Kapitel 10

36 1 0
                                    

CAMILLA

Es kann sein, dass ich für dieses Desaster verantwortlich war, trotzdem ließ mein Vater mich mittendrin allein. Er sprach diese offensichtlichen Sätze aus und ging fort. Er hinterließ bei Gael Fragezeichen, die ich ihm wegwischen musste. Ohne zu wissen wie er darauf reagieren würde. Vielleicht war er genauso aggressiv wie mein Vater es war und man hätte mich nicht mit ihm allein lassen können. Doch, das interessierte meinen Vater scheinbar nicht. Vielleicht wollte er genau das. Eine weitere Erziehungsmaßnahme. So nannte er es.

„Komm setz dich und trink erstmal was." Nahm ich plötzlich wahr. Ich sah Gael wie ein Geist an und setzte mich langsam auf das Sofa hinter mir. Ich starrte das transparente Glas an. Meine Gedanken kreisten nur darum, wie ich ihm das Gesagte meines Vaters erklären sollte. Selbst wenn ich das Lügen in Erwägung ziehen würde, könnte die Wahrheit spätestens bei meinem Vater rauskommen.

„Camilla, kannst du mir sagen was passiert ist? Wieso hat er dich geschlagen?" vernahm ich wieder seine Stimme und diesmal ging es mir unter die Haut. Er hörte sich so vorsichtig an, bedacht darauf mich nicht zu überrumpeln. Seine Stimme kannte ich nur wütend oder spöttisch. Umso schlimmer fühlte ich mich. Tränen kamen mir auf und brauchten nicht lange um ihren Weg nach draußen zu finden.

„Hey, hey warte nicht weinen! Beruhig dich, er ist doch weg." Versuchte er mich zu beruhigen, ohne zu wissen wieso ich überhaupt in Tränen ausgebrochen bin. Er strich mir, gefühlt in Zeitlupe, über den Rücken. Und es tat mir unglaublich gut. Ich musste mich beruhigen und Klarheit schaffen, sonst ginge das bis morgen.

Ich atmete tief ein und aus und strich mir die ganze salzige Flüssigkeit von den Wangen. Ich verschränkte meine Hände in einander und ließ sie zwischen meinen leicht auseinanderstehenden Beinen hängen. Ich drehte meinen Kopf zu Gael und sah ihn leicht lächelnd an. Er musste denken, dass ich verrückt sei.

„Weißt du eigentlich wieso ich dich heiraten musste?" stellte ich die direkte Frage. So ging das am einfachsten. Gael zog Brauen verwirrt zusammen. „Ich denke schon ja." Sagte er. „Unsere Eltern sehen in uns eine potenziell gute Ehe. Aus uns wird mal was, sagte mein Vater." Sprach er weiter und mir entkam ein humorloses Lachen.

Natürlich erzählte David Díaz niemanden, dass seine Tochter einen amerikanischen Freund hatte und sie deshalb zum Heiraten verdonnerte. Das schadete doch nur seinem Image.

„Das kann sein, ja." fing ich an. „Aber ich wurde mit dieser Ehe bestraft, weil ich etwas tat, dass meinem Vater nicht in den Kram passte. Und das war auch der Grund für den Besuch."

Er schien noch verwirrter zu sein, als vorher. „Was? Was solltest du denn Schlimmes getan haben? So schlimm, dass er dich zum Heiraten zwingt?" fragte er. Ich seufzte und nahm mir vor nicht zu weinen.

„Ich hatte einen Freund, der kein Spanier war." begann ich. „Meinem Vater passte es überhaupt nicht, dass er kein Spanier war. Als er es herausfand, war die Hölle los." machte ich weiter und erinnerte mich widerwillig an den Tag, als mein Vater mein Zimmer stürmte.

Ich schluckte und obwohl ich, nicht weinen wollte, kamen mir mal wieder die Tränen hoch. Ich hatte in letzter Zeit zu oft geweint. Viel zu oft für meine Verhältnisse.

***

„Warte, du hast mich ins Krankenhaus geschleppt mit dem Wissen das Miguel dort liegt?!" Gael stand augenblicklich auf. „Was sollte der Scheiß? Und ich hatte vor Miguel zu besuchen. Weißt du wie unangenehm das wäre?"

Ich schluckte und zuckte mit den Schultern. „Wieso hast du nicht vorher die Wahrheit gesagt?" Redete er weiter. „Hättest du mich dann dabei unterstützt?" fragte ich unbeeindruckt von seiner Idee.

Amor ForzadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt