Autsch

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Mia

"Geh schon mal vor", sage ich zu Tom und drehe mich in der Türschwelle um. "Ich bringe ihm schnell die leere Flasche wieder."
"Mach nicht zu spät, du hast morgen noch viel zu tun." So viel Verständnis, obwohl er weiß, was ich wirklich tun werde ...
"Ich weiß." Schnell küsse ich seine Wange, dann steige ich wieder in den Fahrstuhl und fahre in den zwölften Stock zurück. Kaum bin ich ausgestiegen und sehe mich um, kann ich auch schon Mackie an einer Tür angelehnt sehen, der seine Hand hebt. 
"Du hast auf dich warten lassen", spricht er, als ich Barfuß zu ihm aufgeholt habe und ich grinse. Eigentlich sollte ich das hier nicht machen, aber es fühlt sich gut an. Etwas zu gut. 
"Das Bier war noch nicht leer."
"Lüge. Egal, komm rein. Chris holt gerade die Pizza mit Käserand."

Anthony lässt mich in ihr Hotelzimmer und ich seufze. Es ist ein Dreierzimmer. Also ist Sebastian wirklich hier ...
Links neben dem Flur steht ein Sessel, daneben ist die Tür zum Badezimmer. In der Mitte des Raumes stehen die drei Einzelbetten. An den Fenstern gegenüber stehen zwei weitere Sessel und rechts daneben kann man wenige Stunfen zu einer kleinen Küchenzeile laufen. Es ist ein schlichtes Zimmer. Aber anders hätte ich es von ihnen nicht erwartet.
"Ist er...?", Frage ich und schlucke. Anthony nickt und deutet mir an, mich zu setzen. Noch immer in meinem Kleid lasse ich mich auf den Sessel neben dem Badezimmer sinken und ziehe meine Beine an den Körper.
"Er ist nicht hier. Wollte spazieren. Bis der kommt, ist morgen früh also keine Sorge. Außerdem sagten wir ihm, dass er sich melden soll, wenn er da ist, damit wir ihn unten abholen können. Die Tür ist ja verschlossen." Okay, das beruhigt mich. Zumindest etwas.
"Es ... Ist irgendwie seltsam, so zu tun, als..."
"Wäre nichts anders? Mia, nur weil du gegangen bist, ohne mit uns darüber ... Okay, mit uns, abgesehen von Chris ... Zu reden, heißt das nicht, dass wir dich verachten oder ähnliches", erklärt er. "Dass er auf der Gala alleine mit dir geredet hat, war auch meine Idee. Weil ich weiß, dass er Dinge auf den Punkt bringt und du nicht ausweichen kannst, nicht so, wie bei mir. Bei mir suchst du Ausreden und darauf hatte ich keine Lust."
"Wow. Wie ehrlich", murmle ich und nehme ein neues Bier an mich. Anthony setzt sich auf einen der anderen Sessel und sieht mich genau an, während er ebenfalls von seinem Bier trinkt. Sein Blick studiert mich, er will wissen, welche Absichten ich habe und wieso ich hier bin. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst ist und genau hingehört hat, dann weiß er zweifelsohne, wieso und weshalb.
"Dein Verschwinden hat uns alle verändert, Mia. Ich war sauer auf dich, sehr sauer. Dieser Brief ... " tief holt er Luft und schüttelt den Kopf, mich noch immer beobachtend. "Er war nichts wert in meinen Augen. Ich bin immer noch der Meinung, dass du mit uns hättest reden sollen, so vieles hätte geklärt werden können und hättest du alles gewusst, wärst du niemals gegangen."
"Was meinst du damit?" Auf irgendetwas spielt er an und so wie ich ihn kenne, wird er es mir erst sagen, wenn alles andere gesagt wurde. 

Stille kehrt ein und alles was wir tun, ist, uns anzusehen. Ich fühle seine ganze Wut, seine Verachtung meiner Taten allein durch seinen Blick und schluckend reibe ich meine Lippen aufeinander. Er will, dass ich nachdenke. Dass ich spüre, was auch er gespürt hat. Den Verrat, seinen Verlust. Ich habe ihn meinen besten Freund genannt und dann sitzenlassen. Mit all den Plänen, die wir hatten. Mit all den Emotionen und unbeantworteten Fragen. Ich schäme mich für das, was ich getan habe und auch, wenn sie meine Taten nicht verstehen oder gar niemals verstehen werde, bereue ich es nicht. Es hat mir Laura in mein Leben gebracht, Tom, so viele neue Menschen, die ich nicht vermissen will. 

"Es ist nicht gerade einfach, die Pizzen warm zu halten, aber sie sollten noch heiß sein." Eine Stimme, die das Zimmer betritt, reißt uns aus der Blickstarre und beide sehen wir zu Chris, der hereintritt. "Bist du alleine?", fragt er, als er zwischen Anthony und mir steht und mich nicht gesehen hat, weil ich mich für den hinteren Sessel entschieden habe. Mit dem Bier und Kopf zeigt Mackie auf mich und Chris dreht sich verwundert um. Es dauert keine drei Sekunden, da legt sich ein breites Grinsen auf seine Lippen und er seufzt erleichtert.
"Hey Buddy", sage ich und grinse ebenfalls. Mit einer Schachtel noch heißer Pizza kommt er auf mich zu und reicht sie mir.
"Ich bin froh, dass du hier bist. So können wir über alles reden."
"Müssen wir wirklich reden? Ich wäre eher für", ich nehme mir eine Schachtel und setze mich im Schneidersitz hin. "Genießen wir den Moment und denken eine Sekunde zurück."
"Wann wolltest du uns sagen, dass Arnold in Rente geht und du zurückkommst?" Erschrocken über das was Chris sagt, als er Anthony seine Pizza gibt und sich neben ihn setzt, erstarre ich und sehe zu ihm.
"Woher weißt du das?", frage ich ihn und öffne den Karton. 
"Du vergisst, dass Arnold und ich in Kontakt stehen, Mia." Das Grinsen auf Chris Lippen wird breit und ertappt nicke ich.
"Ich hatte nicht vor, zurückzukommen. Ich wollte die Filiale Laura überlassen, meiner neuen Assistentin, aber als ich gesehen habe, wie glücklich sie bei mir ist, habe ich im Hinterkopf behalten, mit ihr nach Boston zu gehen und die Zweigstelle hier, Arnolds jüngerem Bruder zu geben." Ich beiße von der Pizza ab und bereits beim ersten Bissen schießen alle Erinnerungen auf mich ein, die ich mit ihnen gesammelt habe. 

Herbstregen -Sebastian Stan / Chris Evans Buch2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt