilen." Aber ich musste das?
"Ach? Irgendwie kommt mir das alles so bekannt vor. Warte mal, habe ich dich nicht auch mit Amanda teilen müssen?! Habe ich dich damals unter Druck gesetzt?" Vor mir stehend verdreht er die Augen und ich hebe meine linke Braue an. "Ich habe dir damals die Zeit gegeben, also gibst du sie mir jetzt, bitte auch."
"Ich habe keine Zeit gebraucht."
"Nein? Neben wem ... hast du Nachts geschlafen, wenn sie ihre kontrollierenden fünf Minuten hatte? Du kannst nicht von jetzt auf gleich verlangen, dass ich mein neues Leben aufgebe, dass mich beschützt und behütet hat, ganz gleich vor was. Von dir aus hättest du mich gar nicht gesucht, also schraub deine Ansprüche etwas runter, Stan." Ich drehe mich um, laufe zum Schrank und ziehe eines der vielen Shirts hervor, dass ich mir schnell überziehe. 

Ich spüre seine eiskalten Blicke in meinem Rücken und weiß genau, dass er jetzt noch gerne etwas dransetzen würde, aber er weiß auch, dass das keine gute Idee ist. Einer von uns beiden würde dieses Spiel verlieren und Sebastian weiß, dass ich recht habe. Ich habe auch nicht von ihm verlangt, dass er sein ganzes Leben aufgibt, nur weil ich ihn liebte. Mich jetzt dazu zu zwingen ist nicht fair. Jeden Freiraum den er brauchte, habe ich geduldet. Ich habe es über mich ergehen lassen, dass er nur zu mir kam, wenn sie ihn wieder abgefuckt hat. Ich habe es ertragen, wenn er neben einer anderen Frau lag. Sicher, ich werde mit Tom reden, es ist vorbei, das ist Fakt. Aber ich bin nicht jemand, der von heute auf morgen, alles über den Haufen werfen kann. 
"Das ist nicht fair", sagt er leise hinter mir. "Du wolltest von mir nicht gefunden werden und jetzt machst du mir Vorwürfe, dass ich mich jahrelang mit Schlaflosigkeit und Depressionen herumgeschlagen habe." Seine Stimme ist ruhig und brüchig und lässt mich schlucken. Kurz halte ich inne und reibe meine Lippen aufeinander. Vielleicht habe ich ein bisschen überreagiert, aber wer würde das nicht, wenn man auf offener Brust angeschossen wird.
"Sebastian", fange ich an und drehe mich um. Er schluckt und schüttelt den Kopf, dann trifft sein intensiver Blick meinen. Wie tausend Nadelstiche sieht er in meine Seele und ich spüre seinen Schmerz. Fuck.
"Lass gut sein, Mia. Melde dich einfach, wenn du weißt, was du willst. Wen ... du willst." Er schlüpft in seine Anzughose, wirft sein Hemd über und geht zur Tür und hält kurz inne, als seine Finger sich fest um den Griff der Tür legen. Weiß stechen seine Knöchel hervor und ich spüre sein Herz rasen. Er sieht aus, als würde er etwas sagen wollen, doch er schüttelt nur den Kopf und verschwindet durch die Tür. Fest beiße ich auf meine Unterlippe, lege meinen Kopf in den Nacken und schließe die Augen, um die Tränen in meinen Augenwinkeln zurück in die Tränensäcke zu verbannen. 

Wieso?

Wieso, muss ich nur immer so gegen ihn schießen?

Wovor habe ich Angst? Warum greife ich ihn immer an?

Ich bin doch selbst schuld, dass er mich nicht finden konnte. Dass er mich nur durch Chris finden konnte. 

Er hat das definitiv nicht verdient. 

Er hat ... den Schmerz mit mir nicht verdient ...

Herbstregen -Sebastian Stan / Chris Evans Buch2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt