Die Presse

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Mia

"Dann würde ich sagen, dass ihr so schnell wie möglich nach Boston geht. Dort werde ich meinen Rücktritt bekannt geben und der Umbau der Zweigstelle kann beginnen. Die Pläne gebe ich in deine Hände, Mia, versau mir das nicht."

Ich sitze vor Arnold, der in einem noblen Sakko hier aufgetaucht ist und nicke. Allerdings kann ich an nichts anderes denken, als an Mackie und sein Auftritt hier. Was denkt er eigentlich, was er von mir oder Laura verlangen kann? Soll er doch seinen Eltern sagen, dass seine Freundin frei erfunden ist und dann muss auch niemand den Arsch hinhalten. Weder ich habe Zeit für diese Spielchen, noch Laura oder eine andere Frau aus den Filialen. Wer weiß, wenn ich Arnold lieb frage, stellt er Amanda vielleicht zur Verfügung.
"Mia, hast du mir zugehört?" Aus den Gedanken gerissen sehe ich zu Arnold, nicke und seufze.
"Sorry, war ne lange Nacht. Du hast sicher von der Gala gehört." Genervt schüttelt er den Kopf und steht auf.
"Enttäusch mich einfach nicht. Das in Boston muss noch besser laufen wie hier. Es hängt viel davon ab, mein Bruder wird dich nicht so unterstützen, wie ich es getan habe. Wenn ich ehrlich bin, will ich hier jemanden, auf den ich mich verlassen kann und mein Bruder ist nicht bekannt dafür."
"Wie wäre es mit Anastasia? Sie kommt heute Abend wieder und leistet wirklich gute Arbeit. Bis wir jemanden gefunden haben, kann sie das doch übernehmen." Laura sieht von ihrem Chef zu mir und ich nicke.
"Anastasia ist gar keine schlechte Idee, sie ist seit einem Jahr dabei und macht eher die Aufträge, die weiter weg sind. Aber das kann ja auch Kristen dann für sie übernehmen, die hat sich ohnehin beschwert, dass sie so wenig reisen kann", schlage ich ihm vor und sehe, wie er überlegt. Dabei reibt er seine Nasenwurzel und atmet tief aus.
"Kerstin soll die Langstreckenaufträge übernehmen, Anastasia führt den Laden, bis ich jemand besseren als meinen Bruder gefunden habe. Eigentlich hatte ich gehofft, Amanda würde einsteigen, aber ich erkenne meine Tochter nicht wieder, dieser ... Schauspieler hat sie verändert."
"Naja, Dmepsey war ja schon in seiner Serie als kleiner Schwerenöter unterwegs. Nimm das deiner Tochter nicht übel, sie will die Welt sehen und hat keinerlei Verantwortungsbewusstsein." Versuche ich den Arsch der Person zu retten, die mich bis auf den letzten Tropfen Blut hasst?
"Vermutlich hast du recht." Der alte Mann seufzt tief, nimmt seine Aktentasche vom Stuhl neben sich und hebt die Hand. "Versucht, so schnell wie möglich nach Boston zu kommen, Wohnungen und Startkapital steht euch selbstverständlich zur Verfügung und für ersteres kann ich euch etwas bereitstellen."
"Danke, aber es ist bereits alles in die Wege geleitet, Arnold. Ich habe mich bereits darum gekümmert." Auf dem Weg zur Tür deutet er auf mich und zwinkert.
"Das ist der Grund, warum Laura in deiner Obhut ist und nicht in der, meines Bruders. Wenn du das tust, was Mia tut, wirst du sehr weit kommen, Laura." Mit den Worten schließt er die Tür hinter sich und seufzend lehne ich mich im Stuhl zurück. Er ist ein anstrengender, alter Mann, der keinerlei Lust daran hat, in Rente zu gehen und seine Leute immer noch herumschickt.

"Endlich." Erleichtert streicht sich Laura durchs Gesicht und sieht dann zu mir. "Jetzt zu dir, woher kennst du diesen Anthony." Mein Handy vibriert und ich ziehe es schnell aus der Hosentasche und erkenne Joes Namen. Whatsapp.

Vielleicht wird aus deinem freien Tag nichts. Telefoniere gerade mit Chris, er sagte etwas von Planänderung.

"Lange Geschichte", murre ich und stecke das Handy wieder weg, nachdem ich ihr einen Daumen nach oben geantwortet habe. Sie sollte wissen, dass ich ihre Nachricht gelesen und vernommen habe. "Die ohne Kaffee definitiv nicht zu erzählen ist. Da du ja ohnehin mit nach Boston kommst, sollte ich dich in alles einweihen, aber das mit der Zeit. Heute ist es auf jeden Fall wichtig, dass du tust, was ich dir sage und nichts hinterfragst. Wenn ich dir also, rein zufällig sage, dass du das Auto vorfahren lassen musst, dann lässt du das Auto vorfahren und fährst den Wagen. Eventuell steht heute noch einiges auf dem Spiel."
"Ich liebe aufregende Tage mit dir, aber wir sollten auch an den Plan denken, den wir für heute hatten."
"Eigentlich wolltest du den Termin nehmen und ich mich um deinen Geburtstag kümmern. Aber so wie unser Leben gerade läuft, werden wir den spontan in irgendeiner Bar oder Disco verbringen." Sie lacht und steht auf, sieht auf ihre Uhr und zuckt dann mit den Schultern. Dabei legt sie eines ihre umwerfenden Grinsen ins Gesicht und steckt mich an. "Ich weiß schon, warum Anthony dein Name wollte. Wieso hast du ihm ihn nicht gegeben? Er ist wirklich ein netter Mann."
"Er ist komplett verrückt", lacht sie und ich stehe ebenfalls auf. "Außerdem ist er doch ein Schauspieler, wenn ich das raushören konnte und er belügt seine Eltern."
"Er will ihnen imponieren." Ich öffne ihr die Tür und sie folgt mir. "Gehen wir was essen, ich sterbe vor Hunger."
"Heute soll es nicht gerade Köstlichkeiten aus der Küche geben, aber der Beilagensalat ist gut." Über ihre Worte lache ich und zusammen steigen wir in den Fahrstuhl, der uns runter in den Essenssaal bringt, den Tom, laut Uhrzeit, auch vor wenigen Sekunden betreten haben muss.

Herbstregen -Sebastian Stan / Chris Evans Buch2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt