KAPITEL 27

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MIT SCHIERER KRAFT BÄUMTE SICH Jaguarkralle auf und schon biss kräftig in die Pfote des Löwen. Dieser zuckte zurück, wenn auch nur wenig, aber es reichte aus, damit der schwarze Krieger sich befreien konnte. So schnell wie möglich brachte er wieder Abstand zwischen sie. Er keuchte vor Schmerz und Anstrengung. Blut tropfte von seiner Flanke und dem großen Riss über seinem Auge auf den staubigen Felsboden. Kies knirschte unter seinen Pfoten, als der Kater sich wieder Richtung Felsabhang bewegte. Er musste den Angreifer so schnell wie möglich loswerden.

Der Löwe wurde ungeduldig. Die Nasenflügel zuckten, als er mit gefletschten Zähnen Jaguarkralle folgte. Sehnige, drahtige Muskeln spielten unter dem struppigen Pelz. Auf einmal drückte er sich vom Boden ab und stürzte sich, zum vernichtenden Schlag ausholend auf Jaguarkralle. Dieser jedoch biss die Zähne zusammen und sprang ebenso vor, auf einen harten Aufprall und Krallen, die sich in sein Fleisch bohrten, vorbereitet. Doch er sah einen Fehler - der Angreifer war zu langsam, er hatte nicht erwartet, dass sich der Kater ebenso auf ihn zu preschen würde - und tauchte unter den ausgestreckten Pfoten hindurch um von unten mit den Krallen nach oben auf den Bauch des Getiers zu zielen. Und er traf. Tief versenkte er die Zähne im Fleisch des Löwen, seine ungewöhnlich scharfen Krallen - die ihm seinen Namen bescherten - rissen eine klaffende Wunde in die ungeschützte Unterseite des Löwen. In wenigen Herzschlägen war er wieder auf dem Boden und wich erneut geschickt seinem Angreifer aus, um sich wieder in Kampfposition zu bringen.

Lautes Knurren scholl von den Bergwänden wieder, als der Löwe zur Furie wurde und sich in einer unbändigen Raserei wild mit den Kiefern schnappend auf Jaguarkralle zu stürzte. Dieser rannte um sein Leben auf den gefährlichen Felsabhang zu. Wüstensturm, wenn das jetzt klappt...., er wagte es nicht seine Gedanken fertig zu denken. Durfte er sich diese Hoffnung erlauben? Sein Herz schlug wie wild, das Blut rauschte in seinen Ohren. Der Gestank nach Blut und dem Angreifer verstopfte seinen Geruchsinn und sein Instinkt schrie ihn an zu laufen, zu laufen, so schnell es nur ging.

Doch er war zu langsam.

Krallen bohrten sich in seinen Rücken und zogen ihn nach hinten. Er kreischte auf. Fleisch riss. Es war als würde sich der Angreifer bis zum Knochen in ihn hinein bohren. Jaguarkralle stolperte. Und knickte ein. Irgendein Muskel war durchtrennt worden. Er konnte seinen hinteren Oberschenkel nicht wirklich steuern. Die Pfote rutschte immer wieder weg. Da war kein Halt im Muskel mehr. SternenClan sei dank war ihm nicht das Rückenmark durchtrennt worden, doch ohne funktionierendes Bein war ein siegreicher Kampf aussichslos. Er keuchte und spuckte etwas Blut. War er auch innerlich verletzt worden? Das wäre ungünstig. Eher äußerst ... schlecht. Das war sein Todesurteil.

Wüstensturm tauchte vor seinem inneren Auge auf. Ihr kleiner, ausgezehrter Körper, den er auf dem Felsvorsprung in Sicherheit gebracht hatte. Wie ungeschützt sie im Moment war. Dass, wenn er jetzt sterben würde auch gleichzeitig ihren Tod unterschreivben würde.

Nein.

Nein, nein, nein!

Das konnte, das würde Jaguarkralle nicht zu lassen. Ein letztes Mal raffte er sich auf. Dies würde sein letzter Angriff sein, er wusste, dass sein Körper nicht mehr länger durchhalten würde. Er verlor zu viel Blut.

Erstaunt sah das Ungeheuer auf, als der Krieger ihm direkt ins Gesicht sprang und seine Krallen in die Augen des Gegeners bohrte. Zähne schnappten nach ihm. Doch er hatte sein Ziel getroffen. Mit einem entsezlichen Heulen schüttelte die Bestie ihn ab. Ihr Blick glasig - sie war geblendet. Das war seine Chance. Wieder stürzte er auf sie zu, dieses Mal rammte er den Löwen mit aller Kraft. Da dieser noch nicht damit klarkam, dass er nciht mehr sehen konnte, kam er ins Straucheln. Wieder rammte sich Jaguarkralle gegen ihn - trieb den großen Angreifer Richtung Abhang. Der fauchte, als seine Hinterpfoten den Halt verloren. Verzweifelt und wütend schabten die Pfoten über die Felswand, doch fanden nichts, das sie greifen, das sie packen konnten, um wieder festen Boden unter den Füßen zu finden. Die großen vorderen Krallen bohrten sich in den oberen Rand des Abhangs. Jaguarkralle schlug zu. Mit einem weiteren entsetzlichem Kreischen verlor der Löwe vollends den Halt. Sein massiger Körper stürzte in die Tiefe. Das würde er nicht überleben.

