Kapitel 9

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CAMILLA

Mit den Einkaufstüten in den Händen lief ich den Weg nachhause. Innerlich betete ich, dass er und sein Stammbaum außer Haus waren. Mich jetzt vor ihnen zu verstellen, würde mir den letzten Saft entziehen.

In der Einfahrt konnte ich seinen Wagen nicht sichten und pustete erleichtert die Luft aus. Ich trat in die Wohnung und räumte in der Küche die Einkäufe ein.

Mit Entsetzen stellte ich fest, dass die Küche sogar aufgeräumt war, ließ mich aber nicht weiter davon ablenken und räumte auf die Schnelle die Einkäufe ein und zog mir was gemütliches an, um mich auf das Sofa zu verschanzen. Nicht zu vergessen, mit meiner Kuscheldecke.

Jede Nachricht die auf meinem Bildschirm aufblinkte, ignorierte ich und widmete meine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Fernseher. Noch mehr Kopfschmerzen konnte ich mir nicht geben.

Trotz mehrfacher Nachrichten auf meinem Handy schlief ich irgendwie auf dem Sofa und wachte dafür von der Haustürklingel auf, die permanent klingelte. Welcher geistig zurückgebliebene Mensch klingelt denn so oft?!

Ganz schlaftrunken versuchte ich zu mir zu kommen und aufzustehen. Die Klingel wurde immer noch betätigt, aber meinen Gang beschleunigte sich nicht. Soll der Depp doch warten.

Immer noch im Halbschlaf rutschte ich in meine Hausschuhe und schlenderte zur Haustür. „Warum zur Hölle-" ganz schnell war mir die Sprache verschlagen. Der Depp vor mir war mein Vater.

"Papá was machst du hier?" fragte ich leicht verwundert. Ich trat leicht zur Seite um ihn eintreten zu lassen. Das kann jetzt eine unangenehme Situation werden.

„Frag dich doch mal was du hier machst." Erwiderte er in einem harschen Ton. Ich schluckte und zog die Brauen zusammen. Ich hatte großen Respekt vor meinem Vater. Und irgendwie war dieser Respekt auch mit Angst verbunden gewesen.

Ich räusperte mich, um eine feste Stimme zum Vorschein zu bringen. „Wie bitte?" Zusammen setzten wir uns ins Wohnzimmer und er klopfte seltsam mit der Faust auf den Tisch. Ihm lag was schwer auf dem Herzen und eventuell hatte das etwas mit mir zu tun.

„Hör zu Camilla, teste nicht deine oder meine Grenzen. Ich bekomme jeden falschen Schritt von dir mit. Also erkläre mir wieso du dort warst?"

„Wo war ich?" fragte ich irritiert. Doch innerlich ahnte ich, was er wusste. Mein Herz fing langsam an schneller zu schlagen, sodass ich am liebsten laut Luft geholt hätte. Ich wusste, dass es eskalieren würde, egal ob ich es zugeben würde oder nicht. Also entschied ich mich, es einfach zu leugnen.

„Camilla!" schrie er plötzlich und knallte die Faust auf den Tisch. Ich zuckte augenblicklich zusammen und sah ihn schockiert an. Sein Geduldsfaden war heute scheinbar nicht so reißfest.

„Tu' nicht so! Ich weiß wo du warst und du weißt das auch, also beantworte mir meine Frage. Wieso warst du dort?" erwiderte er in einem wesentlich ruhigeren Ton. Das war dann die Ruhe vor dem Sturm.

„Papá, ich weiß nicht was du meinst okay? Wo soll ich gewesen sein?" erklärte ich ruhig und versuchte nicht aufzufliegen, obwohl es bereits zu spät war.

Er stand auf und näherte sich mir. „Versuch mich nicht anzulügen ja?" sprach er aus zusammengebissenen Zähnen und hob den Finger mahnend. Das ließ mich vorerst nicht einschüchtern. Ich würde es nicht vor ihm zugeben, auf keinen Fall.

„Ich weiß nicht wovon du sprichst!" wurde ich eine Oktave lauter und wich ein wenig zurück. Sicherheitsvorkehrung. Mein Vater seufzte laut und drehte mir den Rücken zu, dabei er raufte sich durch sein dunkles braun-graues Haar.

Als er sich wieder zu mir drehte blitzte in seinen Augen so ein Zorn, dass ich schlucken musste. Plötzlich kam er mit einem Mal auf mich zu und packte mich extrem aggressiv an meine Haare, sodass mir augenblicklich die Tränen in die Augen schossen.

Er kontrollierte mit seiner Hand meinen Kopf und drückte ihn tief in den Sitz des Sofas. Das Gefühl von Atemnot kam hoch. Mein Gesicht verzerrte sich schmerzhaft.

„Wieso warst du bei ihm?" schrie er mir ins Gesicht und zog immer fester an meinen Haaren. Der Kloß in meinem Hals war bereits so groß, dass ich kein Wort aus mir herausbringen konnte. Und das trieb ihn weiter zu machen, das machte ihn nur noch aggressiver.

„Du bist eine verheiratete Frau und gehst zu so einem scheiß Amerikaner?! Welche Erziehungsmaßnahmen musst du noch genießen, damit du so ein Verhalten ablegst, he?"

Ich ignorierte seine Worte und versuchte stattdessen mich aus seinem Griff zu befreien. Mein Kopf pochte schon vom Schmerz. „Lass mich los! Du tust mir weh!" wimmerte ich. Doch er dachte nicht einmal daran loszulassen, er zog nur noch fester dran.

„Vielleicht musst du erst spüren, damit du mein Gesagtes verstehst." Knurrte er und zog mich hoch auf die Beine, sodass ich schmerzerfüllt aufschrie. Plötzlich ließ er los und dann spürte ich nur ein starkes brennen auf meiner linken Gesichtshälfte.

Mein Ohr fühlte sich mit Watte gefüllt an und alles drehte sich kurz. Doch, das sollte ihm nicht genügt haben. Wieder nahm er sich meine Haare in Besitz und zog so fest er konnte daran. Und wieder ohrfeigte er mich.

Er ließ mein Haar in Ruhe und packte mich stattdessen an meinem Kinn. „Nähere dich ihm nie wieder! Hast du das verstanden?" schrie er mir ins Gesicht. Ich nickte nur benebelt und verheult. „Sollte er nur noch einmal in deiner Nähe sein, bringe ich dich und ihn eigenhändig um!"

Und in diesem Moment glaubte ich ihm alles. Ich traute ihm alles zu. „Ich mache was du willst, aber lass los. Bitte!" Schluchzte ich laut. Ich hatte nicht einmal die Kraft mich dagegen zu wehren. Und das nutzte er aus.

„Ich lasse los, wenn ich das will!"

Trotzdem ließ er mich los wollte aber noch einmal ausholen. Seine Hand blieb in der Luft stecken, weil wir hörten wie die Haustür geöffnet wurde. Und egal wie sehr ich Gael nicht ausstehen konnte, liebte ich ihn für diesen Augenblick mehr als meine eigenen Eltern.

Er war meine einzige Rettung in diesem Moment.

Plötzlich erschien Gael am Türrahmen des Wohnzimmers und sah erstmal nur verwirrt aus, bis er verstand was los war. Mein Gesicht musste schlimm aussehen. Sofort stand ich reflexartig auf und ging auf ihn zu, um mich vor meinem Vater zu schützen.

Ich fing an laut loszuheulen aus Erleichterung. Ich stellte mich dicht hinter ihm, als würde mich mein Vater zurückholen können. Ich hatte das Verlangen nach einer Schmerztablette.

„Was zur Hölle passiert hier?" Rief Gael wütend. Ich schluckte und sagte nichts. Ich wollte das Fass nicht noch zum Überlaufen bringen. Sollte er doch selber sagen was er mir angetan hatte.

Mein Vater atmete nur wütend aus und sah mich aus zornigen Augen an. Er hatte nicht vor zu sprechen, sodass Gael mich packte und mich dazu brachte ihn anzuschauen.

„Camilla! Was ist hier los? Was ist mit deinem Gesicht passiert?!" fragte er aufgebracht. Ich wusste, dass er es ahnte, doch er wollte es nur von mir hören. Weitere Tränen liefen mir über meine Wangen, als ich daran dachte wie er mich schlug. Ich zuckte leicht mit den Schultern.

„Das geht dich gar nichts an, Gael." sprach mein Vater und blickte ihm starr in die Augen. Dann griff er nach seinem Schlüssel und sah mich an. „Wir sprechen uns noch."

Bevor mein Vater die Türschwelle passieren konnte, sprach Gael in einem kühlen Ton: „Camilla ist meine Frau, Suegro. Sie lebt nicht mehr unter deinem Dach und muss sich auch nicht an deine Regeln halten. Du wolltest, dass sie heiratet und da hast du es. Lass deine Hände bei dir."

Mein Magen drehte sich bei dem Anblick meines Vaters. Seine Brauen zogen sich mit jedem Wort mehr zusammen und dann lachte er tonlos auf. „Hör zu, Yerno. Sie ist deine Frau, richtig. So benimmt sie sich aber nicht. Du solltest dich besser um sie kümmern. Mehr auf sie Acht geben, wenn du verstehst was ich meine."

Und dann verschwand er aus unserem Haus. Gael ließ er verwirrt zurück. Dieser drehte sich zu mir. Der Druck in meinem Magen drohte jeden Moment zu explodieren.

„Camilla, was ist hier passiert und was meint dein Vater?"

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ich weiß es ist lang her... Zurzeit habe ich Corona und darf die 4 Wände im Zimmer zählen 😃

Wie gefällt euch das Kapitel? Wie wird Gael reagieren? Erzählt ihm Camilla die Wahrheit?

Amor ForzadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt