KAPITEL 12

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DAS ERSTE, DAS WÜSTENSTURM am Tag ihres Aufbruches erblickte, waren die runden Augen eines Jungen, das sich vorwitzig auf dem Rand ihres Kriegerbettes gesetzt hatte und gerade dabei war, seine Pfote auf die Nase der zweiten Anführerin zu drücken. Sie blinzelte erstaunt. Der winzige dunkelrote Kater mit den kleinen Ohren –dafür aber umso größeren Augen – sah ertappt zu ihr. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie aufwachen würde, schließlich schlief sie wie ein Stein. „Ehm tschuldigung", nuschelte Fliederjunges und rückte ein Stück von ihr ab. Wüstensturm musste sich ein lautes Losprusten verkneifen und sah den Kleinen streng an: „Was sollte das werden?" Der Schalk lag in ihren gelb-grünen Augen. Sie hievte sich auf die Pfoten, ein Gespräch im Liegen wäre auch etwas seltsam gewesen. „Ich...öhm....naja...", stammelte das Junge. „Jetzt rück schon mit der Sprache raus.", Wüstensturm konnte das leichte Lachen in ihrem Unterton nicht gänzlich verhindern. „Ehm...ich habe mit Donnerjunges gewettet, dass ich dich antippen kann, ohne dass du aufwachst. Weil ich ja der beste und leiseste Jäger im ganzen Clan bin.", seine anfängliche Schüchternheit war verfolgen und Fliederjunges streckte stolz seine Brust heraus. Wüstensturm kicherte. „Wer hat dich denn zum besten Jäger erklärt?", fragte sie grinsend. Mit noch immer hocherhobenem Köpfchen sah der Kleine zu ihr auf: „Ich habe schon mal eine Waldmaus gefangen. Und ich bin ja noch nicht mal ein Schüler.", maunzte er stolz. Die zweite Anführerin nickte anerkennend. „Oh. Das ist beeindruckend.", sie lächelte, „Du wirst sicher ein guter Jäger werden." „Der beste.", bestätigte das Junge. Sie konnte sich das Grinsen nicht länger vorenthalten, Fliederjunges war einfach goldig." Aber leider hab ich die Wette jetzt verloren.", murmelte er und ließ das Schwänzchen hängen. „Nein, das hast du nicht. Das war ja unfair, ich war ja schon wach.", Wüstensturm zwinkerte ihm zu. „Echt?", die großen Augen musterten sie wieder. „Ja.", die Kätzin nickte, um überzeigender zu wirken. „Aber das gildet ja dann nicht." „Da hat du Recht. Du kannst dich ja noch...", sie sah sich im Kriegerbau um, und entdeckte auf der anderen Seite, nahe des Eingangs einen schwarzen, zusammengerollten Körper, „...an Jaguarkralle versuchen. Dann glaubt dir Donnerjunges sicher, dass du der beste Jäger des Clans bist." Sie deutete auf den schlafenden Krieger. Dieser hatte sich, wie auch sie selbst, eine lange Nacht an Schlaf genehmigt, damit beide bestens ausgeruht auf ihre Reise starten konnten. Verunsichert sah Fliederjunges zu ihr hoch: „Aber Jaguarkralle ist so groß und stark und klug und....", das Junge zählte noch etliche weitere Punkte an seine Pfoten ab, warum er den Krieger so bewunderte. Mit Augen, so groß wie der Vollmond starrte er zu ihr und dann wieder zum schlafenden Krieger. „Wenn du es bei Jaguarkralle schaffst, ihn nicht zu wecken, ist das doch viel beeindruckender." „Stimmt.", das Junge straffte die Schultern und hopste von ihrem Nest herunter.

Neben Wüstensturm tief an den Boden gedrückt schob sich Fliederjunges Stückchen für Stückchen an den Krieger heran. Der schwarze Kater hatte seinen Schwanz um sich gelegt und seinen großen Kopf auf die Pfoten gebettet. Er schien tief und fest zu schlafen. Das Junge kroch um den Kater herum, um sich von hinten an diesen heranschleichen zu können. Wüstenpfote beobachtete das rote Kätzchen grinsend. Es war einfach so knuffig, wie er unbeholfen an den muskulösen schwarzen Kater heranpirschte. Plötzlich öffnete Jaguarkralle ein durchdringendes bernsteinfarbenes Auge und wollte sich gerade nach dem Angreifer umdrehen, als er die lächelnde Wüstensturm vor sich sah, die vehement den Kopf schüttelte und ihm bedeutete, sich schlafend zu stellen. Er schien zwar zunächst verwirrt von ihrer stummen Bitte, gehorchte aber und schloss die Augen wieder. Währenddessen hatte Fliederjunges seine Pfote auf die Schulter des Kriegers gelegt und schien einige Herzschläge lang zu warten, ob dieser doch aufwachen würde. Als das jedoch nicht passierte, zog er sein Pfötchen zurück und kroch so schnell es geht zurück zu seiner zweiten Anführerin.

Mir stolz geschwellter Brust marschierte er vor seiner Mutter auf und ab und erzählte zum hundertsten Mal, wie er Jagruarkralle unbemerkt angetippt hatte, ohne dass dieser aufgewacht war, nachdem Wüstensturm ihn zu seiner Mutter und den anderen Jungen zurückgebracht hatte. Donnerjunges, Eicheljunges und Blitzjunges sahen Fliederjunges beinahe ehrfürchtig an. „Und Jaguarkralle hat echt nichts gemerkt?", fragte Blitzjunges wieder einmal lautstark. „Ja. Er hat gar nichts gemerkt. Wüstensturm hat es gesehen, die kann es euch auch erzählen.", sein Schwänzchen vor Aufregung steil in die Höhe gerichtet marschierte er mit gestreckten Beinen vor den Katzen auf und ab. Wüstenpfote lachte, als sich mit einem Mal drei kugelrunde Augenpaare auf sie richteten und die Jungen die Geschichte nochmal von ihr bestätigt wissen wollten. Sie nickte in großer Geste: „Ja, er sagt die Wahrheit. Jaguarkralle hat nichts gemerkt." „Was habe ich nicht gemerkt?", eine dunkle Stimme erklang schalkhaft hinter ihr. Sie zuckte aber nicht zusammen, da sie seinen Geruch bereits am Rande wahrgenommen hatte. Nun sahen die Jungen noch staunender zu Fliederjunges, scheinbar glaubten sie ihm seine Geschichte nun vollkommen und bewunderten ihn zutiefst.

Warrior Cats - Sturz in die FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt