Prolog

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Ihr Gesicht erstrahlt blass vom lieblichen Mondlicht und durchdringt ihre Gestalt. Trauer zeichnet sich drauf ab, doch es rinnen keine Tränen über die farblosen Wangen, nie mehr würde es so sein. Nie mehr würde sie Gefühle erleben, denn sie ist tot. Ihre Seele wurde zum Geist und es war ihre eigene Entscheidung die sie in dieses elende Dasein verdammten. Grübelnd starrt sie in den Himmel. Es ist egal ob sie die Augen schließt oder offen hält. Ihre Lider sind hauchdünne Fäden die miteinander verwoben auf ihren matten Augen ruhen. Eins hatte sie bisher von diesem Dasein gelernt, Geister können nicht blinzeln und somit auch nicht richtig schlafen, wobei Schlaf auch nicht mehr nötig ist.

Sie scheint zu schweben und doch läuft sie gleichmäßig durch die Luft, wenige Zenitmeter über den Boden hinweg. Sie ist nicht in der Lage zu fallen oder zu stürzen, sie empfand weder das Gefühl der Schwere noch irgendein anderes Gefühl. Ihr ist als wäre sie ausgesetzt worden, völlig verlassen von allem und jedem. Für sie gelten nun keine physischen Regeln mehr. Sie befindet sich noch in genau der selben Welt wie schon seit ihrer Geburt aber nun ist es doch eine andere geworden.

Sie ist sich weder im klaren wie sie hierher kam auf diese einsame Landstraße, noch wie sie eigentlich verstarb. Aber die Erninnerung ihres Todes stieg in ihr hoch. Es sind verblassende Bilder aus einer anderen Zeit die soweit zurück liegt, wie ihr scheint. Ihr Zeitgefühl verschwand jedoch und so wusste sie nicht wirklich wie lange sie nun ein Geist war. In Wirklichkeit jedoch sind bereits einige Tage vergangen indenen sie ihr Geisterdasein zuverabreiten versuchte.

"Doch eines ist sicher." :murmelt sie: "Ich bin tot." Sie gleitet weiter über den nassen Asphalt, es regnete noch vor wenigen Stunden in Strömen, doch allmählich verklingt das Plätschern um sie herum. Ruhe kehrt ein, alles verstummt. Nur einige Fledermäuse beginnen mit ihrer nächtlichen Jagd nach Insekten. Sie fliegen anmutig am Himmel und vollführen zauberhafte Phiroutetten. Sie beobachtete diese Tiere schon seit einigen Nächten und ihr Bedürfniss, genauso zu fliegen wurde mit jedem Mal heftiger. Sie neigt sich ein wenig nach unten um anschließend in die Luft zu springen. Ihr zarter Körper gleitet durch die Gruppe von Fledermäusen, wortwörtlich. Ihre nebligen Hände durchfahren die kleinen lebendigen Körper der Tiere und berühren die pochenden Herzen in deren Brustkorb. Doch die Tiere ließen sich nicht störren, generell wurde sie von niemanden wirklich wahrgenommen. Die kleinen Tiere schienen sie nicht zusehen oder sonst wie wahrzunehmen und selbst die spärlichen Regentropfen glitten durch sie hindurch während sie in dem samtigen Fell der Fledermaus hinab flossen. "Es besteht ein gewisser unter schied zwischen ihnen und mir" :denkt sie: "Es ist dieses fassbare, dieser Körper um das Leben das in ihrer Brust steckt."

Sie verliert den Schwung und kommt langsam wieder zu Boden, wie auch ihre Gedanken. Federleicht scheint sie zu landen und beobachtet die Geschöpfe bei ihrem Flug bis zum frühen Morgengrauen als sich die Tiere schließlich wieder zurück ziehen in den schützenden dunklen Winkeln der Höhlen und Bäumen. Doch es liegen Welten zwischen ihr und dem Leben, dem Veränderlichen, dem Heranwachsenden. Sie kann nicht fliegen wie die Vögel, Insekten oder Fledermäuse, sie kann nicht so gehen wie die Rehe am Waldrand und nichteinmal Atmen konnte sie. Sie war kein lebendes Wesen mehr und alles änderte sich für sie.

Wieder wendet sie ihren Blick gegen den Mond, der noch in voller Pracht am Himmel prankt und die Welt mit seinem sanften Strahlen erleuchtet. Doch bald würde sein Schein von dem der lieblichen Sonne übertrumpft werden uns er würde verschwinden bis zum einkehren der Dunkelheit. Am Tage ist er wie eine blasse Erinnerung doch in der Nacht die Hoffnung auf das widerkehrente Licht des Lebens.

Und da durchfährt es sie. Bilder erscheinen ihr und sie ergibt sich diesen versiegenden Gedanken. Doch diese Erinnerung war stärker als die der vergangenen Tage. Sie war viel greifbarer und klarer als jeder bisherige Gedanke.

Sie war wieder lebendig. Sie spührte die Wärme ihres Körpers, rauschendes Blut und harte Knochen. Aber da war noch mehr. Emotionen erfassen sie, Trauer, Angst, Verzweiflung und Trostlosigkeit und Schmerz.

Vor ihr befindet sich ein Haus.Ein einfaches kleines Haus, mit weißer Fassade und einem weißen Palisaten Zaun, der den kleinen Vorgarten umgibt. Es ist ihr Zuahuse, das weiß sie, und sie läuft geradewegs darauf zu. Jeder ihrer Schritte setzt auf dem gepflasterten Weg auf und erschüttert ihren Körper bis sie schließlich vor der Haustür zum stehen kommt. Sie will die Klinke umfassen um hineinzutretten, doch da gleitet sie auch schon hindurch. Und nicht nur das, sondern auch der gesamte Gedanke zieht an ihr vorbei und verlässt sie sogleich, er entflüchtet ihr und wurde mit einem mal so unerreichbar für sie.

Ghost story - Wispern des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt