LV.

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~ Draya ~

Aufgewühlt rannte sie aus der großen Halle, als wären sämtliche von Askaban abgeordnete Dementoren auf einmal hinter ihr her.
Sie verließ das Schloss, ohne an irgendetwas denken zu können, geschweige denn zu wissen, wohin ihre Füße sie trugen.
Als sie die Ländereien von Hogwarts betrat, glänzte die untergehende Wintersonne bereits wie ein Feuerball über den schneeweißen Wipfeln der Bäume und brachte den Schnee zum Funkeln, als bestünde er aus reinen, winzigen Diamanten, die unter ihren Schuhen bei jedem Schritt knirschten. Die Tage hier waren wirklich unglaublich kurz geworden, stellte sie nüchtern fest. Trotz der blendenden Schönheit der Landschaft blieb sie allerdings nicht wie sonst kurz ehrfürchtig stehen, sondern lief einfach weiter.

Später war sie überrascht, dass sie daran gedacht hatte, ihren Patronus herauf zu beschwören. Er kreiste in Form eines riesigen Greifvogels über ihrem Kopf, bereit, alle Gefahren abzuwehren.

So stapfte sie über die verschneiten Wiesen, taumelnd und schlitternd, da es über Nacht gefroren hatte, und ab und an fluchend, wenn sie wieder beinahe hingefallen war.
Eine lange Rutschpartie später realisierte sie schließlich, was wieder einmal ihr Ziel war - der See, der tatsächlich noch nicht zugefroren war. Irgendwie zog das mysteriöse Gewässer sie magisch an, immer wenn sie grübelte oder gestresst war kam sie wieder an genau diese Stelle zurück.
Tief in Gedanken versunken lehnte sie sich seitlich an einen der Bäume am Ufer an, vorsichtig, da sie nicht ausrutschen wollte, und zog den Schal, den sie sich geistesgegenwärtig noch umgebunden hatte, fröstelnd enger um die Schultern. Eine kalte Windböe schnitt ihr vom See aus kommend ins Gesicht, sodass sie scharf die kalte Luft einsog und noch tiefer in ihren Mantel rutschte, der zumindest ein wenig Wärme spendete.

Wie hatte sie nur so dumm sein können? Wie hatte sie nicht merken können, wonach ihr Herz schon seit geraumer Zeit verlangte? Ohne es zu wollen, drehten sich ihre Gedanken wieder einmal nur um ihn. Sie dachte an den blonden Slytherin.
Sofort schoss ihr das Blut in den Wangen und in ihrem Bauch stob ein kleiner Schwarm Schmetterlinge auseinander. Schnell verdrängte sie den Gedanken an den Jungen wieder. Das war es also gewesen, was sie so verwirrt hatte. Sie hegte romantische Gefühle für den Sohn des Mannes, der ihr Unbeschreibliches angetan hatte. Oder antun lassen hatte. Ein kalter Schauer jagte ihr über den Rücken, sie wusste jedoch nicht ob vor Kälte, oder ob der Gedanke ihr Angst machte.

Sie sah auf den See hinaus und beobachtete, wie der starke Wind auf der spiegelglatten Oberfläche kleine Muster malte. War das dort hinten der Tentakel des Riesenkraken? Sie sah angestrengt auf den See hinaus. Nein - es war tatsächlich nur ein Stück Treibholz, das träge auf dem See herumtrieb und ab und zu vom Wind herum geschubst wurde. Sie lächelte grimmig. Sie fühlte sich wie dieses Stück Holz. Und ihre Gefühle waren der Wind, der ihr den Willen aufzwangen.

Sie seufzte frustriert und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das Andere. "Warum stehst du hier und seufzt vor dich hin?"
Draya erstarrte erst für einige Sekunden, bevor sie herumwirbelte und das Gesicht von Harry erblickte, der sie stirnrunzelnd ansah. Wie zuvor Cho hatte er die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie gleichermaßen auffordernd wie besorgt an.

"Ach du bist es Harry", sagte Draya langsam. Meine Güte, du hast mich zu Tode erschreckt.
Harry räusperte sich. "Netter Patronus".
Er deutete auf den silbrig schimmernden Greifvogel, der noch immer über Drayas Kopf kreiste. Draya lächelte leicht und kratzte sich am Hinterkopf. Sie konnte nicht mit Komplimenten umgehen. "Danke", sagte sie dann und sah verlegen an Harry vorbei.

"Du warst es oder? Dein Patronus hat mich vor dem Dementor gerettet." Draya sah ihn lange an, bevor sie ihre Gedanken aussprach.

"Ist.. dir das unangenehm?"

Hogwarts - neue Schule, neue Chance?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt