14. Ein großes Gefühlswirrwarr

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Erst als es dämmerte und Abraham einen fetten Sonnenbrand hatte, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Wir waren mittlerweile nicht mehr weit von zuhause entfernt, da die Straßen Gott sei Dank größtenteils leer und der Verkehr flüssig war.
Nancy wartete zuhause bereits mit dem Abendessen und auch Jaxon konnte meine Ankunft kaum erwarten.
Bereits drei Mal hatte er mich angerufen um nachzufragen, wann ich endlich zuhause war, weil er mit mir zocken wollte.
Nachdem ich ihm vorgeschlagen hatte doch mit Hunter zu spielen - immerhin war dieser der hardcore Gamer unserer WG - erfuhr ich, dass dieser nicht zuhause war und es offenbar auch nicht den Anschein machte, heute wieder zurück zu kommen.
Ein Fakt, der mir das Nachhause kommen ungemein erleichterte.

»Dieser... Kerl..., den du wieder sehen möchtest, was ist das für einer?«, durchbrach Abe plötzlich die Stille. Nur das Autoradio hatte uns etwas beschallt, während wir in angenehmer Ruhe nebeneinander saßen und jeder seinen Gedanken nachgehangen war.

Die Erinnerungen an ihn hatten mich die letzten wenigen Stunden etwas von Hunter weggebracht, sodass ich num stattdessen wieder darüber traurig war seinen Namen nicht zu kennen.

Ich würde alles dafür geben ihn noch einmal sehen zu können.
Nur ein einziges Mal noch.

»Ich weiß nicht wirklich etwas über ihn.« Von dieser Tatsache niedergeschlagen, zuckte ich mit den Schultern.

»Wieso willst du ihn dann wiedersehen?«, fragte Abraham stumpf nach und ließ mich erneut mit den Schultern zucken.

»Da war einfach so eine... Verbindung... Es war für uns beide das erste Mal mit einem Kerl und irgendwie hat es uns zusammengeschweißt...« Ich stockte. »Man! Ich höre mich an wie das größte Mädchen. 'Das hat uns zusammengeschweißt' so ein Bullshit!«, knurrte ich wieder extrem von mir selbst genervt.

»Nein, vielleicht ist es wirklich besser, dass ich ihn nicht mehr wieder gesehen habe... ich würde ihm wie ein treudoofer Dackel hinterherlaufen.«, murmelte ich und lehnte meinen Kopf wieder gegen das Fenster.

»Ich finde nicht, dass du dich anhörst sie ein Mädchen. Du magst ihn ja offensichtlich. Eure Nacht hat dir etwas bedeutet. Darüber sollte man ungeniert sprechen können.« Abraham lächelte mich aufmunternd an, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.

Ich zuckte nur mit den Schultern. Daraufhin kehrte wieder Stille ein.

»Ihm hat es nicht bedeutet. Also brauch ich gar nicht so von ihm schwärmen.«, nuschelte ich mehr oder weniger beabsichtig, dass Abe mich verstand.

»Wieso denkst du das?«

»Ich hab ihn gesucht. Ich war auf jeder Collegeparty, die ich finden konnte und er war nirgends. Kein einziges Mal. Wenn es ihm so in Erinnerung geblieben wäre wie mir, dann hätte er doch auch nach mir gesucht? Oder?«

Abe zuckte mit den Schultern. »Schwierig... aber nur, weil du ihn auf keiner Party gefunden hast, heißt das doch nicht, dass er nicht auch an dich denkt.«

»Abraham, mach mir keine Hoffnungen. Wenn er stillschweigend über mich nachdenkt, bringt mir das auch nichts. Dann kann ich ihn auch nicht sehen.«, keifte ich etwas zu geladen und seufzte im nächsten Moment kraftlos.
»Ich will mit ihm einfach wieder so im Bett liegen, wie auf dieser Party. Es hat sich so verdammt gut angefühlt in seinen Armen zu liegen...«, flüsterte ich den Tränen nah und wand meinen Blick zum Beifahrerfenster hinaus.

Abraham schluckte hörbar. »Du vermisst ihn wirklich?«

Kurz sah ich zu Abe und als ich bejahte war es als würde kurzzeitig ein schuldiger Ausdruck auf seinem Gesicht erscheinen. Doch er war so schnell verschwunden, dass ich mir nicht sicher war, ob ich es mir nicht eingebildet hatte.
Warum sollte Abraham auch ein schlechtes Gewissen haben?

»Und Hunter? Fühlst du ihm gegenüber genauso?«

»Mit Hunter ist alles anders.«, antwortete ich wage.
Ich war mir sicher, dass ich keine Gefühle für Hunter hatte, aber dennoch nahm es mich so sehr mit, dass er mit Elly etwas am laufen hatte. Das verwirrt mich etwas.

Außerdem hatte er sich mit der gestrigen Aktion einige Minuspunkte eingehandelt. Meine darauffolgende Heulattacke hatte wohl mit der emotionalen Belastung zu tun, weil Hunter mich mit meiner größten Unsicherheit konfrontiert hatte und sie mir regelrecht abwertend entgegen geschleudert hatte.
Nicht damit, dass er mich nicht als Freund sah und mit Elly schlief.

»Inwiefern anders?«, harkte Abe nach und sah mir kurz skeptisch entgegen.

»Abe, ich weiß doch auch nicht.«, stöhnte ich verzweifelt und schlug die Hände vorm Gesicht zusammen.
»Es fällt mir unglaublich schwer zwischen verdammt gutem Sex und richtigen Gefühlen zu unterscheiden...«

»Dann solltest du dir über deine Gefühle im Klaren sein, bevor du diesen geheimnisvollen Typen wieder siehst. Sonst verletzt du zum Schluss noch euch beide.«
»Oder Hunter.«, hing Abe leise hinzu.

Ein ironisches Lachen konnte ich mir dabei nicht verkneifen.
»Hunter verletzten? Sicher nicht.«

»Solange du dem anderen nicht weh tust...«, murmelte er, ehe wieder Stille zwischen uns einkehrte.

»Wie geht es deinem Bruder eigentlich?« Plötzlich fiel mir wieder ein, dass Abraham davon erzählt hatte, dass sein Bruder in einer ähnlichen Situation war wie ich.

»M-meinem Bruder? Wie kommst du jetzt auf ihn?« Mit vor Überraschung geweiteten Augen sah Abe schwungvoll zu mir und verriss dabei beinahe das Lenkrad.

Ich lachte über seine lustige Reaktion.
»Ja, dein Bruder. Er hatte doch auch was mit einem Kerl. Hat sich das bei ihm wieder geregelt?«, schmunzelte ich und beobachtete Abraham weiterhin.

Kurz warf Abe mir noch einen nichtssagenden Blick zu, ehe er mit den Schultern zuckte.
»So weit ich weiß, hat er sich dagegen entschieden noch was mit anderen Kerlen zu haben. Er hängt an dem Typen so ziemlich genauso stark wie du an deinem Fremden.«

»Oh man... kennt er ihn wenigstens?«, murmelte ich, sofort Mitgefühl für seinen Bruder empfindend.

»Ja, aber nur vom Hörensagen. Er weiß seinen Namen und wo er herkommt. Direkt kennen tut er ihn nicht.« Abe zuckte gleichgültig mit den Schultern und bog in meine Straße ab.

»Wie empfindet der andere Typ? War der schon... schwul? Oder bi? Oder halt an... Männern interessiert?«

»Mein Bruder möchte erst mit sich selbst ins Reine kommen, bevor er den anderen anspricht. Wie es mit dem anderen aussieht weiß ich nicht. Uuund wir sind da.« Bei den letzten Worten grinste Abe mir breit entgegen, ehe er schwungvoll auf meinen Oberschenkel schlug kaum hatte er vor meinem Wohnhaus den Wagen gestoppt. »Morgen habe ich keine Zeit, aber übermorgen brauche ich jemanden zum lernen und ich habe dich auserkoren.« Er zwinkerte mir frech zu, was mich lachend die Autotür öffnen ließ.

Ich hatte bereits meinen Rucksack aus dem Kofferraum geholt als ich mich nochmal kurz zu seinem offenen Fenster hinunter lehnte.
»Danke für alles, Abe.«

»Jederzeit, Pres.«

Wir tauschten ein ehrliches Lächeln aus, ehe wir uns verabschiedeten.

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