Der schwarze Kater sank erleichtert auf sein Hinterteil zurück. Er atmete schwer. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen. Der Mond ließ die Umgebung unheilvoll glitzern. Er hatte nicht mehr lange Zeit. Wüstensturm!

Er hievte sich wieder hoch und humpelte zu ihr. Vor Schmerzen stöhnend zog er sich auf den Felsvorsprung hoch. Die eigentlich so schöne Kätzin lag noch immer bewusstlos da, wo er sie zurückgelassen hatte. Das Gift hatte seinen Tribut gefordert. Ihr Fell spannte wie ein ledriger Fledermausflügel über dem Knochengerüst ihrer Rippen. Sie atmete nur noch flach und keuchend. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Sein Herz wurde schwer, als er sich erneut von ihr abwenden musste, doch die Kräuter mussten gefunden werden und auch noch zubereitet werden.

Blutpfützen sprenkelten die Wege die Jaguarkralle gegangen war. Es waren dunkle Streifen in der mondbeschienenen Landschaft. Der Wind hatte aufgefrischt und der Geruch nach Blut war zwar noch wahrnehmbar, doch zu seinem Glück relativ verflüchtigt. Sonst wären weitere Angreifer angelockt worden.

Häufchen an Kräutern sammelten sich inzwischen vor Wüstenpfote. Mit einer ganzen Huflattichpflanze im Maul kletterte er wieder zu ihr. Er spuckte aus. Tief durchatmen.

"In Ordnung, zuerst Estragon und Kerbel zermahlen.", murmelte er vor sich hin, während er einen Stein packte um seine Worte in Taten umzusetzen. Starker Kräutergeruch hüllte ihn ein. Estragon roch sehr scharf und stach ihm in die Nase. Nur der Kerbel vermochte diesen etwas abzumildern. Jaguarkralle hustete. Misstrauisch musterte er das Gemisch, hoffentlich wirkte es. Doch er konnte nur auf Schmetterlingsblüte vertrauen - und auf seine Fähigkeiten als Teilzeit-Heiler. Er pulte die Mondsichel Blüten vom Zweig. Ein kleines Häufchen, etwa ein Maulvoll von diesen gab er hinzu. "...Huflattich zerkauen...", miaute er leise vor sich hin. Feinsäuberlich stellte er eine sämige grüne Paste her und spuckte sie zu seiner Heilkräutermischung. Der Huflattich hinterließ einen pelzigen Geschmack auf seiner Zuge, doch im Vergleich zum Estragon Geruch war das fast schon angenehm.

Mit einer Kralle verrührte er das Ganze und schaufelte es auf sein großes Huflattichblatt. Vorsichtig trug das Gemisch zu der bewusstlosen Kätzin. Wie sollte er sie nur zum Schlucken bewegen? Wie hatte das Regentau immer gemacht, wenn sie besinnungslose Katzen behandelt hatte?

Jaguarkralle rollte das Blatt mit dem Heilmittel zu einem kleinen Röllchen zusammen, wobei er darauf achtete nichts von den Kräutern zu verschwenden. Sanft hob er Wüstensturms Kopf an und öffnete ihren Mund. Wenn er selbst das Heilkräutergemisch in den Mund hätte nehmen dürfen, wäre das Verabreichen viel einfacher gewesen, aber so musste er ihr das Blattröhrchen in den Mund legen und das Gemisch hineinrutschen zu lassen. Sanft strich er ihr über die Kehle um sie zum Schlucken zu bewegen. Etwas grüne Paste tropfte aus ihren Mundwinkeln, doch sie schluckte. Bis auf das letzte Tröpfchen ließ er sie das Gemisch schlucken. Als alles weg war seufzte er auf.

Die pure Erleichterung durchströmte ihn. Es war als wäre eine große Last von seiner Brust genommen werden. Es fiel ihm ein riesiger Stein vom Herzen. Sie hatten das Heilkraut gefunden. Wüstensturm hatte es bekommen.

Alles wurde schwarz vor seinen Augen.

Jaguarkralle kippte zur Seite.

Sein kräftiger schwarzer Körper schlug hart auf dem Boden auf. Blut sickerte aus seinen Wunden. Sein keuchender Atem kam zum Erliegen. Das Herz schlug nur noch schwach. Er war seinen Verletzungen erlegen.

Puhhhh... nächstes Kapitel. Es war spannend, es bleibt spannend. Hat Wüstensturm überlebt? Was ist jetzt mit Jaguarkralle, ist er wirklich tot? Stellt sich alles im nächsten Kapitel heraus. Ich freue mich schon, das zu schreiben.

Danke fürs Lesen,

Eure Diana Jane

Warrior Cats - Sturz in die FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt