2. Story

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Ein letztes Mal bestaune ich den Sonnenaufgang. Die lieblichen Farben lassen den Himmel magisch erstrahlen und die Vögel singen sanfte Melodien. Ich bin mir sicher in meinem ganzen Leben nie etwas schöneres gesehen zu haben.

Gedankenverloren wende ich mich von der Landschaft ab und blicke auf die graue Straße vor mir. Autos fuhren jeden Tag darauf und ich meine, sie müsse ja irgendwo hinführen.

Ungewiss was mich erwartet begann ich meine Reise, denn ich wusste mit diesem Schritt würde sich alles verändern, alles würde sich klären, die Erinnerungen würden irgendwann Sinn ergeben und ich würde bald wissen was mit mir geschah.

Die Straße führte einige Meilen nordwärts und ich zog bereits seit ein paar Tagen durch die gegend. Doch nichts kommt mir auch nur ansatzweise bekannt vor. Die Landschaft wirkte jedoch schon ziemlich bewoht, den am Horizont ragten einige Häuser hervor. Ich habe bisher noch nie Häuser gesehen und ich kann mir nicht einmal erklären, woher ich diesen Namen wusste und doch ist mir der Anblick vertraut. Ich musste also soetwas wie ein mensch sein, doch irgendetwas unterschied mich enorm von ihnen. Und auch von anderen Tieren und sogar von den Pflanzen. Ich hielt inne und betrachte meine Umgebung genauer. Das Licht der Sonne umspielt die Tautropfen an die kniehohen Grashalmen und lässt sie glitzern wie ein Meer aus Perlen und Kristallen.

Die Bäume rauschen im Einklang des Windes und ihre Äste wiegen sanft die kleinen Knospen ihrer Blüten. Plötzlich tritt ein Reh aus dem Unterholz hervor, die klaren wachsamen Augen mustern seine Umgebung aufmerksam als sein Blick plötzlich in meiner Richtung hängen bleibt. Verwundert über das Tier mustere ich es genauer. Konnte es mich sehen ? Stumm stehen wir uns gegenüber als das Tier sanft einen Tritt nach vorne wagt, direkt auf mich zu. Bei jedem seiner Bewegungen erzittern die zarten Grashalme und die Wassertröpchen gleiten zu Boden und erweichen die kühle Erde. Witternd nähert sich das Tier auf mich zu und spitzt die samtigen Ohren in meine Richtung. Doch ich vermag keinen Laut von mir zu geben. Das Reh nähert sich mir noch ein wenig, bis nur noch wenige Schritte uns voneinander trennten. Verlockend nah ist mir dieses edle Tier hervor getretten ohne sich zu scheuen und so hebe ich meine Hand und fähre sie langsam an den Hals des Tieres.
Ohne zu reagieren verharrt das Reh unschlüssig und blickt mich an. Kurz bevor ich es jedoch berühre setzt es nach vorne und gleitet durch mich hindurch. Verdutz blicke ich mich um.

Mit klackernden Hufen schreitet es über die Straße und schien mich nicht zu bemerken. Enttäuscht von dem Glauben es könnte mich tatsächlich sehen oder sonstwie wahrnehmen blicke ich ihm nach. Doch das Blatt schien sich zuwenden als auf einmal ein dröhnendes Geräusch zuhören ist. Ein Auto schoß bereits von weitem über die Straße und mein Blick galt wieder dem Reh vor mir. Und dann geschah es rasend schnell als das Fahrzeug mit voller Wucht auf den geschmeidigen Körper auffuhr. Niemand hatte eine Chance dem auszuweichen...

Knochen brachen und dünnen Metall verbog sich durch den Zusammenstoß. Fell wurde aufgerissen und Blut strömte wie ei roter Geysir aus dem bis geradeeben majestetischen Körper hervor. Mit weit aufgerissenen Augen blickt das Reh vor sich.

Mit einem dumpfen Aufprall wurde das Tier über die Straße geschleudert und landete unsanft auf der gegenüberliegenden Seite. Das Auto dagegen fuhr noch eine gute Strecke weiter bis es schließlich zum stehen kommt und ein verdutzter Mensch aus dem Wagen stieg. Doch ich achte nicht weiter auf ihn und steuerte auf das Reh zu. Eine feine Spur aus dunklem Blut zieht sich über die Fahrbahn in den Straßengraben und ich nähere mich unerschrocken dem leblosen Bündel vor mir. Man erkennt deutlich die gesplitterten Knochen, wie sie durch die Haut ragen und überall als kleine weiße Stücke auf dem Boden liegen. Das Tier regt sich nicht, es atmete nicht nur das Blut bewegte sich noch gleichmäßig an seinem Körper herab und floß als warme Pfütze auf den Waldboden. Den weiche Bauch wurde aufgeschlitzt und blutige Knäule tretten hervor. Ohne den Blick von dem Reh zu wenden nehem ich den Mensch wahr  der sich ihm zitternd nähert. Mit erschrockenem Blick begutachtet er den Körper doch ein wehmütiger Schauer begleitet ihn dabei. Sein Atem geht stoßweise und er scheint Angst zu verspüren. Ich dagegen habe keine Angst, ich habe keinen hadtigen Atem oder ein schlagendes Herz. Und ich brauche mich vor nichts zu fürchten weder vor Schmerz noch vor allem anderen, so durchdringlich wie ich bin.

Für mich sehen alle Menschen gleich aus, genauso wie auch alle Pflanzen und Tiere gleich aussehen doch irgendetwas ist anders an ihm. Neugierig schwebe ich zu ihm und mustere sein Gesicht. Und dann tat ich es. Ich greife unsanft durch ihn hindurch direkt durch seine Brust und umschließe sei pochendes Herz und alle Gefühle die er gerade empfand gingen auf mich über. Ich vernehme Ekel vor dem verstellten Lebewesen und Angst und Adrenalien von dem Unfall, ich fühle die Sorge die ihm gerade begleitet und Unentschlossenheit. Übberascht von diesem Gefühlschaos zucke ich unweigerlich zurück. Das war neu. Ich hatte das schon oft bei Tieren gemacht, doch noch nie empfand ich dabei eine solche Menge an Gefühlen und Leben wie ich es bei diesem Menschen fühlte. Der Mann schien davon jedoch nichts gespürt zu haben den er läuft wieder zurück zu seinem Wagen und startet den brummenden Motor. Danach fuhr er weiter die Straße entlang. Er ließ den Kadaver unberührt zurück. Doch plötzlich geschiet etwas merkwürdiges. Genau an der Stelle an dem das Reh erfasst wurde bewegte sich etwas und ich hebe aufmerksam den Blick. Es war ein weiters Reh doch es sah ganz anders aus. Statt dem üblichen braunen Fell ist seines matt und erstrahlt weißlich. Die Augen leuchten wie der Mond und das Geweih funkelt wie der Tau auf den Grashalmen. Das Tageslicht durchdringt seine Gestalt und es wendet den Blick über die Wiese von der es kam als habe es sich verlaufen und wüsste nicht recht wohin nun mit ihm.

Mit vorsichtigen Schritten lenkt es wieder auf die Wiese doch diesmal waren keine Hufe auf dem Asphalt zuhören, denn es schwebte wie ich über den Boden. Fasziniert von dem Anblick des Reh tratt ich zu ihm, doch auch diesmal ist etwas anders an ihm. Mit einem verlorenen Blick sieht es mich an, direkt durch meine Augen.

Zwei angstlose Seelen stehen sich gegenüber und keiner von beiden wusste wie man darauf reagieren sollte.


Ghost story - Wispern des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt