Kapitel 11

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CAMILLA

Es waren bereits zwei Tage seit dem Vorfall vergangen und wir hatten kein Wort mehr darüber verloren. Doch ich merkte, dass es mir zunehmend schlechter ging. Ich dachte durchgängig darüber nach, was nun passieren würde, wenn ich meinem Vater begegnen würde. Ich hatte immense Angst davor. Denn, das würde früher oder später passieren. Ob ich wollte oder nicht. Issac ging mir genauso oft durch den Kopf. Mehr als mir lieb war. Ich begriff langsam, dass es nichts brachte den Kontakt zu ihm zu suchen. Ich war nun mal verheiratet und so leicht konnte ich aus der Sache nicht mehr raus. Ehrlich gesagt, wollte ich das auch nicht mehr. Außerdem hatte er mir bei der letzten Begegnung deutlich gemacht, dass ich nicht in seine Nähe soll. Trotzdem gingen mir Fragen durch den Kopf, die ich nicht zu beantworten wusste. Liebte er mich denn noch? Schmiss er mich wirklich raus, weil er sauer war oder doch weil er mich nicht mehr will? Durch die endlosen Gedanken, fühlte sich die Enge in meiner Brust, nur noch unerträglicher und die unangenehmen Bauchschmerzen vor schlechter Laune, ließen mich nicht in Ruhe.

Oh man, war ein normales und schwereloses Leben wirklich zu viel verlangt?

Ich stand seufzend auf und nahm meinen Teller zum Müll, den Rest schaffte ich auf keinen Fall. Mein Appetit war in der letzten Zeit so gering, dass meine Hosen langsam lockerer saßen.

„Du hast doch noch gar nichts gegessen." merkte Gael an, während ich meinen Teller in die Spüle legte. „Kein Hunger." antwortete ich knapp und war drauf und dran direkt zu meinem Bett zu laufen. Ich musste schlafen.

„Camilla, du kannst doch nicht so weiter machen! Du klappst noch um." meckerte er mich an. Ich hatte wirklich keine Kraft für solche Gespräche und wenn ich daran dachte, wie er mich noch vor einigen Tagen behandelte, könnte ich würgen!

„Ich habe keinen Appetit, Gael. Soll ich es essen und dann alles auskotzen? Machst du es dann sauber? Bestimmt nicht oder? Also lass mich in Ruhe. Ich habe keine Kraft für solche Gespräche, vor einigen Tagen war ich nur die Alte, die für dich gekocht und Wäsche gewaschen hat."

Ich drehte ihm den Rücken zu und lief direkt in mein Zimmer. Ich schloss ab. Ich schlüpfte unter meine Decke und drückte die Augen fest zu. Ich versuchte nicht zu weinen. Ich versuchte, den Kloß in meinem Hals zu schlucken. Ich versuchte das brennende Feuer in meiner Brust auszulöschen. Und die verstorbenen Schmetterlinge in meinem Bauch, versuchte ich wieder zu beleben oder vielleicht auszukotzen. Doch nichts klappte. Kein einziger Versuch. Die Tränen fanden ihre Freiheit und der seelische Schmerzen verstärkte sich nur. In meinen ganzen zweiundzwanzig Jahren fühlte ich mich nie so schrecklich und allein gelassen. Von allen und jedem allein gelassen. Und die einzige Frage die ich mir stellte: Wird dieser Schmerz jemals vergehen und Ruhe einkehren?

***

Ich lag bestimmt Stunden im Bett, bis ich einschlafen konnte. Im Schlaf konnte ich die einzige Ruhe finden, die ich brauchte. Im Schlaf spürte man nichts und vergaß für einen Moment, dass man nur ein Häufchen Elend war. Ich sah auf meine Handyuhr, dass es bereits nach achtzehn Uhr war. Obwohl ich wirklich keine Kraft hatte aufzustehen, rappelte ich mich auf und machte mich im Bad frisch.

Es war sehr still im Haus, sodass ich davon ausging, dass er nicht Zuhause war. Ich lief in Richtung Küche, da mein Magen sich mehr als einmal zu Wort meldete. Ich hatte zwar keinen großen Hunger, aber irgendwas sollte ich vielleicht zu mir nehmen. Ich nahm mir den Teller aus dem Schrank und schenkte mir etwas ein.

„Hast du doch Hunger bekommen?"

Ich zog scharf die Luft ein und mir fiel vor Schreck der Teller aus der Hand. Samt Essen. Vielleicht wollte das Schicksal wirklich, dass ich verhungere und an den Folgen sterbe. Oder aber einen Herzinfarkt erleide, durch Gael, der mir jeden Tag mindestens einmal eine auswischte. Das Schicksal konnte sich vielleicht noch nicht entscheiden.

Amor ForzadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt